"So wie alle - nur etwas anders"

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Anna Langlouis bei ihrer Lieblingsbeschäftigung: am Schlagzeug Foto: Ronald Rinklef
Anna Langlouis bei ihrer Lieblingsbeschäftigung: am Schlagzeug  Foto: Ronald Rinklef
 
 
 
 
 
 
 
 

Anna Langlouis ist eine berufstätige junge Frau, die wir zum Welt-Down-Syndrom-Tag vorstellen. Denn die 24-Jährige widerlegt viele Vorurteile.

Im ersten Stock scheppert's gewaltig. Anna Langlouis lässt es am Schlagzeug wieder ordentlich krachen: "Ich mag es rockig", sagt die 24-Jährige, die wir zu Hause bei ihren Eltern besuchen. Stundenlang haut die Bambergerin an manchem Tag auf die Pauke, um für Auftritte mit ihrer Band zu üben. Was Tobi, dem flauschigen Stubentiger der Familie, gar nicht gefällt. Glücklicherweise ist Anna oft auf Achse, die beispielsweise auch Basketball spielt. Wie etliche Gleichaltrige interessiert sie sich in ihrer Freizeit für vieles. "Ich bin so wie alle anderen - nur etwas anders", sagt die Fränkin, die wir zum Welt-Down-Syndrom-Tag porträtierten. Denn auch bei Anna Langlouis kommt das Chromosom 21 in jeder Körperzelle dreimal statt zweimal vor - wie bei rund 50 000 anderen Frauen, Männern und Kindern allein in Deutschland.



Außergewöhnliche Menschen

Viele Vorurteile gibt es noch
immer gegenüber Menschen mit Trisomie 21. In Schubladen ordnet unsere Gesellschaft sie ein - wie alle, die auf die eine oder andere Weise außergewöhnlich sind: Ob jemand nun wie Anna mit dem Down-Syndrom zur Welt kam, eine andere Hautfarbe, Religion oder Lebensweise hat, die aus dem Rahmen fällt. Nur ist die 24-Jährige nicht mit anderen vergleichbar, hat eigene Schwächen, Stärken und eine Lebensgeschichte, auf die wir an dieser Stelle blicken, weil sie manches Ressentiment gegenüber Menschen mit Trisomie 21 entkräften könnte.

Anna Langlouis lächelt, während sie sich all den Fragen stellt, die beim Interview auf sie einprasseln. Aus der Ruhe lässt sich die Hobbymusikerin nicht so leicht bringen. "Wenn's mir zu viel wird, sag ich das", meint Anna, die während des Interviews manchmal auch nach den passenden Worten sucht. Dann steht ihr ihre Mutter zur Seite.

Ein Kind mit Down-Syndrom: Was ging in Ele Langlouis vor 24 Jahren vor, als sie mit dieser Diagnose konfrontiert wurde? "Es gab viele Falschinformationen, die mir damals Sorgen bereiteten. Man wusste weitaus weniger über Trisomie 21 als heute" sagt die Bambergerin. "Wie sich Anna mal entwickeln würde, das hätte ich nie für möglich gehalten."


Unterschiedliche Entwicklung

Natürlich gibt es auch Menschen mit Down-Syndrom, die stärker beeinträchtigt sind: etwa mit Herzfehlern zur Welt kommen, unter Bewegungsstörungen und anderen Symptomen leiden. Auch die kognitive Entwicklung verläuft bei Kindern mit Trisomie 21 in der Regel langsamer. Mancher braucht auf diese Weise ein Leben lang Hilfe, andere schaffen einen regulären Schulabschluss und sind im Alltag kaum auf Unterstützung angewiesen.

"Dass es Anna heute so gut geht, verdanken wir auch den Frühfördereinrichtungen der Lebenshilfe", berichtet Ele Langlouis. So besuchte ihre Kleine mit drei Jahren schon einen integrativen Kindergarten, später eine Kooperationsklasse der Lebenshilfe an der Domschule und zuletzt die Bertold-Scharfenberg-Schule. "Am liebsten mochte ich Lesen und Religion", erinnert sich Anna, als wir sie nach ihren Lieblingsfächern fragen. Weniger liegt der jungen Frau der Umgang mit Zahlen - auch mit Digitaluhren hat die 24-Jährige gewisse Probleme. Aber mit Zahlen hatte sie weder in der Schreinerei von integra Mensch zu tun, in der Anna eine Weile beschäftigt war, noch bei ihrer derzeitigen Tätigkeit. An fünf Tagen der Woche arbeitet die Bambergerin in der Jugendherberge am Kaulberg - von 8 bis 15 Uhr. "Ich bin in der Küche, da spüle ich das Geschirr", sagt Anna, die sich am liebsten beim Vornamen ansprechen lässt: "Manchmal verteile ich auch Essen an Gäste."


Auszuziehen ist bislang kein Thema

Ja, diese Arbeit macht Anna Langlouis Spaß, die mit Menschen schnell in Kontakt kommt - auch wenn sie nicht so redegewandt wie viele Gleichaltrige ist und sich im Gespräch eher zurückhält. Was die Bambergerin nicht daran hindert, Freundschaften zu schließen. "Ich habe viele Freunde", sagt Anna. Vielleicht auch einen festen Freund? "Ich weiß nicht." Nein, eine Liebesbeziehung kann sich die junge Frau schwer vorstellen, die verlegen lächelt. Ebensowenig kam's für Anna bislang in Frage, bei ihren Eltern auszuziehen. "Ich würde mir das wünschen, damit sie mit gleichaltrigen Leuten zusammenlebt", sagt ihre Mutter. In eine betreute Wohngemeinschaft, wie sie gerade bei der Lebenshilfe entsteht, könnte Anna ziehen. "Aber das ist ihre Entscheidung", so Ele Langlouis, die es natürlich auch genießt, ihr Kind noch ein paar Jahre um sich zu haben. "Anna sagte mal auf ihre ganz spezielle Weise: ,Ich bin Frieden'. Das habe ich nie vergessen, weil dieser Satz im Grunde für ihre Persönlichkeit steht". Die Persönlichkeit eines Menschen, der "nichts Berechnendes an sich hat und mit anderen liebevoll umgeht".


Gold gewonnen

Der Freitag ist übrigens Annas Basketballtag. Dann ruht das Schlagzeug, mit dem die Freizeittrommlerin sonst täglich für Auftritte mit der OBA-Band - wie beispielsweise im Jugendzentrum am Margaretendamm anlässlich der letzten Wiedereröffnung - übt. Am Freitag aber tobt sich die 24-Jährige in der Basketballmannschaft der Lebenshilfe aus: dem Team, das 2014 bei den Special Olympics in Düsseldorf Gold gewann. "Ja, da war ich auch dabei", strahlt Anna - eine junge Frau mit vielen Interessen, Stärken und Schwächen: So wie alle anderen - nur etwas anders.