Boy George dreht in Bayreuther Stadthalle die Platten

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Boy George Foto: APF
Boy George Foto: APF

Der "Ring des Nibelungen", unterlegt mit Dancefloor-Mucke? Möglich macht das "Wagner Calling" am 3. August in der Bayreuther Stadthalle. Zu den Fabelwesen aus der Mammut-Oper gesellt sich der nicht minder fabelhafte Boy George hinter den Plattentellern.

Ungeschminkt erkennt ihn kaum einer. Rappelkurz die Stoppeln auf dem merklich lichter gewordenen Haupt; ein Bart verdeckt die einst glatten androgynen Gesichtszüge. Die sind voller geworden, der Leib fülliger. Ein Mann von nebenan, Anfang 50. Erst wenn er sich den Lidstrich zieht, Rouge auflegt, die Lippen rötet und einen knallig bunten Hut mit schrägem Schnitt aufsetzt: Dann wird aus George Alan O'Dowd das Gesamtkunstwerk Boy George.

Als Gottvater des Brit-Pops der seligen 1980er bleibt der Londoner in der Erinnerung kleben. Ein "Karma Chameleon", beständig in der Verwandlung. Dabei hat er längst die Zweitkarriere angekurbelt, die ihn ein Stück aus dem Rampenlicht und weg vom Gesangsmikrofon gerückt hat: Boy George ist DJ, legt in Melbourne auf und in Budapest. In den Party-Metropolen der Welt ist er zu Hause. House-Musik zelebriert er dann, tänzelt und schwoft hinter den Mischpulten und Boxentürmen.
Nur ab und an verirrt sich ein Scheinwerferstrahl in sein Gesicht und erhellt ein immer noch lausbubenhaftes Lächeln. Es ist durchaus als kleine Sensation zu werten, dass der gebürtige Londoner am 3. August in Bayreuth an den Platten und Reglern dreht. Dann wird aus der Stadthalle ein Culture-Club und Richard Wagners "Ring des Nibelungen" zum Partygig, auf 90 Minuten eingedampft. Ein Crossover aus Opernklassik und Klassenfete - und tanzbar.

Ja, Wagner soll in die Beine gehen: Das ist die Idee des "Disco-Märchens", wie es Dirk Schattner nennt. Der Bayreuther ist für gewöhnlich Dramaturg beim Festival junger Künstler. Nun führt der 36-Jährige den Regiestab bei "Wagner Calling". "Der Komponist war ja selber Experimenten nicht abgeneigt. Und wenn er heute lebte, ich glaube, er hätte seine Freude an der außergewöhnlichen Umsetzung. Schließlich wollte er immer, dass sein Werk auf den unterschiedlichsten Kanälen in die Öffentlichkeit gelangt."

Als Dancefloor-Ereignis hingegen hat es den "Ring" mit seinen Riesen, Waldvögeln, Walküren und Drachen noch nicht gegeben. "Das ist wirklich was ganz Neues", sagt Schattner. Und erklärt den Grundgedanken der ungewöhnlichen Verquickung: "Wagner feiert 200. Geburtstag und wird auf alle möglichen Arten gewürdigt - nur nicht für die Party-People. Dabei ist Wagners Werk ein einziger großer Klangraum, der mit dem ganzen Körper erlebbar ist." Ergo: Warum nicht mal zum "Ring" abhotten?

Schattner und seinen 80 Mitstreitern geht es nicht darum, Wagners Vorlage dem House-Geist plump zu opfern. "Der Ring bleibt letztlich der Ring. Es werden alle Schlüsselszenen auftauchen: vom Raub des Rheingoldes bis hin zum Kampf der Drachen. Mit allen relevanten Figuren."

Und die Partygäste? Die werden an diesem Abend selber zu Darstellern. Bühne und Tanzfläche sollen verschmelzen. Insofern muss die Choreografie den Disco-Gesetzen der Jetztzeit gehorchen. Soll heißen: Die jeweiligen "Spiel"-Szenen wechseln sich ab mit Lichtinstallationen und Videokunst auf einer Leinwand. Götterdämmerung als LED-Spektakel.

"George war Wunschkandidat"

"Die Idee zum Disco-Wagner existiert seit vielen Jahren", sagt Mareike Dünkel, bei "Wagner Calling" zuständig für die Dramaturgie und zusammen mit ihrem Mann so etwas wie der Spiritus rector des Projekts. "Zum 200. Geburtstag des Komponisten war es eine gute Gelegenheit, das Vorhaben endlich umzusetzen." Fehlte nur noch das Sahnehäubchen: die schillernde Figur an den Turntables. "Es sollte ein Künstler sein, der Generationen verbinden kann. Da fiel uns Boy George ein, er war sofort unser Wunschkandidat. Ihn kennen die älteren Semester noch als Sänger und Mode-Ikone. Und für die Jüngeren ist er einer der angesagtesten DJs überhaupt." Um 22 Uhr startet die Sause. Boy George steigt zum Finale des Wagnerwerks dann buchstäblich selber in den "Ring".