Die Bamberger Universität bietet als einzige in Bayern den Studiengang "Jüdische Studien" an.
Es war Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, der dem bayernweit einmaligen Bachelorstudiengang "Jüdische Studien" an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg die fachübergreifende Bedeutung zuschrieb: "Mit dem Wissen, das den Studierenden hier in Bamberg vermittelt wird, können sie zu interreligiösen und interkulturellen Botschaftern werden!" sagte Schuster bei der offiziellen Eröffnung.
Denn der respektvolle Umgang der Religionen miteinander sowie der respektvolle Umgang von Außenstehenden mit den Religionsgemeinschaften sei "der Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben in unserer heterogenen Gesellschaft und weltweit", meinte der in Würzburg ansässige Zentralratspräsident.
Schuster beklagte eine wachsende Intoleranz gegenüber Minderheiten, die Betonung des christlich-jüdischen Abendlandes zum Zwecke der Ausgrenzung, die Abwertung ganzer Bevölkerungsgruppen wie der Muslime oder der Asylbewerber. "All dies macht solche Studiengänge noch viel wichtiger, um zu lernen, über die Grenzen der eigenen Religion und Kultur hinauszuschauen."
Die Sprache der Bibel
Dass Bayern nun den Blickwinkel weiten kann, ist Susanne Talabardon zu verdanken, die Professorin für Judaistik an der Bamberger Uni. "Gegen den Nützlichkeitstrend", wie sie betonte, ergriff sie die Initiative zur Errichtung der "Jüdischen Studien" und fand im Professorenkollegium begeisterte Mitstreiter.
Fachvertreter aus der Theologie, Germanistik und Anglistik/Amerikanistik sowie natürlich Judaistik sorgen für eine breite Ausrichtung des Studiums, das nun ab diesem Wintersemester in Haupt- und Nebenfächern belegt werden kann.
Neben Bibel- und modernem Hebräisch sollen die Studierenden vor allem die Vielfalt der jüdischen Kultur- und Literaturwissenschaft kennen lernen. Dabei werden historische und gegenwärtige Entwicklungen in Oberfranken, aber auch in europäischen und außereuropäischen Ländern wie den USA und Israel berücksichtigt. Ein hoher Anwendungsbezug soll beachtet werden: "Besonders wichtig ist uns, die Studierenden auch in der Vermittlung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu schulen", erklärt Talabardon.
Sie verspricht einen "tiefgründigen, spannenden, perspektivenreichen Blick in das komplexe Phänomen Judentum". In jüdische Existenz und Identität in ihren vielfältigen Formen, ohne die deutsche Sprache, Kultur und Geschichte nicht verstanden werden könnten.
Die Welterbestadt Bamberg selbst blickt auf eine nahezu tausendjährige deutsch-jüdische Geschichte zurück. Auch in den umgebenden Dörfern und Städten Frankens stößt man allenthalben auf Zeugnisse jüdischen Lebens, das zwischen 1933 und 1945 weitgehend zerstört worden ist. Talabardon: "Die Beschäftigung mit der jüdischen Vergangenheit verhilft nicht zuletzt zur Einsicht in der Verantwortung, die aus der deutschen Geschichte erwächst."
So sprach auch Bambergs Uni-Präsident Godehard Ruppert im Festakt von einem "lebenslangen Lernprozess". In dieser Hinsicht sehe er den neuen Studiengang auch nicht isoliert im
universitären Fächerkanon, sondern setze ihn in den Kontext der Geistes- und Kulturwissenschaften. Ruppert ist klar, dass seine Universität mit dem "kleinen Fach Jüdische Studien keine Mengenzahlen schreiben" werde. Doch er wolle ein "gutes Angebot" als Erweiterung der bisher möglichen 40 Bachelorstudiengänge.
Unwissen ist der Nährboden
Zentralratspräsident Schuster hörte solche Worte gern. Zumal nach seinen Worten mangelndes Wissen stets ein Nährboden für Vorurteile sei. "Davon können wir Juden ein Lied singen." Zudem schwinde nicht nur die traditionelle Bindung in Deutschland, sondern generell auch die religiöse Bildung.
"Kann eine Mehrheit noch den Inhalt christlicher oder gar jüdischer Feste erklären?" fragte Schuster.
Dieser schwindenden Bildung setze die Universität Bamberg nun einen neuen Studiengang entgegen und veranlasse die Studierenden, mit anderen Augen auf das Judentum zu schauen, als sie es von der Schule gewöhnt waren. Im Schulunterricht würden Juden vor allem in der Rolle der Opfer betrachtet: als Opfer von Pogromen im Mittelalter sowie als Opfer der Shoa. Manchmal kämen sie auch als Täter vor, wenn über den Nahostkonflikt gesprochen werde. Diese Art der Behandlung des Themas Juden in der Schule habe den Zentralrat bewogen, mit der Kultusministerkonferenz zusammenzuarbeiten.
Josef Schuster stellte eine gemeinsame Erklärung im Dezember in Aussicht, die darauf abziele, das Judentum im Schulunterricht differenzierter zu betrachten.
Der neue Studiengang "Jüdische Studien" entspreche genau diesem Ansatz.
Der Weg zum Verstehen
Diesen lotete auch Festredner Professor Karl Erich Grözinger, Potsdam-Berlin, aus. Der Begründer der "Jüdischen Studien" an deutschen Universitäten entfaltete Verbindungslinien zwischen Germanisten, Philosophen und Judaisten: "Weder das Judentum, noch die deutsche und europäische Kultur sind alleine im Schrebergarten der einzelnen Disziplinen zu verstehen." Mit der gemeinsamen Forschung am Judentum werde zugleich ganz Deutschland und auch Europa neu erforscht.
Wie eine solche gemeinsame Forschung und Lehre aussehen soll, verdeutlichten die Professoren Klaus Bieberstein (Alttestamentliche Wissenschaften), Iris Hermann (Deutsche Literaturwissenschaft), Pascal Fischer (Anglistische und Amerikanistische Kulturwissenschaft) und Christoph Houswitschka (Englische Literaturwissenschaft).
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Miteinander ergebe das "Sinfonieorchester Jüdische Studien", fasste Talabardon zusammen, sei ein "Ausweis interdisziplinärer Kollegialität mit Synergieeffekten auch aus der Archäologie, Slavistik, Kommunikationswissenschaften", wie Markus Behmer als Dekan der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften anmerkte.