Im Kampf um Auszubildende lassen die fränkischen Kammern nichts unversucht. Während sich in Unterfranken erste Erfolge zeigen, vermeldet Oberfranken erneut einen Rückgang bei den Lehrverträgen. Dabei laufen die Geschäfte glänzend.
Es ist die Zahl 2781, die Rolf Lauer stolz macht. Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Unterfranken freut sich über die gesteigerten Ausbildungszahlen im Gebiet seiner Kammer. 2781 junge Menschen haben sich im vergangenen Jahr in Unterfranken für den beruflichen Karrierestart im Handwerk entschieden. Erstmals wieder ein Plus, und zwar von einem Prozent, nach einem Rückgang von 2,2 beziehungsweise sogar 6,3 Prozent in den Vorjahren.
Dass der Ausbildungsmarkt im unterfränkischen Handwerk erstmals nach den Rückgängen der Vorjahre wieder zulegen konnte, sieht der Hauptgeschäftsführer aber nur als "kleinen Erfolg". Schließlich hätte das Handwerk noch rund 25 Prozent mehr als die aktuell besetzten Lehrstellen zur Verfügung stellen können.
Diese Situation kennt Thomas Zimmer, Präsident der Handwerkskammer für Oberfranken und Bäckermeister in
Bayreuth, nur allzu gut. "Wir werden damit rechnen müssen, dass es weiterhin einen Rückgang bei den Ausbildungsverhältnissen gibt", sagt er. 2510 neue Lehrverhältnisse hat seine Kammer in Oberfranken gezählt. Ein Rückgang. Mit 2,1 Prozent zwar nicht so stark wie in den Vorjahren, aber immer noch ein Rückgang.
Abiturienten im Blick
Am Engagement für den Nachwuchs kann es nicht liegen. Die oberfränkische Kammer ist Teil von bayern- oder bundesweiten Imagekampagnen mit Titeln wie "Ausbildung macht Eltern stolz", "Ich hab was Besseres vor" oder "Die Zukunft ist unsere Baustelle". Daneben veranstaltet sie regelmäßige Berufsmessen, zeigt sich in sozialen Netzwerken und bietet sogar eine Lehrstellen-App.
"Die Bildungsströme laufen falsch", ist Zimmer überzeugt. Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung sei immer noch nicht in den Wertvorstellungen von Politikern, Eltern oder Jugendlichen zu spüren. Der Präsident versucht seit langem, mehr Abiturienten für eine Karriere im Handwerk zu interessieren, geht deshalb mit Hauptgeschäftsführer Thomas Koller auch in Gymnasien und redet mit Schulleitern. Seine Erfahrung: "Wir werden dankbar empfangen. Man begrüßt unsere Initiative."
Der Erfolg zeigt sich auch in Zahlen. Waren im Jahr 2010 unter den oberfränkischen Handwerks-Azubis noch rund vier Prozent Abiturienten, hat sich diese Zahl inzwischen mehr als verdoppelt. 8,8 Prozent betrug der Abiturienten-Anteil im abgelaufenen Jahr.
In Unterfranken haben laut Kammer 7,8 Prozent der Lehrlinge im Jahr 2015 mit allgemeiner Hochschulreife oder Fachabitur eine Ausbildung im Handwerk begonnen. Auch hier sei die Steigerung der vergangenen Jahre deutlich spürbar, berichtet Lauer.
Als wichtige Zielgruppe haben die Handwerker überall in Franken bildungswillige Asylbewerber und Flüchtlinge mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit im Visier. "Bei uns zählt nicht, wo du herkommst, sondern wo du hinwillst", sagt Thomas Zimmer und zitiert damit einen Slogan der bundesweiten Imagekampagne. Er verweist auf die Vereinbarungen zur Integration von Flüchtlingen in berufliche Ausbildung und in den Arbeitsmarkt, die die Kammer zusammen mit der Agentur für Arbeit und der IHK in allen oberfränkischen Landkreisen getroffen habe oder noch treffen werde. Unter anderem stelle die Aufnahme einer Berufsausbildung einen Duldungsgrund dar.
90 Prozent sind zufrieden
Wäre nicht das Nachwuchsproblem, die Bilanz der Handwerker am Jahresbeginn könnte kaum besser ausfallen. Seit Mitte 2009 geht die Konjunktur nach oben. Zuletzt waren sowohl in Ober- als auch in Unter- und Mittelfranken nahezu 90 Prozent der Betriebe mit ihrer Geschäftslage zufrieden. Begünstigt wird diese Entwicklung durch die weiterhin steigende regionale Kaufkraft. "Zudem hat das durchweg gute Wetter 2015 dem Baugewerbe geholfen, Aufträge ohne große witterungsbedingte Pausen ausführen zu können", berichtet Hugo Neugebauer, Handwerkskammer-Präsident in Unterfranken.
Bau- und Ausbaugewerbe zählten auch in Oberfranken zu den zufriedensten Gewerken. In Unterfranken waren diesmal aber die Nahrungsmittelhandwerker spitze. "Mit 96,4 Prozent an zufriedenen Betrieben war das vierte Quartal eines der stärksten der Nahrungsmittelhandwerke allzeit", sagt Neugebauer, Metzgermeister mit eigenem Betrieb in der Rhön.
Die gute Laune hier und die Genussfreudigkeit der Konsumenten hat sich dabei nach den Zahlen aus Würzburg auch auf den Ausbildungsmarkt ausgewirkt. 22 Prozent mehr Lehrstellen verzeichnete das unterfränkische Nahrungsmittelgewerbe, bei den Konditoren gab es sogar 44,4 Prozent mehr Lehrlinge.
Dass in Unterfranken auch am Lehrstellenmarkt nicht alles eitel Sonnenschein ist, zeigt ein Blick in die Regionen. Anders als im Raum Würzburg hat sich etwa das Minus im Landkreis Haßberge nochmals verstärkt.