Windräder: Beruhigen neue Abstandsregeln die Anwohner?

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Kirchturmdenken? Mit den neuen Abstandsregeln, die in Bundestag und -rat noch scheitern könnten, will die Staatsregierung das Land befrieden. Doch genau das Gegenteil kann dabei passieren. Foto: Günter Flegel
Kirchturmdenken? Mit den neuen Abstandsregeln, die in Bundestag und -rat noch scheitern könnten, will die Staatsregierung das Land befrieden. Doch genau das Gegenteil kann dabei passieren. Foto: Günter Flegel

Mit größeren Abständen will die Staatsregierung das Land befrieden, das nicht nur in der Frage der Windenergie gespalten ist. Beispiele aus Franken zeigen aber, dass sich Einigkeit nicht verordnen lässt. Im Landtag gab es diese Einigkeit am Mittwoch nicht.

Die Diskussion um den Ausbau der Windenergie in Bayern hat ein erstes Opfer gefordert: Die 211 Bürger im oberfränkischen Hain können heuer keine Kirchweih feiern. Die Freiwillige Feuerwehr in dem Gemeindeteil von Küps (Landkreis Kronach) hat das Festwochenende abgesagt, weil es in Hain nichts zu feiern gibt: Der Streit um den Bau von fünf Windrädern am Ortsrand spaltet die Dorfgemeinschaft.

Solche Konflikte will die bayerische Staatsregierung vermeiden, die am Mittwoch im Landtag ihren Gesetzentwurf zur neuen Abstandsregelung für Windkraftanlagen zur Diskussion stellte und damit nicht weniger Streit heraufbeschwor. Vom "Kahlschlag" bei der Windkraft sprach die Opposition, Regierung und CSU verteidigten den Vorstoß aus Bayern in Berlin als Gebot der Vernunft und Gewinn für die Gemeinden.

Zehnmal die Höhe

Bayern will in der Bauordnung des Freistaates festlegen, dass ein Windrad nur gebaut werden kann, wenn der Standort zehnmal so weit von der Wohnbebauung entfernt ist wie das Windrad hoch ist (10H-Regel); bei modernen Windkraftanlagen wäre dies ein Abstand von 2000 Metern statt der heute üblichen 700 bis 1000 Meter. Verfechter der Windkraft als Säule der Energiewende fürchten, dass der Ausbau der Windkraft in Bayern zum Erliegen kommt. Von den Flächen, die im aktuellen bayerischen Windatlas des Wirtschaftsministeriums als geeignet ausgewiesen werden, bliebe kaum ein halbes Prozent übrig.

Die Staatsregierung begründet ihre Initiative mit den Protesten gegen den Ausbau der Windenergie, die sich überall im Land regen, und verweist auf einen "Gummiparagrafen" in ihrem Konzept: Demnach können Gemeinden auch kleinere Abstände beschließen, wenn vor Ort Einigkeit herrscht.

Nachbar muss zustimmen

Genau das ist das Problem, das auch mit einer neuen Bauordnung und der 10H-Regelung nicht aus der Welt geschafft wird. Das sieht man aktuell in Hain, von wo das Problem mit dem Windpark sogar über die Gemeinde- und Landkreisgrenzen in den Landkreis Lichtenfels schwappt, wo sich die Bürger der Nachbarorte ebenfalls gegen die "Monster" auf dem Reinberg wehren. Auch in diesem Punkt würden Bayerns neue Bauregeln mehr Unfrieden säen als Harmonie erzeugen, denn sie machen auch die Zustimmung der Nachbarkommunen zum Windradbau zwingend.

Frieden im Freistaat gibt es am Ende wohl nur, wenn der Bau neuer Windräder tatsächlich zum Erliegen kommt. Das wollen aber selbst die allermeisten Windkraft-Gegner nicht. "Es geht nicht um die Windkraft, es ist eine Standortfrage", sagt Ronald Beck im unterfränkischen Rothhausen (Landkreis Bad Kissingen). Dort hat sich am Bau der Windräder eine handfeste kommunalpolitische Krise entzündet; einige Gruppierungen betrieben ganz offen den Austritt von Rothhausen aus der Gemeine Thundorf, die auf Rothhäuser Gemarkung eine Fläche für Windräder ausgewiesen hat.

Vergiftete Atmosphäre

Der Konflikt vergiftet die Atmosphäre in der Gemeinde, obgleich ein Bürgerentscheid für die klaren Verhältnisse gesorgt hat, die Bayern will: 61 Prozent der Wahlberechtigten votierten für die Windräder, ein überraschend klares Bekenntnis bei einer Wahlbeteiligung von fast 90 Prozent. Lediglich die Rothhäuser selbst stimmten mit großer Mehrheit gegen die Windräder. "Das ist schon deprimierend", sagt Beck, der Sprecher der Bürgerinitiative "Gegenwind Rothhausen", die weiter gegen die "Verschandelung der Landschaft aus reinem Profitdenken" kämpfen will.

Dass die Windkraft auch interkommunal für Wirbel sorgen kann, zeigt sich im unterfränkischen Haßfurt. Dort plant eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft zehn Windräder im Wald der Universität, die dem Gebiet der Nachbargemeinde Riedbach nahe kommen. Während es in Haßfurt kaum kritische Stimmen gibt, bläst dem Großprojekt aus Riedbach heftiger Widerstand entgegen bis hin zu Klagen vor dem Verwaltungsgericht.

Entscheidung in Berlin

Windstille ist also so schnell nicht in Sicht im Freistaat. Der Landtag verwies das Thema am Mittwoch nach kontroverser Debatte in den Wirtschaftsausschuss. Die Entscheidung fällt aber in Berlin: Bundestag und Bundesrat müssen dem bayrischen Sonderweg im Baurecht zustimmen. Ob es da wie gestern im Landtag (90:73) eine Mehrheit gibt, ist aber fraglich.