Wohin mit dem vielen Solarstrom?

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Mit dieser Freiflächen-Photovoltaikanlage bei Gut Leimershof ist Breitengüßbach Solar-Spitzenreiter im Landkreises Bamberg. Hier wurden im sonnenreichen Vorjahr 18 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt. Archivbild: Rudolf Mader
Mit dieser Freiflächen-Photovoltaikanlage bei Gut Leimershof ist  Breitengüßbach Solar-Spitzenreiter  im Landkreises Bamberg.  Hier wurden im sonnenreichen Vorjahr 18 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt.      Archivbild: Rudolf Mader

Fast die Hälfte seines Strombedarfs kann der Landkreis Bamberg aus erneuerbaren Energien gewinnen. Es mangelt an Speichern und intelligenter Verteilung.

Auf dem Weg zur Energie-Autarkie, die für das Jahr 2035 angestrebt wird, ist der Landkreis Bamberg im Jahr 2011 ein gutes Stück vorangekommen: Dank der Verdoppelung der Solarstrom-Gewinnung in den kreisangehörigen Gemeinden auf 12,8 Prozent erhöhte sich der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtstromverbrauch von 33,83 auf 41,19 Prozent.

Der Klimaschutzbeauftragte des Landkreises, Robert Martin, kann die positive Entwicklung an Hand einer aufwendig erstellten Bilanz belegen. Aufgrund dieses Zahlenmaterials und mit dem Wissen um neu hinzugekommene Anlagen wagt Martin die Prognose, dass der Landkreis bis Ende dieses Jahres seinen erneuerbaren Energieanteil auf 50 Prozent steigern könne.

Neben der Photovoltaik trägt die Windenergie einen großen Anteil dazu bei. Außerdem wird im Landkreis "grüner" Strom aus Biogas und Wasserkraft sowie in Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen gewonnen. Von einem schlüssigen Konzept für Speicherung und Verteilung der Eigenproduktion fehlt noch jede Spur. Die positive Entwicklung beim "grünen" Strom lässt sich immerhin schon an Kennzahlen der Wertschöpfung ablesen. Auf der Basis von Zahlenmaterial des Netzbetreibers Eon hat der Klimaschutzbeauftragte herausgefunden, dass 2011 an die Erzeuger von Solarstrom im Landkreis Bamberg 31,8 Millionen Euro Vergütungen bezahlt worden sind. 2010 lag die Einspeisevergütung noch bei 18,7 Millionen Euro, 2009 betrug sie 13,8 Millionen Euro.


Weitere solche Sprünge erwartet Martin jedoch nicht. Wegen der abgeschafften Eigenverbrauchsvergütung und Einschränkungen der staatlichen Förderung geht es mit der Errichtung neuer Photovoltaik-Anlagen auch schon wieder abwärts. Die größte Steigerung war 2010 zu verzeichnen; da kamen zu den vorhandenen 2384 PV-Anlagen 901 dazu. 2011 sank die Neuanmeldung auf 687. Immerhin: Gegenüber 1999, als im gesamten Landkreis Bamberg nur sieben Photovoltaik-Anlagen gezählt worden waren, hat sich viel getan: 3972 PV-Anlagen wandelten Ende 2011 Sonnenlicht in Strom um.

Solar-Ort Breitengüßbach

Den größten Sprung nach vorne hat dabei Breitengüßbach gemacht, dessen herber Rückschlag aus der pannenreichen Fernwärmeversorgung aus einem Hackschnitzelheizwerk durch eine 13,8-Megawatt-Freiflächen-Photovotaikanlage beim Gut Leimersdorf gewissermaßen überlagert wurde. Breitengüßbach steigerte seinen erneuerbaren Energien-Anteil beim Strom von 9,14 auf 100,56 Prozent. 18 Millionen Kilowattstunden Strom wurden im sonnenreichen Vorjahr in Breitengüßbach erzeugt. Die Gemeinde wurde mit ihrem Solarstromanteil von 99,71 Prozent Spitzenreiter im Landkreis. Neben der erstmals ein ganzes Jahr lang wirkenden Freiflächenanlage werden in Breitengüßbach noch 123 PV-Dachflächenanlagen mit Größen von 0,96 kW bis 203 kW betrieben. Der durchschnittliche Stromertrag pro Kilowatt Nennleistung der PV-Anlagen ist von 913 kWh im Jahr 2009 über 861 kWh in 2010 auf 1113 kWh im Jahr 2011 gestiegen. Auf Kreisebene entwickelte sich der durchschnittliche Stromertrag pro kW Nennleistung in den Vergleichsjahren von 938 über 882 auf 1054 kWh. Klar: Je länger die Sonne scheint, desto mehr Strom liefert die Photovoltaik. Die Gemeinden mit dem höchsten Solarstromanteil im Landkreis sind nun Breitengüßbach mit 99,71 Prozent, gefolgt von der Gemeinde Stadelhofen mit 43,99 Prozent und Königsfeld mit 34,82 Prozent.

Nach Feststellungen des Klimaschutzbeauftragten Robert Martin ist Breitengüßbach nach dem Markt Heiligenstadt (149,07 Prozent), der Gemeinde Pettstadt (146,72 Prozent) und der Gemeinde Stadelhofen (135,06 Prozent) die vierte im Landkreis Bamberg, in der - theoretisch - mehr als 100 Prozent des insgesamt in der Gemeinde verbrauchten Stroms mit erneuerbarer Energie erzeugt werden konnte. In Pettstadt stammen 125,21 Prozent aus dem Biogas-Kraftwerk, dessen Biomasse der grüne Abfall aus den braunen Tonnen der Kreisbürger ist. Hinzu kommen in Pettstadt mittlerweile 16,05 Prozent Strom aus PV-Anlagen und 5,45 Prozent aus Wasserkraft. Die vier Windräder von Heiligenstadt decken den gemeindlichen Bedarf komplett (101,18 Prozent).

Es fehlt das schlaue Netz

Richtig rund läuft die Stromversorgung im Bereich der Klima-allianz Bamberg freilich noch lange nicht. Zwar könnten auf nur 0,5 Prozent der Fläche des Landkreises Bamberg entlang den Entwicklungsachsen (Autobahnen, Schienenwege) jene Photovoltaik-Freiflächenanlagen errichtet werden, die dann 100 Prozent des benötigten Stroms erzeugen würden. Noch aber ist man weit davon entfernt, den Solarstrom oder die Energie aus Windkraft im großen Maßstab zu speichern. Die Wochenzeitschrift Zeit hat gerade mal in Wildpoldsried im Allgäu eine Gemeinde gefunden, in der die Zukunft geprobt wird (Forschungsprojekt "Irene"): Das kleine "Dorf der Erneuerbaren" sei zu einer Modelllandschaft für Ökostrom und seine Verteilung geworden, berichtet die Wochenzeitung unter dem Titel "Mit schlauer Power". Es geht darum, den Ökostrom dort zu verwenden, wo er entsteht. Dafür müsste man im Niedrigspannungsnetz Erzeugung und Verbrauch möglichst gut miteinander in Einklang bringen. Eine intelligente Steuerung könnte das lösen, ein schlaues Netz, genannt "Smart Grid" ist aber erst im Versuchsstadium. Im Allgäu behauptet man selbstbewusst, die Energieversorgung des Jahres 2020 zu testen.

Ein Hoffnungsschimmer

Derweil hofft der Bamberger Klimaschutzbeauftragte auf den Durchbruch bei der Methanisierung. Das ist die Erzeugung von Wind- beziehungsweise Solargas, wobei nach vorhergehender Wasserelektrolyse unter Verwendung regenerativer Energien (Strom aus Photovoltaik, Windkraft oder Biomasse) Methan als "Synthetic Natural Gas" gewonnen wird. Das so produzierte Methan kann dann wie jedes Gas gespeichert und bei Bedarf - also nachts und bei Flaute - von Biogas-Kraftwerken in Strom und Wärme umgewandelt werden. Ein komplizierter Prozess, aber die Welt muss sich einiges einfallen lassen, damit buchstäblich die Lichter nicht ausgehen.
Und wenn es nicht gelingt, den in Spitzenzeiten überreichlich erzeugten grünen Strom zu speichern und intelligent zu verteilen? Dann können Waschmaschine, Spülgerät und Bügeleisen nur eingeschaltet werden, wenn die Sonne brennt und der Wind bläst, sinniert der Klimaschutzbeauftragte. Oder man braucht zur Deckung der Grundlast weiterhin den meisten Strom aus Kohle, Erdgas und Erdöl - mit all den Folgen für das Weltklima.