Waischenfeld: Naturidylle mit Hindernissen

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Teil einer riesigen Produktionshalle: Das Schraubenwerk Meusel machte im Frühjahr dicht. Jetzt steht alles leer. Was aus der Industriebrache wird, ist offen. Foto: Barbara Herbst
Teil einer riesigen Produktionshalle: Das Schraubenwerk Meusel machte im Frühjahr dicht. Jetzt steht alles leer. Was aus der Industriebrache wird, ist offen. Foto: Barbara Herbst
Reporter Matthias Litzlfelder im Gespräch mit Anwohnern: Die Schraubenfabrik im Hintergrund war ein Arbeitsplatz vor der Haustür. "Schade, dass so etwas zumacht. Wir haben sonst keine Industrie hier", sagen sie. Foto: Barbara Herbst
Reporter Matthias Litzlfelder im Gespräch mit Anwohnern: Die Schraubenfabrik im Hintergrund war ein Arbeitsplatz vor der Haustür. "Schade, dass so etwas zumacht. Wir haben sonst keine Industrie hier", sagen sie. Foto: Barbara Herbst
 
Den Kirchenmusiker Peter Görl (rechts) traf der Reporter auf dem Weg zum Wäldchen. Foto: Barbara Herbst
Den Kirchenmusiker Peter Görl (rechts) traf der Reporter auf dem Weg zum Wäldchen. Foto: Barbara Herbst
 
Blick von Norden auf Burg, Kirche und Altstadt: So kennen Touristen Waischenfeld. Der Pfeil hingegen landete auf einer Anhöhe gegenüber, in einem für Touristen eher unbekannten Gebiet. Foto: Barbara Herbst
Blick von Norden auf Burg, Kirche und Altstadt: So kennen Touristen Waischenfeld. Der Pfeil hingegen landete auf einer Anhöhe gegenüber, in einem für Touristen eher unbekannten Gebiet. Foto: Barbara Herbst
 
Der Ort, wo der Dartpfeil auf der Landkarte gelandet ist: ein Wäldchen nördlich von Waischenfeld Foto: Barbara Herbst
Der Ort, wo der Dartpfeil auf der Landkarte gelandet ist: ein Wäldchen nördlich von Waischenfeld Foto: Barbara Herbst
 
Hecken um das kleine Wäldchen herum geben Wildtieren Schutz. Foto: Barbara Herbst
Hecken um das kleine Wäldchen herum geben Wildtieren Schutz. Foto: Barbara Herbst
 
Auch um das Wäldchen herum ist die Landschaft vielfältig. Foto: Barbara Herbst
Auch um das Wäldchen herum ist die Landschaft vielfältig. Foto: Barbara Herbst
 
Karin Wolf (links) und Jasmin Martens traf der Reporter in der Nähe des Wäldchens beim Gassigehen mit ihren Hunden. Foto: Barbara Herbst
Karin Wolf (links) und Jasmin Martens traf der Reporter in der Nähe des Wäldchens beim Gassigehen mit ihren Hunden. Foto: Barbara Herbst
 
Ein Chihuahua (vorne) und ein Bolonka Zwetna - wie die Frauchen kennen sich auch die beiden Hunde (und vertragen sich) Foto: Barbara Herbst
Ein Chihuahua (vorne) und ein Bolonka Zwetna - wie die Frauchen kennen sich auch die beiden Hunde (und vertragen sich) Foto: Barbara Herbst
 
Ein paar Schritte mit dem Kirchenmusiker Peter Görl (links) Foto: Barbara Herbst
Ein paar Schritte mit dem Kirchenmusiker Peter Görl (links) Foto: Barbara Herbst
 
Rohbau in der Siedlung im Norden Foto: Barbara Herbst
Rohbau in der Siedlung im Norden Foto: Barbara Herbst
 
Viele Wege führen ins Nichts, es gibt nur eine Zufahrt ins Baugebiet. Foto: Barbara Herbst
Viele Wege führen ins Nichts, es gibt nur eine Zufahrt ins Baugebiet. Foto: Barbara Herbst
 
Firmentor der Schraubenwerke Meusel Foto: Barbara Herbst
Firmentor der Schraubenwerke Meusel Foto: Barbara Herbst
 
Die Natur erobert ihr Territorium zurück. Foto: Barbara Herbst
Die Natur erobert ihr Territorium zurück. Foto: Barbara Herbst
 
Zufahrt zur Siedlung im Norden - eine Sackgasse Foto: Barbara Herbst
Zufahrt zur Siedlung im Norden - eine Sackgasse Foto: Barbara Herbst
 
Der Fasan ist entwischt, aber das Reh konnte unsere Fotografin noch ablichten. Foto: Barbara Herbst
Der Fasan ist entwischt, aber das Reh konnte unsere Fotografin noch ablichten. Foto: Barbara Herbst
 

In der letzten Folge unserer "Pfeil-Tour" geht es in die Fränkische Schweiz. Unser Reporter stößt unter anderem auf eine verwaiste Industriehalle.

Die Scheu ist durchaus verständlich. Wer rechnet an diesem Nachmittag unter der Woche auch mit ungebetenem Besuch. Ein Fasanen-Männchen stolziert am Rande des kleinen Wäldchens oberhalb von Waischenfeld im Landkreis Bayreuth. Noch bevor wir es vor die Linse kriegen, verschwindet es im angrenzenden Feld.


Wichtiger Lebensraum

Ein Lebensraum für solche Wildtiere wie hier, wo unser Dartpfeil die Landkarte getroffen hat, ist nicht mehr überall in Franken zu finden. Ungefähr 200 Meter lang und 50 Meter breit ist dieses Wäldchen, umgeben von Schlehen und anderem Heckengehölz. Mischwald mit Fichten, Kiefern, Eichen - aber auch Elsbeeren und wilde Kirschbäume wachsen hier. Die Böden ringsum sind ebenso vielfältig. Hier ein Gersten-, dort ein Sonnenblumenfeld, daneben Brachland und eine Wiese.


"Hecken werden entfernt"

Auf der Suche nach dem Fasan scheuchen wir ein Reh auf. Auch Rebhühner soll es hier noch geben, erfahren wir später von einer Frau, die ganz in der Nähe in einem Neubaugebiet wohnt. Sie bemängelt, dass immer mehr Hecken in der Flur entfernt würden.

Von unserem Pfeilpunkt hat der Betrachter eine postkartenhafte Aussicht auf die kleine Stadt Waischenfeld. Mehr als 700 Jahre alt ist sie, ein Luftkurort im Tal der Wiesent. Hier wohnen (alle Stadtteile ringsum mitgerechnet) rund 3000 Menschen. Der Blick geht zunächst zum Hang gegenüber mit Burg und Kirche, schweift dann aber nach unten und entdeckt ein markantes Gebäude.


Bolonka Zwetna und Chihuahua

Eine große Halle sticht aus diesem Teil Waischenfelds heraus. Ein Teil, wo sich Wohnhäuser immer weiter den Hügel hinauf reihen. Baukräne zeigen es. Erst kürzlich hat die Kommune dieses Baugebiet im Norden um 15 Plätze erweitert. Die markante Halle dagegen liegt verlassen da.

Auf dem Weg dorthin treffen wir in der Flur zwei Frauen, die mit ihren kleinen Hunden Gassi gehen. Ein Bolonka Zwetna und ein Chihuahua. Karin Wolf lebt mit ihrer Familie seit 15 Jahren hier, Jasmin Martens kam vor 30 Jahren mit ihren Eltern in just dieses Baugebiet. Inzwischen hat sie an das Haus der Eltern angebaut. "Weil wir nicht von hier wegziehen wollten", sagt sie. "Schön ruhig" sei es, ohne Durchgangsverkehr. Die Sackgasse "kein Problem". Außerdem gebe es viele junge Familien mit Kindern. "Du kannst die Kinder rauslassen zum Spielen. Und ein Freibad liegt vor der Tür", beschreibt Wolf die Vorteile ihres Wohnorts. Andererseits würden Geschäfte schließen und die Freizeitaktivitäten seien begrenzt. "Entweder die Kinder spielen Fußball oder sie sind im Schützenverein, sonst haben sie verloren." Und noch etwas sei wichtig: "In Waischenfeld brauchst du ein Auto."


Touristen eher im Tal unterwegs

Ein solches braucht der Mann, der gerade des Weges kommt, im Moment nicht. Peter Görl aus Plankenfels macht eine kleine Wanderung. Der 57-jährige Kantor der Herz-Jesu-Kirche in Pegnitz nutzt den Urlaub, um sich vor Ort zu erholen. "Fliegen tue ich nicht so gern", sagt er. "So eine kleine Tour hier von zehn Kilometern ist viel angenehmer." Über Nankendorf geht es später zurück in seinen Heimatort. Mit dabei hat er so gut wie nichts: keinen Rucksack, kein Handy, kein Getränk - nur seine Uhr. "Wegen zwei Stunden braucht man nicht gleich was trinken. Es gäbe ja auch die Möglichkeit einzukehren", meint er. Normalerweise begegne man hier auf der Höhe keinem Menschen, die Wanderer seien eher im Tal unterwegs.


Verwaiste Industriehalle

Wir gehen abwärts, an Rohbauten vorbei bis zur besagten Halle, die wir von oben erspäht haben. Das Eisentor zum Firmengelände steht offen. Tor 1 bis Tor 6 - die Halle ist noch größer als von außen vermutet. "Schraubenwerke Meusel GmbH & Co. KG, Besuchszeiten Mo. - Do. 9.00 - 15.00 Uhr" steht auf einem Schild an der Wand. Doch hier erwartet niemand Besuch. Alles ist verschlossen und verlassen. Meterhohe Disteln sprießen rings um die Halle aus dem Asphalt. Die Natur beginnt, sich dieses Territorium zurückzuerobern.

Heuer im März hatte die Firma mit Hauptsitz in Niedersachsen ihr Werk in Waischenfeld dichtgemacht. Rund 15 Menschen verloren am Ende ihren Arbeitsplatz. "Keine Ahnung, was jetzt mit dem Gebäude geschieht. Es waren schon viele da, die sich das angeschaut haben", berichtet eine Anwohnerin. Auch sie hatte bis Ende Januar bei Meusel in der Verpackung gearbeitet. Ungefähr 40 Jahre lang habe man hier Schrauben und Befestigungstechnik gefertigt, unter anderem spezielle Holzschrauben für Restaurierungen, erzählt sie. Zu Spitzenzeiten gab es ein Mehrschichtmodell. Alles vorbei. "Für mich war es der ideale Arbeitsplatz. Ich habe auch noch nichts Adäquates gefunden."


Siedlung statt Feriengebiet

Früher hätten ihre Schwiegereltern Fremdenzimmer für die Touristen angeboten. Jetzt nicht mehr. "Es rentiert sich nicht. Die Leute kommen nicht mehr so. Und wenn, dann wollen sie lieber eine Ferienwohnung", sagt sie.
Der Hang im Norden Waischenfelds, zu dem es nur eine Zufahrt gibt, hätte Anfang der 1980er Jahre ein Feriengebiet werden sollen. Daraus wurde nichts. Entstanden ist immerhin eine große Siedlung. Wer hier baut, muss eines wissen. "Ohne Auto geht gar nichts", betonen mehrere der Bewohner.