"Wir müssen die Schüler dort abholen, wo sie sind"

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G9 und Digitalisierung sind für den neuen Schulleiter des FLG spannende Herausforderungen. Den Schatz der alten Sprachen will er bewahren.

Acht Mal um die Erde ist der Pödeldorfer Rainer Herzing in den zwölf Jahren als Schulleiter des Schweinfurter Celtis-Gymnasiums gependelt. Der Schulweg des 62-Jährigen ist nun deutlich kürzer geworden, die Fülle der Aufgaben hat hingegen im neuen Amt am Bamberger Franz-Ludwig-Gymnasium (FLG) eher noch zugenommen. Heute wird Herzing offiziell als Schulleiter eingesetzt


Lange am Clavius-Gymnasium

"Sehr offen, sehr wohlwollend" habe man ihn in Bamberg empfangen. "Viele hier sind froh, dass wieder ein Schulleiter da ist." Denn Vorgänger Martin Rohde, mittlerweile Ministerialbeauftragter für die mittelfränkischen Gymnasien, war bereits im Februar verabschiedet worden. "In den nächsten Wochen und Monaten will ich das FLG immer besser kennenlernen, denn jede Schule tickt anders", sagt Herzing. Er sieht viele Gemeinsamkeiten mit seiner vorherigen Schule, die ebenfalls ein sprachliches Gymnasium mit einer humanistischen Ausbildung ist.
Viele Bamberger kennen Rainer Herzing noch als leidenschaftlichen Lehrer aus seiner Zeit am Bamberger Clavius-Gymnasium, wo er von 1988 bis 2005 tätig war und auch in der Schulleitung mitarbeitete, sowie am Erzbischöflichen Abendgymnasium, hier unterrichtete Herzing von 1994 bis 2002. Am FLG gefällt ihm unter anderem, dass es hier bereits eine erweiterte Schulleitung gibt, in der zusätzliche Kollegen Leitungsaufgaben übernehmen. Außerdem können dort Lehrer und Eltern über ein Online-Portal kommunizieren, vom Elternbrief bis zur Entschuldigung.
Die modernen Kommunikationswege stehen für Herzing nicht im Widerspruch zum hohen Stellenwert der alten Sprachen Latein und Griechisch. Diesen Schatz gelte es zu bewahren. "Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man in der Schule gelernt hat", zitiert er Werner Heisenberg. Bildung sei mehr als nur Ausbildung und viele Schüler seien gerade dankbar für das Nicht-Zweckgebundene, für Werteerziehung und Reflexion.


Schule ohne Rassismus

"Die Gymnasiallandschaft steht wieder vor einem Umbruch", stellt Herzing fest. Die Rückkehr zum G9 sei ebenso mit großen Herausforderungen verbunden wie die Digitalisierung der Schule, es gelte unter anderem auch, Schüler mit Migrationshintergrund zu integrieren. "Wir sind eine Schule ohne Rassismus", sagt Herzing. Was die Deutsch- und Mathekenntnisse von Grundschülern angeht, stellt auch er Veränderungen fest. "Wir müssen die Schüler dort abholen, wo sie sind, der Trend geht vom Detailwissen hin zum anwendungsorientierten Wissen."
Neu für Herzing ist, dass das FLG auch eine Seminarschule ist, zu den 860 Schülern und 85 Lehrkräften kommen jeweils 22 Referendare am FLG und in ihrem "Einsatzjahr" an einer anderen Schule. "Das ist auch eine schöne Aufgabe", findet der Schulleiter. Über seine Schweinfurter Zeit sagt Herzing: "Ich bin definitiv nicht im Groll gegangen, es war ein sehr emotionaler Abschied." Einer der Hauptgründe für den Wechsel sei die räumliche Entfernung gewesen. Und dass seine Tochter Sophia 2017 ihre FLG-Zeit mit dem Abitur abgeschlossen hat. "Solange sie hier noch Schülerin war, wäre das für mich nicht gegangen."
Herzing hat schon vor einiger Zeit begonnen, Kontakte zu knüpfen und Gespräche mit dem Elternbeirat zu führen, in der Lehrerkonferenz zu Schuljahresbeginn sprach er erstmals vor dem Kollegium. "Ich war auch schon in allen Gruppen und Klassen, hab' mich vorgestellt und gefragt, was die Schüler an meiner Stelle verändern würden." In den Antworten ging es häufig um Pausengestaltung und körperliche Betätigung, um einen Skikurs für die achten Klassen zum Beispiel. Herzing zeigt sich für solche Anliegen durchaus offen. Denn trotz aller anstehenden Aufgaben möchte er auch wieder mehr Sport treiben - denn zumindest auf der Straße lässt er jetzt nicht mehr so viel Zeit.