Slam Symphony: von Bulldoggen und lauen Nächten

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Der Dichter mit dem meisten Applaus gewinnt: Das war in diesem Jahr völlig zurecht Julian Heun. Fotos: Marian Lenhard
Der Dichter mit dem meisten Applaus gewinnt: Das war in diesem Jahr völlig zurecht Julian Heun.  Fotos: Marian Lenhard
Moderator Christian Ritter, Julian Heun, Tanasgol Sabbagh und Teresa Reichl (v. l.) am Donnerstag in der Konzerthalle
Moderator Christian Ritter, Julian Heun, Tanasgol Sabbagh und Teresa Reichl (v. l.) am Donnerstag in der Konzerthalle
 

Wieder einmal vereinte sich Orchestermusik mit juveniler Poesie. Die Poesie aber fiel qualitativ ab.

Wie am Schnürchen läuft alles mittlerweile. Oder vielleicht wäre das Bild "wie mit dem Dirigentenstab gewiesen" in diesem Falle treffender. Denn das "Format" - so der routinierte Moderator Christian Ritter - Slam Symphony hat sich in Bamberg bewährt und war am Donnerstagabend in der Konzerthalle bereits zum sechsten Mal zu erleben.

Und wieder hatte sich zu dem auch als Studentenkonzert deklarierten Abend eine erkleckliche Zahl vor allem junger Leute eingefunden, was ja auch das Ziel der veranstaltenden Bamberger Symphoniker ist.

Also waren drei Poetry Slammer angetreten, den Sieg im Dichterwettstreit zu erringen. Was recht eigentlich seit dem halbmythischen Treffen auf der Wartburg eine urdeutsche Tradition ist und durch die aufgepeppte Version aus dem angelsächsischen Raum einen Modernisierungsschub erfahren hat.

Was nun gerade die Slam Symphony (modisch englisch geschrieben) auszeichnet, ist klassische Musik als Inspirationsquelle für die Dichterinnen und Dichter. Programmmusik eignet sich dazu naturgemäß trefflich oder solche mit deutlicher außermusikalischer Thematik.

Die "Alpensinfonie" von Richard Strauss stand schon auf dem Programm und sein "Rosenkavalier" oder auch Hector Berlioz' "Symphonie fantastique". Geradezu ideal eignen sich die 1899 entstandenen "Enigma-Variationen" Edward Elgars; bezieht sich doch jeder der 14 Teile der Komposition auf einen Menschen im Umkreis des Tonsetzers.

Zwei Dichterinnen und ein Dichter konnten sich also ein Thema heraussuchen, das kurz angespielt wurde, und dann ihre Assoziationen zu Texten gerinnen lassen. Es begann eine junge Frau mit dem schönen Namen Tanasgol Sabbagh. Sie hatte gleich die erste Variation mit dem berühmten Thema gewählt, in der Elgar das Pfeifen auf seinem Nachhauseweg verarbeitete.

Sie hat sich redlich bemüht

Das inspirierte Sabbagh zu Meditationen über eine laue Nacht mit lauten Freunden, über geschürzte Lippen, denen kein Pfiff entwich. Allmählich schälte sich, der Vortrag darf jeweils ja nur etwa fünf Minuten dauern, die Beschreibung des Beziehungs-Allerleis "armer Liebender" heraus. Auch wenn die Poetin reimte, sang und pfiff, blieb ihr Auftritt doch recht matt, man könnte sagen: Sie hat sich bemüht.

Ihr folgte als männliches Drittel des Dichter/innen-Trios Julian Heun. "Dieser Text ist nur eine Simulation", hob er an, als er seine Überlegungen zur 11. Variation vortrug, in der es um einen Organisten geht, dessen Bulldogge in einen Fluss gefallen war, jedoch ans rettende Ufer schwamm. Auch in seinen sprachlichen Mitteln - es fielen so hübsche Worte wie "repetitive Monotonie" oder "kokette Pirouetten" - übertraf er seine Vorgängerin bei Weitem. Er schilderte das Leben als Karussell, als ewige Wiederkehr des Immergleichen, sei es in Sachen des Studiums oder des fatalen Falls in den Fluss: "Ich habe nichts dazugelernt."

Das hört sich depressiver an, als es ist. Heun spielt mit Sätzen und Erwartungen und schafft ein durchaus lustiges verbales Pendant zu hurtig dahinsprudelnder Musik - an der Orgel saß Christian Schmitt.

Eine eher schwer-getragene, pathetisch-drohende Musik hatte sich die Dritte im Bunde ausgesucht, Teresa Reichl. In der Romanza geht es um eine Dame auf Seereise. Reichl versuchte eine "moderate Liebesgeschichte" daraus zu formen, kam jedoch über die Prosa-Beschreibung einer Besucherin und von komischen Klopfgeräuschen nicht hinaus, wobei ihre Prosa auch stilistisch schlicht blieb. Nach den Regularien gewinnt der Dichter, der am meisten Applaus einheimst. Eindeutig war dies Julian Heun, und eindeutig hatte der Richtige gewonnen.

Enttäuschende Texte

Jedoch muss man sagen, dass gemessen an früheren Slam Symphonies diese Texte doch arg enttäuschten.

Da hatte man in den vergangenen Jahren schon Brillanteres gehört, das mit jedem hochkulturellen Lyrikband hätte konkurrieren können. Diesmal nicht. Aber es blieb ja noch die Musik. Dirigent Nikolaj Szeps-Znaider und die Symphoniker spielten die Enigma-Variationen noch einmal komplett am Stück.

Der Eindruck mag täuschen, doch kann es sein, dass das junge Publikum das Orchester dazu bringt, bekannte Orchesterwerke irgendwie frischer, unbekümmerter, dynamischer zu interpretieren?