Der frühere Bamberger Schlachthofmitarbeiter, der 2016 Feuer gelegt haben soll, muss ins Gefängnis.
Aktualisierung: Der Angeklagte ist inzwischen gegen dieses Urteil in Berufung gegangen. Er wurde am 7.5.2018 in zweiter Instanz freigesprochen. Da sein Aufhalten am Tatort zur fraglichen Zeit wiederlegt werden konnte, plädierten sowohl Staatsanwalt als auch Verteidiger auf einen Freispruch.
Für zwei Jahre und acht Monate muss ein 63-jähriger Pensionär hinter Gitter, weil er im Dezember 2016 im Schlachthof Bamberg Feuer gelegt haben soll. Dabei entstanden mehr als 300 000 Euro Sachschaden. Der ehemalige Mitarbeiter Werner L. (Name geändert) hätte in Panik gehandelt und belastende Unterlagen vernichtet, um "ohne Makel in den Ruhestand zu gehen," so das Urteil.
Es hatte zweier Verhandlungstage, einer umfangreichen Beweisaufnahme und zweier Dutzend Zeugen bedurft, um eine Indizienkette zu schmieden, die sich immer enger um den Hals des Angeklagten gelegt hatte. Denn klare Beweise, das gab auch Staatsanwalt Daniel Heppt offen zu, gäbe es nicht.
Andere Tatverdächtige
Denn weder hatte man Werner L. auf frischer Tat beim Zündeln im Verwaltungsgebäude des Schlachthofes ertappt, noch bei einer Hausdurchsuchung Einbruchwerkzeug oder Spraydosen gefunden, mit denen im Inneren Parolen wie "Tönnies raus" und "Mörder" an Wände und Türen gesprüht worden waren. Vergeblich hatte Rechtsanwalt Jochen Kaller (Bamberg) versucht, andere Tatverdächtige, wie einen früheren Kopfschlächter, andere Kassenmitarbeiter oder Tierschutzaktivisten ins Spiel zu bringen.
Der Verteidiger schilderte den nicht vorbestraften Werner L. als "integren Mann in großer Bedrängnis" und sprach von "herbeigeredeten Manipulationen." Warum hätte er kurz vor seinem Ruhestand wegen einiger Kleinbeträge seinen Ruf und seine Pension gefährden sollen. Er sei wohlhabend und hätte das Geld nicht nötig gehabt. Jochen Kallers Antrag auf Freispruch verhallte ungehört.
Ebenso wie das letzte Wort Werner L.s, der erneut vehement beteuerte, er habe mit dem Brand nichts zu tun. Das dreiköpfige Schöffengericht aus Amtsrichterin Marion Aman und zwei ehrenamtlichen Richtern sah die Schuld des Angeklagten allerdings durch eine Reihe an Indizien belegt: Ein Puzzle-Teil waren die Lügen Werner L.s, der zuerst behauptet hatte, gar nicht am Schlachthof gewesen zu sein, nur um später zuzugeben, er habe eine Kontrollfahrt gemacht, um "nach dem Rechten zu sehen."
Die Aussage, er habe nur gelogen, um nicht in Verdacht zu geraten, sei nicht nachvollziehbar, wenn sein Leumund als gewissenhafter Beamter so untadelig gewesen sei. Das zweite PuzzleTeil war die nicht plausibel erklärte Tatsache, dass Werner L. zur Tatzeit nicht mit seinem im Schlachthof bekannten Fahrzeug unterwegs gewesen war, sondern mit dem Auto seiner Tochter.
Zeugen hatten beobachtet, wie er das von Rauchschwaden umnebelte Gelände verlassen hatte. Das dritte Puzzle-Teil war das Erschrecken des Angeklagten beim Fund eines Schnellhefters mit Quittungsoriginalen bei sich in der Garage.
Als Verdächtiger hatte er versucht, sich auf der Autobahn bei Ebensfeld das Leben zu nehmen, den Unfall aber leichtverletzt überlebt. Das vierte Puzzle-Teil war die Tatsache, dass der Brand von einem Insider gelegt worden sein muss. Denn der aufgebrochene Hintereingang und der verwinkelte Zugang zu den Büros sind für Außenstehende nicht leicht zu finden. Dass kein Brandbeschleuniger verwendet wurde, deute nicht auf einen politisch motivierten Anschlag hin. Tierschützer hätten nach Meinung des Schlachthofleiters wohl eher die Produktion oder die technischen Einrichtungen lahmgelegt.
Das fünfte Puzzle-Teil waren die Materialien, die den Flammen zum Opfer fielen. Das waren nicht etwa zufällig zusammengeraffte Papierstapel, sondern ausgerechnet die Quittungsblöcke und Kassenbücher für die Bareinnahmen, die von Werner L. in seiner Dienstzeit geführt worden waren. Hier sah Strafrichterin Marion Aman auch das Motiv. Denn Werner L. sei keineswegs der vorbildliche Mitarbeiter gewesen, sondern hätte ungewöhnliche Abrechnungsmodelle genutzt und nicht verbuchtes Bargeld im Büroschrank aufbewahrt.
Wo liegt der Hase im Pfeffer?
Unregelmäßigkeiten in der Buchführung seien durch den Brand nicht mehr nachzuweisen. Ein Controlling habe es im Bargeldbereich wohl nicht gegeben, bedauerte Staatsanwalt Daniel Heppt. Der Anklagevertreter gab zu, nicht genau zu wissen, "wo der Hase im Pfeffer liegt", aber wer wie Werner L. lange genug im Schlachthof gearbeitet habe, immerhin rund vier Jahrzehnte, käme sicher auf eine Idee, wie man betrügen und Geld beiseite schaffen könne.
Sollte das Urteil auch nach Berufung und Revision am Landgericht Bamberg noch Bestand haben, hätte es für Werner L. drei gewichtige Konsequenzen: Erstens müsste er tatsächlich ins Gefängnis, denn Freiheitsstrafen über zwei Jahren können nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Zweitens verlöre er als verurteilter Beamter seine Pensionsansprüche, und zwar egal, ob er die Tat in seiner Dienstzeit oder im Ruhestand begangen hat. Ihm bliebe nurmehr eine deutlich niedrigere gesetzliche Rente.
Und drittens kämen in mehreren Zivilgerichtsverfahren auf Werner L. die Schadenersatzansprüche der Brandversicherung des Schlachthofes von knapp 200 000 Euro, sowie der Stadt Bamberg für nicht versicherte Schäden von rund 100 000 Euro zu. Hinzu kommen die nicht ganz unerheblichen Kosten des Gerichtsverfahrens.