Messungen zeigen eine ungewöhnliche Erhöhung der Temperatur im Erdboden unter dem Kreis Bamberg. Forscher untersuchen die Anomalie mit spezieller Sensorik.
Drei ungewöhnliche Lkw mit großen Reifen rollen langsam über einen Feldweg zwischen Trosdorf und Tütschengereuth und bleiben an einer roten Fahne stehen. Aus ihrem Bauch senken sich flache Platten auf den Schotter. Gelbe Warnleuchten blinken. Dann ertönt ein wummerndes Geräusch und der Boden scheint zu vibrieren. Die Platten werden wieder nach oben gezogen. Die Lkw rollen weiter. Zur nächsten Fahne. An der Markierung vorbei verlaufen Kabel entlang des gesamten Ackers und bündeln sich an einem Lastwagen mit großer Antenne. Darin blickt Daniel Günther auf sechs Bildschirme.
Der Boden wird vermessen
"Durch die Vibration senden wir ein Schallsignal in den Boden, das von den Gesteinsschichten reflektiert wird. Das Echo wird aufgezeichnet", sagt der Geophysiker. Damit vermessen er und sein italienisches Forscherteam den Boden. Denn was da unter der Erdoberfläche im nördlichen Landkreis schlummert, stellt die Forscher vor ein Rätsel. Die Temperatur tief in den Gesteinsschichten ist zwischen Bischberg und Lichtenfels, Reckendorf und Scheßlitz ungewöhnlich hoch. 40 Grad Celsius wären normal - 55 Grad sind es unter Mürsbach. Diese Anomalie hat nun das Interesse der Wissenschaft geweckt.
Gibt es irgendwann eine Therme Bad Baunach? Brodelt unter Rattelsdorf ein Vulkan? Wohl eher nicht, antwortet Projektleiter Wolfgang Bauer vom Lehrstuhl für Geologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zwar gebe es alte Vulkane, wie den Zeilberg bei Maroldsweisach im Itz-Baunach-Hügelland. Für einen Vulkan gebe es aber keinerlei Hinweise. Und Thermenbohrungen seien heutzutage selten lohnenswert, meint Bauer. Von der Wärme in der Tiefe her würde sich Mürsbach aber durchaus dafür eignen - siehe das nahe Bad Staffelstein.
Spätere Nutzung möglich?
Was die spätere Nutzung seiner Forschungsergebnisse angeht, denkt Bauer eher an Geothermie: "Für Städte wie Bamberg wäre eventuell eine Wärme-Versorgung aus der Erde möglich", sagt der Wissenschaftler, während hinter ihm wieder die drei Lkw wummern.
Im ganzen nördlichen Landkreis liegen derzeit Kabel der Firma GGD Geophysik entlang der Felder. Alle zwölf Meter steckt ein zehn Zentimeter großes Seismophon im Boden, das Erdbeben hörbar macht - und damit auch die Vibrationen der Rüttel-Wagen. "Die Bodenschwingungen werden dreidimensional dokumentiert", erklärt Günther. So können die Geologen bis zu zwölf Kilometer tief in den Bauch von Mutter Erde horchen. "Wir leben auf einer Feuerkugel voller Energie", erklärt Bauer. Nur 0,1 Prozent des Planeten sei weniger als 100 Grad heiß, nur ein Prozent weniger als 1000 Grad heiß - der Erdkern brodelt bei 5000 Grad. In manchen Gegenden fließt mehr Wärme nach oben als in anderen.
"Wir dachten eigentlich, dass das Gebiet um Bamberg langweilig ist", räumt Projektleiter Bauer ein. Deshalb sei es auch kaum erforscht. Doch da habe man sich offensichtlich geirrt.
Begonnen hat für den Geologen alles in den 90er-Jahren, als er seine Doktorarbeit über diese Region schrieb. Bei Mürsbach hatte man bereits in den 70er-Jahren Tiefenbohrungen durchgeführt, die Löcher sind bis heute offen, sollen aus Kostengründen aber bald verschlossen werden. "Geothermie war damals kein Thema, da dachte man nur an Atomkraft, Kohle und Erdgas", sagt Bauer. Mit dem Wandel hin zu den erneuerbaren Energien wurden plötzlich auch Bauers alte Daten wieder interessant. "Ich habe mir die Ergebnisse näher angeschaut und gemerkt: Da ist irgendwas im Untergrund." Wissenschaftlich spricht er von einer "Wärme-Anomalie, die sich über eine Fläche von rund 4000 Quadratkilometern erstreckt".