Ärgern wenn der Bus kommt...

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Nicht barrierefrei, wird aber seit 1. Januar angefahren: die neue Haltestelle "Lukaskirche" in der Dr.-Hans-Schack-Straße. Fotos: Ulrike Nauer
Nicht barrierefrei, wird aber seit 1. Januar angefahren: die neue Haltestelle "Lukaskirche" in der Dr.-Hans-Schack-Straße.  Fotos: Ulrike Nauer
Barrierefrei umgebaut, wird aber nicht mehr angefahren: die Haltestelle in der Dr.-Hans-Berger-Straße nahe des Awo-Hauses (hinten rechts).
Barrierefrei umgebaut, wird aber nicht mehr angefahren: die Haltestelle in der Dr.-Hans-Berger-Straße nahe des Awo-Hauses (hinten rechts).
 
 
 

Die Awo-Bewohner in der Pettenkoferstraße sind enttäuscht: Gerade sie sind auf Barrierefreiheit und den öffentlichen Nahverkehr angewiesen.

Kurze Wartezeiten an der Haltestelle und eine Busfahrt ohne Extraschlenker - was im ersten Moment für die Fahrgäste der Buslinie 6/66 perfekt klingt, ist längst nicht für alle eine Verbesserung. Schlimmstenfalls könnte die Fahrplanänderung eine Rückzahlung von Fördermitteln mit sich ziehen.

Die Haltestelle "Lukaskirche" in der Dr.-Hans-Berger-Straße wurde nämlich zum Jahresbeginn in die ein paar Meter weiter unten liegende Dr.-Hans-Schack-Straße verlegt. Der Bus fährt diese nun direkt entlang, wie Raimund Angermüller, Betriebsleiter der Städtischen Werke Coburg (SÜC) erklärt. Zuvor ist der Bus einen Bogen über die Paracelsus-, Pettenkofer- und Dr.-Hans-Berger-Straße gefahren.

Für die Bewohner des Awo-Wohnprojekts "Wilna" in der Pettenkoferstraße bedeutet das nun eine doppelt so lange Wegstrecke zur neuen Bushaltestelle. Eine verärgerte Bewohnerin macht die erschwerte Situation deutlich: "Wir haben uns ausgesucht, hier zu wohnen, weil die Lage so günstig ist. Jetzt sind wir sehr enttäuscht."

Es geht weiter mit den barrierefreien Bushaltestellen in Coburg

Hinwärts zur Haltestelle sei der Fußweg machbar, weil es bergab geht. Heimwärts jedoch müssen sie noch weiter den Berg hinaufgehen. Das ist angstregend, denn "fast alle von uns sind auf Rollator oder Rollstuhl angewiesen".

Fehlende Barrierefreiheit

Doch nicht nur das stellt die Seniorin vor eine neue Herausforderung: Der Bordstein an der Haltestelle ist (noch) nicht erhöht worden. Wer ohnehin nicht gut zu Fuß ist, ist nun auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen angewiesen. Was sie besonders ärgert: Die alte Haltestelle war bereits barrierefrei. Die Stadt Coburg hat bisher in vier Tranchen Haltestellen behindertengerecht umgebaut. Dafür sind, wie David Schmitt, Pressesprecher der Stadt Coburg berichtet, jeweils rund 250000 Euro aufgewendet worden und in etwa gleicher Höhe Fördermittel des Freistaats geflossen.

"Die fünfte Tranche ist in Vorbereitung und kann voraussichtlich 2020 gebaut werden", sagt Schmitt. Die Stadt hat hierfür die naheliegende Haltestelle "Dr.-Hans-Schack-Straße" im Blick. Diese stellt einen barrierefreien Ersatz für die neue Haltestelle dar. Für die Wilna-Bewohner wäre dieser Weg aber fast dreimal so lange wie zur bisherigen Haltestelle.

Peter Tretau, Behindertenbeauftragter der Stadt, ist schockiert: "Ich bin erschrocken, als ich erfahren habe, was älteren Menschen und Behinderten hier zugemutet wird." Er selbst ist nicht ausreichend informiert worden und hat sich wütend an die ÖPNV-Beauftragte Marita Nehring gewandt. Diese konnten ihn aber etwas beruhigen, denn das letzte Wort sei noch nicht gesprochen.

Nicht ganz vom Netz genommen

Die Fördermittel unterliegen nämlich einer Bindungsfrist. "Sollte die bereits umgebaute Haltestelle ,Lukaskirche‘ auf Dauer nicht bedient werden, dann wäre mit einer Rückforderung durch die Regierung von Oberfranken zu rechnen", räumt Schmitt ein. Daher möchte die Stadt die alte Haltestelle nicht gänzlich vom Netz nehmen. Doch wieso wird sie nicht einfach weiterhin angefahren?

Bessere Anbindung gewünscht

Gegenüber des Awo-Hauses entstehe durch geparkte Fahrzeuge häufig eine Engstelle, die zu längeren Verzögerungen im Busverkehr führe. Der SÜC-Leiter versichert aber, dass dies nicht der Grund für die Verlegung gewesen sei: "Das hat nichts damit zu tun, eher indirekt, da es jetzt zu noch weniger Verzögerungen kommt."

Vielmehr hätten die Bewohner im Gebiet des Ketschendorfer Hangs schon lange den Wunsch geäußert, besser an Einkaufsmöglichkeiten angebunden zu sein. So wurde die Linienführung geändert. Angermüller: "Wir muten unseren Fahrgästen einen längeren Fußweg zu, dafür ist die Anbindung jetzt besser."

Güterbahnhof wird angebunden

David Schmitt erklärt das genauer: "Der Auftrag bestand darin, das Güterbahnhofsgelände für die Zukunft in das Stadtbusnetz einzubinden." Der Bus fährt jetzt durch die Uferstraße. Die Linienführung hat sich geändert, die Fahrtzeit verlängert.

Der Hauptgrund war es, laut Angermüller, durch die direkte Durchfahrt der Dr.-Hans-Schack-Straße Zeit zu sparen. Dieser Zeitgewinn trägt wiederum dazu bei, dass kein weiteres Fahrzeug auf der Linie eingesetzt werden muss. Es werde also Zeit und Geld gespart.

"Es tut uns Leid, dass wir die Haltestelle aufgeben mussten, aber wir mussten abwägen und eine Verlegung war die bessere Lösung", sagt Angermüller. Jeden zufrieden zu stellen, das gehe eben nicht: "Durch manchen Vorteil erfährt so mancher einen Nachteil." Wobei es die Awo-Bewohner in diesem Fall besonders hart trifft: "Wir fahren ja nicht mit dem Auto. Wir sind auf den Bus angewiesen", sagt die Bewohnerin.

Doch Besserung ist in Sicht: "Der Verkehrsbetrieb wird die Pünktlichkeit der Linie regelmäßig prüfen. Sollten sich zeitliche Reserven ergeben, wird die barrierefreie Haltestelle wieder in das Netz integriert", versichert David Schmitt. Das sei spätestens dann der Fall, wenn sich beim Güterbahnhofsgelände weitere Veränderungen ergeben und ein weiteres Fahrzeug auf den Linien unumgänglich wird.

Solange das nicht der Fall ist, verzichten einige Bewohner auf die öffentlichen Verkehrsmittel und setzen auf die Nachbarschaftshilfe.