Soll der Steigerwald Nationalpark werden? Die umweltpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen haben diese Frage in Bamberg auf Einladung des Bund Naturschutz emotional diskutiert.
Otto Hünnerkopf hat an diesem Abend einen schweren Stand. Der umweltpolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion muss bei der Diskussion im Harmoniesaal beim Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater die ablehnende Haltung seiner Partei zu einem Nationalpark im Steigerwald erklären und verteidigen. Und die Befürworter dieses Projekts sind im Publikum klar in der Mehrheit.
Warum, fragen Zuhörer und Mitdiskutanten, lässt die Regierung von Oberfranken ausgerechnet im Waldnaturschutzjahr 2015 das Waldschutzgebiet im Steigerwald auflösen? Dieses war ein Jahr vorher auf Betreiben des damaligen Bamberger CSU-Landrats Günther Denzler geschaffen worden. Hat die Staatsregierung, die das Auflösungsverfahren veranlasste, wirklich "die Hosen voll", wie SPD-Mann Harry Scheuenstuhl bei der Diskussion höhnt?
Nein, sagt Hünnerkopf: "Wir wurden an der Nase herumgeführt." Er erntet Gelächter. "Normalerweise führen die Politiker die Bürger an der Nase herum", schleudert ihm ein Zuhörer entgegen. "Und diesmal war es halt andersrum."
Hubert Weiger, BN-Vorsitzender in Bayern, wirft der Staatsregierung vor, sie habe sich mit der Auflösung des Schutzgebiets, das nur aus staatlichen Flächen besteht, unglaubwürdig gemacht: "Wenn wegen eines Naturschutzgebiets Privatwälder enteignet wurden, haben sie das nie gemacht. Nur wenn der Freistaat selber betroffen ist, wird er aktiv."
Denzler sitzt im Publikum und verteidigt seine Entscheidung. "Ich bin ein Kind des Steigerwalds", sagt der 67-jährige Politiker, der aus Burgebrach stammt. Und er wolle dieses ökologisch hochwertige Gebiet schützen. Die bayerische Staatsregierung verhindere das aber mit längst widerlegten Argumenten.
Doch warum will die CSU-Regierung eigentlich kein Naturschutzgebiet? "Wir sehen die Notwendigkeit, den Wald zu nutzen", sagt Hünnerkopf. "Immerhin müssen wir jedes Jahr fünf Millionen Kubikmeter Holz einführen." Wenn der Wald ein Nationalpark sei, müsse noch mehr Holz importiert werden, befürchtet er.
Außerdem, so der CSU-Mann, seien fast alle Tierarten, deren natürlicher Lebensraum das Buchenholz ist, im Steigerwald nachgewiesen worden: "So schlecht geht es dem Wald also nicht, obwohl er genutzt wird."
Christian Magerl von den Grünen hält dagegen: Von den im Steigerwald lebenden Tierarten seien zahlreiche vom Aussterben bedroht. Außerdem: Die beiden anderen Nationalparks im Freistaat, der Bayerische Wald und Berchtesgaden, hätten ihre Regionen wirtschaftlich klar vorangebracht. "Und ein fränkischer Buchenwald-Nationalpark wäre die optimale Ergänzung", so Magerl, der aus Freising stammt und nach eigenen Angaben immer wieder gerne den Wald im Grenzgebiet von Ober- und Unterfranken mit seinen hohen Buchen besucht.
Eine Zuhörerin, die mitten im besagten Gebiet lebt, sieht Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) als Schuldigen: "Er hetzt die Steigerwäldler gegen den Nationalpark auf. Früher hat der Steigerwald der Kirche gehört, dann dem Staat. Jetzt hätten wir zum ersten Mal die Chance, unseren Wald zu besitzen. Aber ..." - sie wendet sich an Hünnerkopf - "Ihre Partei verwehrt sie uns." Zum Beispiel, so die Frau, mit der falschen Behauptung, der Wald dürfe nicht mehr betreten werden, wenn er Nationalpark sei.
Otto Hünnerkopf, das gestehen auch seine Gegner ihm zu, ist ein Mann, der sachlich diskutiert und andere Meinungen akzeptiert. Doch in der Sache bleibt er hart. Auf die Frage der Befürworter des Nationalparks im Nordsteigerwald, warum die CSU keine Machbarkeitsstudie will, antwortet Hünnerkopf: "Wir wollen keinen Nationalpark, also brauchen wir auch keine Machbarkeitsstudie."
Natürlich kann die Diskussion, also das Streitgespräch, nur auf der emotionalen Ebene erfolgen. Schließlich liegen die Sachargumente klar auf der Hand:
Sämtliche Behauptungen der Schutzgegner wurden widerlegt, teils als vorsätzlich irreführend in die Welt gesetzt entlarvt. Dagegen sind weder Schutzwürdigkeit noch Schutzbedürfnis bestreitbar.
Nicht zuletzt hat sich die Bundesregierung unter dem damals zuständigen Ressortminister Horst Seehofer international zu weitergehenden Schutzmaßnahmen verpflichtet. Da wäre jetzt nur noch zu klären, ob der jetzige Ministerpräsident Horst Seehofer (erste?) Anzeichen einer Demenz zeigt oder auf solche bei seinen Wählern hofft. Schließlich hinkt Deutschland bei der Umsetzung seiner Verpflichtung deutlich hinterher - und innerhalb Deutschlands ist der Freistaat Bayern weit abgeschlagenes Schlußlicht.
Mit der nationalen Biodiversitätsstrategie hat die Bundesregierung und der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer beschlossen, 5 % der öffentlichen Waldfläche in Deutschland unter Schutz zu stellen.
Am langwierigen Verfahren zur Unterschutzstellung des Waldschutzgebiets bei Ebrach waren auch die betroffenen Landesministerien und der Ministerpräsident Seehofer beteiligt. Diese haben damals dem Schutzgebiet bei Ebrach mit geringfügigen Änderungen zugestimmt.
Diese aus Naturschutzsicht besonders wertvolle Waldfläche - es hat das Potential für ein Weltnaturerbe - hat einen Anteil an der Bayerischen Staatswaldfläche von weniger als 0,1 %. Für die Holzwirtschaft in Deutschland spielt dieses kleine Gebiet also keine Rolle.
Auch wenn Herr Hünnerkopf - vorgeschoben von seinem nicht anwesenden unterfränkischen Parteivorsitzenden Gerhard Eck - hier hartnäckig die Besserwisserposition vertritt, die man mit der absoluten Mehrheit im Landtag gepachtet zu haben meint, in der Sache hat er keine Argumente. Sein Argument bzw. das von Eck und dessen Partei heißt Machtausübung - wenn es sein muss, auch gegen den gesunden Menschenverstand.