Der Morphclub ist Vergangenheit. Führt eine Veranstaltungsabsage nun in Bamberg dazu, dass auch im Sandschlössla künftig keine Lesungen, Konzerte und andere Kulturevents mehr stattfinden? Im Zentrum des Geschehens: Kurt Schwitters "Auguste Bolte".
Welchen Wirbel verursachte Auguste Bolte schon vor ihrem Bamberger Auftritt! Erst sollte Kurt Schwitters abgedrehte Titelheldin, die einer Naturkatastrophe gleich durch Straßen und Häuser der Stadt zieht, das Sandschlössla heimsuchen. Dann jedoch die Absage, die Andreas Ulich als Rezitator etlichen fränkischen Literaturfans per Mail sandte: "Keine Auguste Bolte!" Stoppte etwa das Ordnungsamt den Amoklauf (was angesichts der Spur der Angst, des Schreckens und der Verzweiflung, die die junge Frau hinterlässt, verständlich gewesen wäre)? Wenig später indes die Entwarnung, nachdem Arnd Rühlmann Auguste Bolte nicht sterben lassen wollte und den absurd-dadaistischen Schwitters-Text fürs Nana-Theater rekrutierte. So findet die Lesung nun am 15. August ab 20 Uhr im Club Kaulberg statt.
Keine Kneipe
Ende gut, alles gut? Nein, leider sieht's ganz so aus, als würde die Zukunft des Sandschlössla als Veranstaltungsort nach der Absage generell in den Sternen stehen. Zunächst mal vorweg, um Gerüchten vorzubeugen: Das Ordnungsamt wollte Auguste Bolte keineswegs aus dem Sandschlössla vertreiben. Schließlich eignet sich die Location ideal für Lesungen und andere "hochwertige kulturelle Veranstaltungen", wie Ulrike Siebenhaar als Pressesprecherin der Stadt betonte. Nur planten die Veranstalter an dem Abend auch Alkohol auszuschenken, was im Sandschlössla maximal einmal pro Monat per Ausnahmegenehmigung möglich ist.
So besuchen kulturell interessierte Bamberger in der Oberen Sandstraße 31 eben keine Gaststätte, in die sich kein Anwesen auf dem Schleichweg entwickeln darf (Stichwort "Veränderungssperre").
"Uns geht's selbstverständlich nicht darum, Saufgelage abzuhalten oder mit dem Ausschank alkoholischer Getränke Geld zu machen", sagt Katharina Ringler als Veranstalterin. Die Partygesellschaft sei sicherlich nicht das Publikum, auf das das Kulturprogramm im Sandschlössla abzielt. Zumal sie als Anwohnerin selbst schon unter den Folgen von Alkoholexzessen litt, die im Sandgebiet abliefen. Dennoch könne sie es sich nicht leisten, so die Fränkin, bei Konzerten, Lesungen und anderen Events draufzuzahlen.
"Wir bieten alkoholische Getränke an, um unsere Unkosten im Rahmen zu halten." Warum sollten Gleichgesinnte im stilvollen Ambiente des Hauses, in dem die Eigentümer zunächst nur Freunde und Bekannte mit kulturellen Veranstaltungen unterhielten, auch kein Glas Wein mehr genießen können? Wenn es bei der jetzigen Beschränkung bleibt, so Katharina Ringler, sehe sie als Veranstalterin keinen Sinn mehr darin, "weiterzukämpfen". Womit auch das Kulturprogramm der kommenden Wochen und Monate auf der Kippe steht.
Harmlose Irre?
Zurück zur aberwitzigen literarischen Figur, der Kurt Schwitters 1923 Beine machte: "Eine Amokläuferin, die nur eigenen Regeln und Gesetzen folgt, egal was sie auf diese Weise anrichtet", meint Andreas Ulich. Wie geschaffen sei Auguste Bolte somit für die Ellenbogengesellschaft des 21. Jahrhunderts. Dabei waren's die Kleinbürger des frühen 20.
Jahrhunderts, deren Denken der Avantgarde-Künstler persiflierte.
Was ist los?
Ganz harmlos beginnt Schwitters Geschichte, die sich nach und nach steigert: "Auguste Bolte sah etwa zehn Menschen auf der Straße, die in einer und derselben Richtung geradeaus vorwärts gingen. Das kam Auguste Bolte verdächtig vor. ... " Da musste etwas los sein. Und um das zu ergründen, entwickelt sich das Fräulein zur Stalkerin, die den sinnlosesten Gedankengängen radikal folgt, keine Peinlichkeit scheut und Fremde zur Verzweiflung treibt: "Beschrieben wird ein subversiver Akt der Zerstörung", meint Andreas Ulich, der alle Literaturfreunde dazu einlädt, sich "von diesem dadaistisch-wahnwitzigen Prosatext verwirren und erschlagen zu lassen.