Behörden sahen hin und weg

2 Min
Das Medieninteresse am Schlachthofprozess war groß. Foto: Ronald Rinklef
Das Medieninteresse am Schlachthofprozess war groß. Foto: Ronald Rinklef
Auch die Zuschauerreihen waren gut besetzt. Foto: Simone Bastian
Auch die Zuschauerreihen waren gut besetzt. Foto: Simone Bastian
 

Beim Prozessauftakt ging es am Montag um fragwürdige Praktiken und um das Verhalten der Aufsichtsbehörden. Besonders die roten Zettel, die anstelle der Fleischstempel verwendet wurden, interessierten Gericht und Staatsanwaltschaft.

Sind Keulen geschlachteter Rinder nicht für den menschlichen Verzehr geeignet, wird das normalerweise vom Amtstierarzt mit einem entsprechenden Stempel gekennzeichnet. Im Coburger Schlachthof jedoch griff man auf eine ganz andere Methode zurück: Dass die Keulen "vorläufig beschlagnahmt" waren, wurde dort üblicherweise mit einem rosa Zettel markiert, der einfach durch die Feuchtigkeit des Fleisches daran haften blieb. Um diese und weitere rechtswidrige Praktiken ging es gestern beim Prozessauftakt gegen den Fleischgroßhändler Ludwig Dellert, den früheren Schlachthofleiter Michael Klein und dessen Ehefrau Heike, die dort als Amtstierärztin tätig war.

Kontrolleure wussten Bescheid

Dellert hatte aus diesen Rinderkeulen dann - laut Anklage - Fleisch auslösen lassen und es an Metzgereien und Gaststätten weiter verkauft. "Wir haben die rosa Zettel über die Bakteriologische Fleischuntersuchungsstelle in Hof bezogen", berichtete der frühere Schlachthofleiter über das Verfahren. Die BFU habe die Zettel zwar irgendwann nicht mehr eingesetzt, weil es sich aber am Coburger Schlachthof so "eingespielt" hatte, ließ Klein einfach solche Zettel drucken, und die Keulen wurden weiterhin so gekennzeichnet. "Auch einen Stempel kann ich wegschneiden, ohne dass es auffällt." Dass die Zettel-Praktik rechtlich nicht in Ordnung gewesen sei, wie Vorsitzender Richter Gerhard Amend kritisierte, räumte Klein aber ein.

Seine Ehefrau gab ebenfalls zu, die roten Zettel auf die Keulen geklebt zu haben - "wie alle Amtstierärzte!" Sie habe sich darauf verlassen, dass die mit den roten Zetteln markierten Keulen entsorgt werden. Dieses System, das schon vor 2001 im Schlachthof gegolten habe, sei zudem bei keiner Kontrolle geändert worden, betonte Heike Klein. "Alle meine vorgesetzten Stellen haben es zur Kenntnis genommen und nicht beanstandet." Deshalb habe auch sie nichts unternommen.

Spiel auf Zeit?

Amend, der schon eingangs die Untätigkeit der Behörden kritisiert hatte, brachte es schließlich bei der Zeugenbefragung eines Mitarbeiters der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) auf den Punkt: "Entweder Sie haben es nicht gewusst oder Sie haben es gewusst und haben es schleifen lassen!" Schließlich habe es schon 2008 entsprechende Vermerke in den Protokollen der Kontrolleure gegeben. Statt jedoch die Mitarbeiter der Fleischbeschau dazu zu befragen, sei nichts geschehen, so Amend. Das gehe auf das Konto eines Kontrolleurs, der 2010 entlassen wurde, begründete der LfL-Bereichsleiter. "Danach lief es besser."

Er habe den Coburger Schlachthof Anfang 2011 persönlich besucht. "Es gab nichts zu beanstanden." Einige seiner Mitarbeiter hätten aber moniert, dass man dort "nicht gerne gesehen war". Sie hätten sich erst bei Klein melden müssen und dann habe es noch eine ganze Weile gedauert, ehe sie de den Schlachthof betreten durften. Er bestätigte dann auch die Frage von Staatsanwalt Christian Pfab, dass die Mitarbeiter den Eindruck gewonnen hatten, in Coburg werde auf Zeit gespielt.

Eine Erklärung dafür lieferte später ein ehemaliger Mitarbeiter der Verwaltung: Die Fast-Food-Kette McDonald's, die ebenfalls Fleisch aus dem Schlachthof bezog, habe verlangt, dass Besucher aus Hygienegründen vor dem Betreten der Schlachthalle ein Protokoll unterschreiben mussten, etwa dass sie keine künstlichen Fingernägel trugen. Dies habe eben auch für die Mitarbeiter des Landesamtes gegolten.

Eine Amtstierärztin beschrieb das Verhältnis zu Schlachthofleiter Klein als schlecht. Zwischen den Schlachthöfen in Kulmbach, wo sie einen "strengen Lehrherren" gehabt habe, und Coburg liege ein "krasser" Unterschied. "Die Strenge, was Arbeitstechnik oder Hygiene angeht, da war Coburg nicht so ganz auf der gleichen Wellenlänge wie Kulmbach."