Theater Wildwuchs zeigt in Bamberg Stück über Folter

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Gila (Therese Frosch) und Nicolas (Frank Froeba) Fotos: Denis Meyer
Gila (Therese Frosch) und Nicolas (Frank Froeba) Fotos: Denis Meyer
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Harold Pinters Drama "Noch einen Letzten" zeigt mit subtilem Horror die Beziehungen zwischen Staatsmacht und Gefolterten.

Unterhaltsam ist der Abend nicht, der den Zuschauer in der Alten Seilerei erwartet. Das Wildwuchs-Theater, eine der semiprofessionellen Truppen, die in den letzten Jahren teils aus dem Humus des "alten" Ensembles des E.T.A.-Hoffmann-Theaters entsprossen sind, hat schwere Kost angerichtet. Christoph Wehr von der theaterpädagogischen Bildungsinitiative drama-tisch war federführend daran beteiligt und führt auch Regie bei Harold Pinters Drei-Personen-Stück "One for the Road - Noch einen Letzten".
Folter ist das Thema, ein zeitloses Thema, leider. Wenn das Drama auch nach einer Türkei-Reise Pinters Mitte der 80er Jahre entstand und sich auf die Unterdrückung dort in der Militärdiktatur bezieht. Was nach dem gescheiterten Putsch in diesem Jahr wieder hochgekocht ist. Dabei meidet "Noch einen Letzten" jede Aktualität.
In dem analytischen Drama, das eigentlich ein Monolog ist, scheinen Versatzstücke faschistischer Ideologie in gelegentlichen Textzeilen auf: "die Stimme Gottes", die aus dem Verhörer spricht, "der Mann, der das Land regiert", "wir sind alle Patrioten, von der gleichen Tradition geprägt". Der so spricht, ist adrett gekleidet und gescheitelt, wie ein Buchhalter der 1950er Jahre, wie ein Finanzbeamter. Er wandelt auf der Bühne bedächtig hin und her, switcht buchstäblich zwischen seinen Opfern Gila (Therese Frosch) und Victor (Sebastian Stahl).
Der subtile (Psycho-)Terror des kultivierten Folterknechts Nicolas (Frank Froeba) entwickelt sich parallel zu der Vorgeschichte, die sich nach und nach enthüllt. Aber ist Victor überhaupt ein Folterknecht? Oder überlässt er das Grobe seinen Leuten? Dafür spricht, dass die offenbar schwer verstörte Gila Hämatome im Gesicht trägt, dass sie vergewaltigt worden ist. Es war wohl so, dass der kleine Sohn des Ehepaars "meine Soldaten angespuckt und mit Füßen getreten" hat. Die Eltern müssen sich nun dafür verantworten.
Das Stück lebt von einer mitunter qualvollen Reduktion. Die scheußlichen Einzelheiten bleiben der Fantasie der Zuschauer überlassen. Kaum Requisiten, zwei Stühle, Handschellen. Bei aller scheinbaren Konzilianz wird die von der Macht des Verhörenden geprägte ungleiche Kommunikationssituation vorgeführt, das Eindringen in die Intimsphäre, die schließlich nackte Brutalität der Sprache ("Sie Stück Scheiße, Dreck und Abschaum"). Das Schicksal des kleinen Sohns, des "kleinen Arschlochs" (Nicolas), bleibt ungewiss.
Frank Froeba spielt den Folterknecht mit Manieren unterkühlt, lauernd. Sebastian Stahl hat nicht viel zu tun, während Therese Frosch in ihrer Körpersprache den Schock hervorragend schildert. Eine bedrückende Theater-Stunde. Die ergänzt wird durch Gespräche mit geladenen Gästen und dem Publikum, moderiert von Regisseur Wehr. Am Premierenabend waren die Gäste Andrea Abele-Brehm, Sozialpsychologin und Genderforscherin, der Politologe Boris Vormann und der Chefdramaturg des Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theaters, Remsi Al Khalisi. Es war eine Konsensdiskussion, wie man sie leider in diesen Tagen allzu oft verfolgen muss. Fatih Zingal von der Union europäisch-türkischer Demokraten, einer Vereinigung pro Erdogan, war nicht erschienen.
Wer wollte, würde auch für die Folter plädieren? So fragte sich die Runde mehr oder minder ratlos, ob der Wille zur Macht und Grausamkeit eine anthropologische Konstante sei. Am originellsten waren noch Khalisis Einlassungen zum Theater, das nach dem Wesen des Menschen frage. Und er warnte: "Ein Rückfall in die Barbarei ist jederzeit möglich."