In Franken haben überdurchschnittlich viele Mütter keinen Trauschein. Das Phänomen gibt Rätsel auf: Die Quote nichtehelicher Kinder liegt in Bayern zwischen 18 und 37 Prozent. Das erklärt sich großteils aus Unschärfen der Statistik.
Wenn fränkische Frauen Kinder bekommen, dann sind sie überdurchschnittlich oft ledig. Dieses Phänomen lässt sich aus einer Aufstellung des Landesamtes für Statistik ablesen, das sich im Detail mit den Kindern auseinandergesetzt hat, die 2012 im Freistaat auf die Welt gekommen sind.
Im bayerischen Durchschnitt sind 27 Prozent der Mütter ledig. Spitzenreiter in der Statistik sind die Städte Bayreuth, Weiden und Hof mit einem Anteil der Mütter ohne Trauschein von 36 Prozent. Am unteren Ende der Skala, auf sich die 96 Landkreise und kreisfreie Städte Bayerns finden, rangiert der Landkreis Eichstätt mit lediglich 18 Prozent ledigen Müttern.
Woher kommt die Spannweite? Woher kommt diese große Spannweite? Im Rathaus in Bayreuth ist man einigermaßen ratlos, wie die Wagner-Stadt an die Spitze der Statistik gerutscht ist.
"Ich habe in der Sache sowohl mit unserem Sozialamt als auch mit dem Jugendamt gesprochen. Wir können derzeit keinen schlüssigen Interpretationsansatz liefern", sagt Joachim Oppold, der Pressesprecher der Stadt Bayreuth.
Ähnlich äußert sich Christian Weiß in Würzburg, das mit einem Anteil von 35 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich viele ledige Mütter aufzuweisen hat.
Die beiden Stadtsprecher stellen die Frage nach der Datenbasis der Erhebung, und damit kommt man des Rätsels Lösung näher. Die Statistiker haben ihre Zahlen nämlich bei den Standesämtern abgefragt; und die Standesämter wiederum haben die Zahlen von den Krankenhäusern. Die Statistik aus München bildet also keine Regionen ab, sondern die Einzugsgebiete der Krankenhäuser mit Geburtshilfeabteilungen.
Und damit ist das Bild von vorneherein verfälscht, da Kreißsäle mit einem guten Ruf auch werdende Mütter aus einem weiten Umkreis anziehen.
Trotzdem sollte die Statistik aussagekräftig sein, möchte man meinen, da es ja unerheblich ist, ob eine Mutter verheiratet ist oder nicht. Das stimmt so aber nicht, sagt der Statistik-Experte Wolfgang Walla aus Baden-Württemberg. Der hat sich eingehend mit einer ähnlichen Erhebung im Schwäbischen befasst und die Zahlen hinterleuchtet. "Die für diese Statistik genutzten Datenquellen zählen an sich zu den zuverlässigsten", sagt Walla. Dem Standesamt entgeht keine Geburt.Die zeitliche und regionale Interpretation dieser Zahlen sei aber schwierig.
Hochzeit erst nach der Geburt Ein Knackpunkt ist laut Walla die Tatsache, dass immer mehr Frauen ihr erstes (und das oft einzige) Kind bekommen, wenn sie noch nicht
verheiratet sind. Die Hochzeitsglocken läuten, wenn überhaupt, meist erst nach der Geburt. Diese Kinder sind also nur amtlich "unehelich", dies aber nicht für immer.
Die Kinder zwei, drei ... kommen "ehelich" zur Welt, aber die Zahl dieser Kinder sinkt wie die der Geburten insgesamt. Bei sinkenden Geburtenzahlen (oder in Regionen mit niedriger Geburtenquote) steigt somit automatisch der Anteil der unverheirateten Mütter, so der Zahlenfachmann. Dieser Zusammenhang mache die Statistik "wenig aussagekräftig", sagt Walla, zumal dann, wenn große Krankenhäuser eine regionale Zuordnung der Daten erschweren.
Generell, so hat Walla festgestellt, steigt der Anteil lediger Mütter von einst weniger als fünf auf inzwischen mehr als 20 Prozent deutschlandweit.
Auch im Großen gibt es Unterschiede, und die sind in diesem Maßstab aussagekräftig, sagt Walla, denn sie spiegeln die Lebensverhältnisse und gesellschaftliche Besonderheiten wieder: In den ostdeutschen Bundesländern ist die Quote nichtehelicher Mütter mit 60 Prozent dreimal so hoch wie in den alten Bundesländern. Spitzenreiter in Europa ist Island mit 66 Prozent.
All die Besonderheiten der bayerisch-fränkischen Geburtenstatistik lassen sich alleine mit diesen Zahlenspielen nicht erklären. Walla nennt aber weitere Einflüsse, die das Bild verfälschen, etwa den Migranten-Anteil, bei dem es in den bayerischen Regionen große Unterschiede gibt. In Migrantenfamilien kommen überdurchschnittlich viele Kinder zur Welt, der Anteil der verheirateten Mütter ist in ihnen aber aus religiösen Gründen (Islam) in der Regel auch besonders hoch.
Auf dem Land eher traditionelles Familienbild Die echten regionalen Unterschiede lassen sich folglich aus den reinen Zahlen nur bedingt ablesen, wie Walla sagt: So werde in ländlichen Regionen oftmals noch ein traditionelles Familienbild gepflegt, während in den Städten neue Formen des Zusammenlebens eher praktiziert werden. Dazu komme die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen, die oft nicht nur mit dem Kinderwunsch kollidiere, sondern immer mehr Frauen auch von einer ehelichen Bindung Abstand nehmen lasse.
Mit all diesen Argumenten versteht man die auf den ersten Blick seltsame Geburtenstatistik ein wenig besser, die etwa die Stadt Schweinfurt mit 31 Prozent "unehelichen Kindern" weit oben, den Landkreis Schweinfurt (24 Prozent) aber sogar noch unter dem Landesdurchschnitt ansiedelt.
Ähnlich sieht es in Bamberg aus; Stadt 30 Prozent, Landkreis 26 Prozent.
Konsequent sind nur die Frauen in der Region Coburg: Hier liegen Stadt und Landkreis mit einem Anteil unverheirateter von jeweils 35 Prozent sowohl gleichauf als auch ganz oben in der Tabelle. Da haben die Statistik-Experten doch noch etwas zum Knobeln.