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RS-Virus: In Kinderklinik in Bamberg werden Betten knapp - "Wir sind am Anschlag"


Autor: Ralf Welz

Bamberg, Donnerstag, 04. November 2021

In der Bamberger Kinderklinik werden die Betten knapp. "Wir sind praktisch ständig zu hundert Prozent belegt", sagt Prof. Eva Rieck. Schuld ist das grassierende RS-Virus. Die Chefärztin spricht von einer Epidemie.
"Auf unserer Säuglings- und Kleinkinderstation sind etwa 80 bis 90 Prozent der aufgenommenen Patienten wegen einer schwereren RSV-Infektion bei uns", sagt die Chefärztin der Bamberger Kinderklinik. "Das zeigt schon, welches Ausmaß diese Epidemie im Moment hat."


  • RS-Virus: Hochansteckender Erreger sorgt für volle Kinderarztpraxen und Krankenhäuser
  • Kinderklinik Bamberg hat kaum noch Betten frei: "Wir sind am Anschlag"
  • Akute Infektionswelle: Chefärztin spricht von Epidemie

In etlichen Regionen Deutschlands sorgt das sogenannte RS-Virus (RSV) aktuell für proppenvolle Kinderarztpraxen und ausgelastete Krankenhäuser. In Mittelfranken schlagen die Kinderkliniken Alarm. Auch den Raum Bamberg hat der hochansteckende Erreger längst erreicht. Die Beschäftigten der Kinderklinik Bamberg stoßen an ihre Belastungsgrenze. Die Kapazität ist größtenteils ausgeschöpft. "Wir sind am Anschlag", betont Chefärztin Prof. Eva Rieck. Die Medizinerin spricht von einer Epidemie. 

RS-Virus: Kinderklinik Bamberg wegen Infektionswelle voll ausgelastet 

Das Respiratorische Synzytialvirus, wie es in ganzer Länge heißt, kann vor allem Frühgeborenen, Babys und Kleinkindern sehr gefährlich werden. Akute Atemschwierigkeiten und schwere Luftnot sind möglich. "Eine einzelne Erkrankung am RS-Virus ist in Deutschland nicht meldepflichtig - lediglich in Einrichtungen", erklärt Lothar Riemer, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Gesundheitswesen am Landratsamt Bamberg, inFranken.de.

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"Hier haben wir auch bereits Meldungen von einigen Kitas erhalten", konstatiert Riemer. "Schließungen von unserer Seite sind bislang nicht erfolgt." Deutlich prekärer ist die Lage in der Bamberger Kinderklinik. Wie viele andere Krankenhäuser gerät die Einrichtung momentan an ihr Limit. Für kranke Kinder gibt es kaum noch freie Betten. "Wir sind praktisch ständig zu hundert Prozent belegt", berichtet Chefärztin Prof. Eva Rieck am Donnerstag (4. November 2021) inFranken.de.

"Trotzdem versuchen wir, aufnahmebereit zu sein, indem Schwestern und Ärzte wirklich das Maximale tun." Zudem werde darauf geachtet, dass Kindern zügig entlassen werden, wenn es ihnen wieder bessergeht. "Damit wir dann wieder neue Kinder aufnehmen können." Der jetzige Stand: "Auf unserer Säuglings- und Kleinkinderstation sind etwa 80 bis 90 Prozent der aufgenommenen Patienten wegen einer schwereren RSV-Infektion bei uns. Das zeigt schon, welches Ausmaß diese Epidemie im Moment hat."

Veränderte Patientengruppe: "Haben auch Drei- oder Vierjährige, denen es nicht gutgeht"

Zwar sei eine entsprechende Infektionswelle im Herbst normal, hält die Ärztin fest - anders sei es dagegen im Corona-Jahr 2020 gewesen. "Wir hatten im letzten Jahr gar keine", resümiert Rieck. Die Folge: Viele Kinder kämen nun heuer zum ersten Mal überhaupt mit dem Virus in Kontakt. Dadurch verändere sich schlussendlich auch die Patientengruppe. "Normalerweise sind das häufig Säuglinge und Kleinkinder, die mit schweren RSV-Infektionen zu uns stationär kommen", sagt Rieck. "Jetzt haben wir durchaus auch Drei- oder Vierjährige, denen es nicht gutgeht. Die zusätzlich Sauerstoffgabe brauchen. Und die durchaus auch ausgeprägte Lungenentzündungen haben."

Liegt die Ursache in einem schwächeren Immunsystem? Nein. Rieck zufolge könne man davon nicht sprechen. "Das Immunsystem ist schon in Ordnung", erklärt die Medizinerin. "Es ist bloß im vergangenen Jahr nicht gefordert worden." Der Grund: zu wenige Kontakte. "Alle Leute sind mit Maske herumgelaufen. Die Kinder sind nicht in ihre Einrichtungen gegangen. Sie haben nicht mit anderen Kindern gespielt." Die Folge: Der sonst übliche Austausch von Keimen fand demnach nicht statt. "Insofern ist das Immunsystem zwar nicht geschwächt, es ist aber nicht richtig vorbereitet auf diese Viren."

Erschwerend kommt laut Schilderung der Kinderärztin hinzu, dass die Infektionswelle "sehr zeitig" eingesetzt habe. "Jetzt im November ist es das normal. Aber wir haben ja schon seit ein paar Wochen eine hohe Auslastung." An der angespannten Lage wird sich vermutlich in der nächsten Zeit so schnell auch nichts ändern. "Das ist leider anzunehmen", befürchtet Rieck.

Neben RS-Virus: Influenza im Anflug? Chefärztin ruft zu Grippe-Impfung auf

Die Chefärztin der Kinderklinik beschäftigt neben dem RS-Virus derweil noch eine weitere Krankheit, die sich womöglich bereits im Anflug befindet. "Wir müssen natürlich auch schauen, wann die Influenza hinzukommt." Damit die ohnehin schon kritische Situation in ihrem Krankenhaus sich nicht noch weiter zuspitzt, wendet sich Rieck mit einem Appell an die Bevölkerung. "Deswegen mein Aufruf: Gehen Sie zur Grippe-Impfung." Anders als gegen das RS-Virus sei eine Impfung gegen Influenza möglich. "Auch bei Kindern", erklärt Rieck. 

Trotz der derzeit sehr hohen Zahl an erkrankten Säuglingen und Kleinkindern gibt es für Eltern gleichwohl keinen Grund, gleich in Panik zu verfallen. "Eine einfache RSV-Infektion verläuft wie jeder andere Infekt", erklärt die Chefärztin. Müttern und Vätern rät sie zugleich: "Natürlich kann man als Eltern selbst was tun. Man kann mal ein Fieberzäpfchen geben", sagt Rieck. "Man kann mit dem Kind an die frische Luft gehen. Man kann inhalieren." 

Zum Kinderarzt sollten Eltern dagegen zwingend gehen, wenn das Fieber des kranken Kindes nicht mehr weggehe oder es sehr hoch sei. Auch bei schwerem Husten und Atemnot sei ein Arztbesuch erforderlich. "Gleiches gilt, wenn das Kind nicht mehr gut trinkt", ergänzt Rieck. "Das sind die wichtigen Situationen, in denen man zum Kinderarzt geht." Ansonsten sollten Eltern auf die Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln achten und große Menschengruppen meiden - insbesondere in geschlossenen Räumen. 

RS-Virus grassiert in Region: Weitere Kinderklinik kurz vor Überlastung

Auch die Erlanger Kinderklinik schlug unlängst Alarm: Wegen des grassierenden RS-Virus gibt es dort ebenfalls nahezu keine freien Betten mehr. "Wir stehen kurz vor einer Überlastungssituation bei der Versorgung kranker Kinder und Jugendlicher", warnte das Krankenhaus.