Weniger Chancen auf den Kredit

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Foto: Fotalia
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Von Montag an gelten neue Regeln für die Vergabe von Immobilienkrediten. Das wird Folgen haben - vor allem für Leute, deren Vermögen gebunden ist.

Wer in den nächsten Tagen bei seiner Bank vorstellig wird, um den lange geplanten Immobilienkredit zu beantragen, könnte eine böse Überraschung erleben. Von Montag an gelten neue Regeln. Nicht nur hierzulande, sondern EU-weit.
Die Vorgabe aus Brüssel liegt länger zurück und kam in Form einer Richtlinie. Pünktlich zum 21. März 2016 hat sie der deutsche Gesetzgeber umgesetzt. "Besserer Verbraucherschutz" wird als Argument genannt, "besserer Schutz vor möglichen Pfändungen und Zwangsvollstreckungen".


Stärkere Prüfung

Das hört sich zunächst einmal gut an. Aber ob der Verbraucher von dieser Art von Schutz begeistert ist, ist fraglich. Denn es gibt zwei Seiten der Medaille.
Die Kreditinstitute werden von heute an verpflichtet, die Bonität, also die Kreditwürdigkeit, ihrer Kunden bei der Vergabe von Krediten für den Kauf von Immobilien stärker zu prüfen und dies auch entsprechend zu dokumentieren. Machen sie das nicht, kann der Kunde dies später monieren und seinen Kreditvertrag kündigen. Folge: Er kommt ohne Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Vertrag. Und für die Zeit bis zur Kündigung darf ihm nur der übliche Marktzins berechnet werden.


Nur liquide Mittel zählen

Wird es ab heute schwieriger, einen Immobilienkredit zu bekommen? "Ja, sicherlich", heißt es beim Sparkassenverband Bayern. "Es reicht nicht mehr aus, wenn der Sparkassenmitarbeiter sagt: Wir kennen den Kunden gut", nennt dessen Pressesprecherin Eva Mang ein Beispiel. Erforderlich sei "ein sehr formalisiertes Verfahren". Zumindest in nächster Zeit werde es vermutlich länger dauern, einen Kredit zu bekommen.
Jürgen Gros, Vorstandsmitglied des Genossenschaftsverbands Bayern, bleibt nicht so gelassen, wenn es um das Thema "Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR)" geht. "Das Ganze ist wirklich zum Nachteil des Kunden. Ein echter Skandal", schimpft er auf die neue Regelung.


Grundschuld allein reicht nicht

Kern des Problems sind für Gros die Regelungen zur Kreditwürdigkeit. Künftig müssten Zins und Tilgung aus Einkommen oder Rente, sprich liquiden Mitteln geleistet werden können. Wer das nicht leisten könne und auch sonst kein freies Vermögen besitze, bekäme keinen Kredit. Die Banken dürften ab sofort nicht mehr hauptsächlich darauf abstellen, dass die Grundschuld als alleinige Sicherheit herangezogen wird. Außer die Immobilie würde vorher verkauft. Aber wer brauche dann noch den Kredit?
"Die Volks- und Raiffeisenbanken werden restriktiver werden müssen", sagt Gros. "Eine ganze Reihe von Kreditnehmern wird ab sofort spüren, dass ihnen ihre Bank wegen der neuen Gesetzeslage keinen Kredit mehr gibt."


Dachsanierung wird schwierig

Der Mann an der Spitze des Genossenschaftsverbands Bayern nennt ein Beispiel aus der Praxis. "Ein älteres Ehepaar, seit ein paar Jahren in Rente, möchte einen Kredit, um das Dach seines Häuschens zu reparieren. Wenn die Bank merkt, dass Zins- und Tilgungszahlungen aus der monatlichen Rente nicht möglich sind, und das Paar sonst über kein freies Vermögen verfügt, wird sie den Kredit wohl nicht geben." Sicherheiten wie die Immobilie nützten nur noch dann, wenn ausreichend liquide Mittel vorhanden seien.
"Da wird faktisch Grundvermögen entwertet", sagt Gros. Außer zum Verkauf sei das Wirtschaftsgut dann nicht mehr verfügbar.


Kunde muss mehr von sich preisgeben

Auch Landwirte bekommen laut Gros Probleme bei privatem Finanzierungsbedarf. Hof oder Grundschuld als Sicherheit für einen Kredit, bis der Milchpreis sich wieder erholt habe - das werde komplizierter und deutlich schwieriger.
Hinzu kommt, dass die Vorgaben des Gesetzgebers, was die Prüfkriterien angeht, sehr vage sind. "Unsere Banken werden erst einmal sehr vorsichtig reagieren", sagt Gros. Auch beim Sparkassenverband erwartet man mit "Spannung, ob das so funktioniert". Eins steht jetzt schon fest: Der Kunde, der einen Kredit will, muss viel mehr von sich preisgeben als bisher.

Kredit-Glossar


Vorfälligkeitsentschädigung

Wenn ein Darlehensnehmer seine bestehende Immobilienfinanzierung schon während der Laufzeit der Zinsbindungsphase, also zu einer Zeit, in der man eigentlich weder Änderungen noch Umschuldungen vornehmen kann, verändern möchte (z.B. infolge einer Erbschaft), so verlangen Kreditinstitute in der Regel eine Vorfälligkeitsentschädigung. Es ist eine Art "Strafgebühr", quasi als Ausgleich für die entgangenen Zinsen. Sie entfällt künftig, wenn der Kunde nachweisen kann, dass seine Bonität nicht ausreichend geprüft wurde.


Bonitätsprüfung

Als Bonität bezeichnet man die Kreditwürdigkeit einer Person. Banken unterscheiden zwischen persönlicher und finanzieller Bonität des Kunden. Bei der persönlichen Bonität spielen Faktoren wie die berufliche und fachliche Qualifikation eine Rolle, aber auch andere Faktoren wie das Zahlungsverhalten des Antragstellers in der Vergangenheit. Für die finanzielle Bonität ist die Frage zu klären: Kann der Kunde die für den Wunschkredit fälligen Raten regelmäßig und dauerhaft bezahlen? Wichtigste Indizien dafür sind das Einkommen und die bestehenden Verpflichtungen.


Tilgung

Unter Tilgung ist die Rückzahlung des Kredits (geliehenen Geldes) zu verstehen - neben der regelmäßigen Zahlung von Zinsen auf die Geldschuld. Zinsen und Tilgung werden in der Regel in einer monatlichen Summe zusammengefasst, die über die gesamte Laufzeit des Kredits konstant bleibt. Regelmäßig nimmt der Anteil der Tilgung an der monatlichen Kreditrate im Zeitverlauf zu.


Grundschuld

Die Eintragung einer Grundschuld im Grundbuch ist die am häufigsten verwendete Sicherheit bei der Vergabe von Immobiliendarlehen. Nimmt eine Bank so einen Eintrag vor, dann kann sie die entsprechende Immobilie im Falle eines Kreditausfalls verwerten.