So begann die Ära Ertl in Weichendorf

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Karl-Heinz Ertl vor seinem ersten Lebensmittelgeschäft Foto: pr
Karl-Heinz Ertl vor seinem ersten Lebensmittelgeschäft  Foto: pr
Im gleichen Jahr, als Karl-Heinz Ertl seine "City-Metzgerei" eröffnete, zog der erste Aldi Bambergs ins Nachbarhaus - damals noch unter dem Namen der Unternehmensgründer Abrecht.
Im gleichen Jahr, als Karl-Heinz Ertl seine "City-Metzgerei" eröffnete, zog der erste Aldi Bambergs ins Nachbarhaus - damals noch unter dem Namen der Unternehmensgründer Abrecht.
 
Auf ehemaligen Spargelfeldern entstand der Neubau von "Lampen Ertl".
Auf ehemaligen Spargelfeldern entstand der Neubau von "Lampen Ertl".
 
Rosalinde Ertl kommt mit ins Unternehmen
Rosalinde Ertl kommt mit ins Unternehmen
 
Das Metzgerei-Schaufenster wird abends zum Lampen-Schaufenster: Eine Aufnahme von 1972
Das Metzgerei-Schaufenster wird abends zum Lampen-Schaufenster: Eine Aufnahme von 1972
 
Familie Ertl auf Baustellenbesichtigung 1983
Familie Ertl auf Baustellenbesichtigung 1983
 
Karl-Heinz Ertl vor seinen Geschäft ca. 1960
Karl-Heinz Ertl vor seinen Geschäft ca. 1960
 
Rosalinde Ertel, mit der Karl-Heinz Ertl viele Träume verwirklichte.
Rosalinde Ertel, mit der Karl-Heinz Ertl viele Träume verwirklichte.
 
"Lampen Ertl" zog 1984 vor die Tore Bambergs - nach Hallstadt
"Lampen Ertl" zog 1984 vor die Tore Bambergs - nach Hallstadt
 

Im Haus seiner Eltern eröffnete Karl-Heinz Ertl vor 60 Jahren ein erstes Lebensmittelgeschäft. In Weichendorf startete somit die Karriere des Jungunternehmers, der mit seiner Familie später ein eigenes Kapitel Bamberger und Hallstadter Geschichte prägte.

Petticoats waren der letzte Schrei. Elvis veröffentlichte seine erste Single "That's All Right". "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" kam in die Kinos. Ja - und Deutschland wurde Fußball-Weltmeister: Das war das Jahr, in dem ein 17-Jähriger von Weichendorf aus eine Karriere startete, die man als fränkische Version des american dream bezeichnen könnte. Die Rede ist von Karl-Heinz Ertl, der in den kommenden Jahrzehnten sein persönliches Wirtschaftswunder erlebte.

Vor allem Franziska Ertl motivierte ihren Sohn, den unternehmerischen Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Zuvor schon hatte er im großelterlichen Betrieb eine Metzgerlehre gemacht und eröffnete 1954 nun im Haus der Eltern sein erstes Lebensmittelgeschäft: "Gegessen wird schließlich immer", wie Franziska Ertl dem kreativen Kopf vermittelt hatte, der nicht mehr zu bremsen war.
Und mit seinem VW-Bulli samt Werbeslogan "Karl-Heinz Ertl - man kauft dort so preiswert!" zwei Jahre später schon zur ersten Bamberger Filiale in der Schildstraße fuhr.

Vor den ersten Supermärkten

"Unser Vater besitzt diese unbändige Kraft und Energie, die ihn bis heute auszeichnet", meint Karl-Heinrich Ertl, der mit seinen drei Geschwistern bekanntlich längst in die Fußstapfen des Unternehmensgründers tritt. So expandierte Karl-Heinz Ertl in Bamberg weiter, bevor die ersten Supermärkte nach Franken kamen, die damals schon in Osnabrück und Augsburg Erfolge feierten. In der Gereuth, der Luitpoldstraße 29 und der Erlichstraße - hier sogar mit Metzgerei und eigener Schlachtung - entstanden weitere Niederlassungen. "Und ich saß in der Erlichstraße mit sechs Jahren am Telefon, wenn uns Ware ausging, um Nachschub aus anderen Filialen zu ordern", erinnert sich Gabriele (Ertl) Schrödel, die von den Eltern ihren Geschäftssinn ebenfalls in die Wiege gelegt bekam.

Eine Metzgerstochter hatte Karl-Heinz Ertl Anfang der 60er-Jahre geheiratet: Rosalinde Müller, die sich - wie später ihre Kinder - im Familienbetrieb engagierte. Speck kaufte Karl-Heinz Erl für seine Lebensmittelläden in der Müller'schen Metzgerei der Luitpoldstraße und lernte seine spätere Frau kennen. Der berühmte Funke sprang aber erst beim Metzgerball des Jahres 1961 über.

Im "Bayerischen Hof"

Noch waren die Ertls im Lebensmittelbereich tätig, als die Familie 1968 das ehemalige Hotel "Bayerischer Hof" in der Luitpoldstraße 45 erwarb, um erneut zu expandieren. Großzügige Ladenflächen entstanden im Erdgeschoss, während im Rückgebäude ein neues Zuhause auf Karl-Heinz Ertl, seine Frau Rosalinde und vier Kinder wartete. Als jüngster Spross war Werner Ertl gerade zur Welt gekommen.

Die "City Metzgerei" eröffneten die jungen Eltern 1969. Und bekamen als Nachbarn Bambergs ersten Aldi, der damals noch den Namen der "Albrecht"-Brüder trug. Wenig später betrat Karl-Heinz Ertl Neuland, ohne das sich das Familienunternehmen anders entwickelt hätte: Im Keller der Luitpoldstraße 45 bot der Franke Anfang der 70er-Jahre erstmals Lampen an, nachdem ihn schicke Frankfurter Souterrainläden zu dem Schritt inspiriert hatten. Und tatsächlich gingen Ertls Lampen und Leuchten bald weg wie warme Leberkässemmeln, so dass sich die Familie zunehmend aus dem Lebensmittelgeschäft zurückzog und die Redewendung "Schuster, bleib bei deinem Leisten" Lügen strafte.

Von "Deutschlands größter Lampenausstellung" träumte Karl-Heinz Ertl fortan. "Und hat sich mein Vaters erst ein Ziel gesteckt, so verliert er's sicher nicht aus den Augen", wie Karl-Heinrich Ertl berichtet. Gerne hätte der Franke seine Neubaupläne an der Bamberger Peripherie verwirklicht. Eine Genehmigung erhielt Ertl allerdings nicht und wich nach Hallstadt aus. Gesagt, getan? Nein, Jahre vergingen bis "Lampen Ertl" auf die "Grüne Wiese", präziser gesagt Spargelfelder kam. Zu einer Zeit, als die A70 Bamberg noch nicht erreicht hatte, ja nicht mal die Emil-Kemmer-Straße existierte, an der das Ertl-Zentrum heute liegt.

Endlich der erste Spatenstich. Und nach fünfmonatiger Bauzeit gingen bei "Lampen Ertl" 1984 die Lichter an. Bald wurde das Sortiment um Gartenmöbel erweitert. Diverse Mieter nutzten die neu entstandenen Gewerbeflächen - darunter ein Tanzlokal namens "Muvi" und ein Fitnessstudio für Damen. Aerobic hieß die Trendsportart, die Jane Fonda damals über den Großen Teich schwappen ließ, um damit auch Fränkinnen ins Schwitzen zu bringen.

1986 sorgte Tochter Gabriele dafür, dass der "Spielwarengigant" und die "Kinderwelt" Einzug bei "Lampen Ertl" hielten. So setzte die 20-Jährige damals schon eigene Akzente, um Familien mit Kindern ansprechen. Einkaufsaktionen mit "Fun Boy Radio" rührten die Werbetrommel. Mittlerweile entstanden ja die ersten privaten Radiosender des Freistaats, die der Domstadt 1987 "Radio Regnitzwelle" und eben "Fun Boy Radio" als Vorgänger von Radio Bamberg brachten. Beide Offerten teilten sich zunächst übrigens eine Frequenz. Und das Geräusch einer Klospülung erklang täglich, wenn der Popsender am frühen Nachmittag das Schlagerradio ablöste.

The Next Generation

Nach einer Erweiterung der Verkaufs- und Gewerbeflächen auf 20.000 Quadratmeter feierte das "Ertl Zentrum" im April 1992 seine Eröffnung. Die "Ertl Shopping Meile" entstand nach der Jahrtausendwende und schon war's Zeit für einen Generationenwechsel: 2008 übergaben Karl-Heinz und Rosalinde Ertl die Geschäfte nun offiziell an ihre vier Kinder Gabriele, Karl-Heinrich, Ulrike und Werner Ertl.