Qualität hat ihren Preis, auch beim Haarschnitt

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Tanja Arnold-Petter arbeitet als Frisörin in einem Familienbetrieb. Die Vorsitzende der Frisörinnung Bamberg ist davon überzeugt, dass Qualität ihren Preis hat - und zahlt ihren Angestellten den Bayerischen Tariflohn für Frisöre. Foto: Matthias Hoch
Tanja Arnold-Petter arbeitet als Frisörin in einem Familienbetrieb. Die Vorsitzende der Frisörinnung Bamberg ist davon überzeugt, dass Qualität ihren Preis hat - und zahlt ihren Angestellten den Bayerischen Tariflohn für Frisöre. Foto: Matthias Hoch
 

Viele Angestellte werden schlecht bezahlt. Ihr Gehalt reicht nicht zum Leben. Ein Mindestlohn wäre die Lösung. Doch die Arbeitgeber sehen in einer gesetzlichen Lohnuntergrenze eine Gefahr für Unternehmen.

Wenn es billig ist, freut sich der Kunde. Das bekam auch Tanja Arnold-Petter zu spüren. Sie betreibt einen kleinen Frisörsalon in Memmelsdorf (Landkreis Bamberg). Als vor etwas zehn Jahren die Billigfrisöre auf den Markt drängten, probierten auch einige Kunden von Tanja Arnold-Petter den Schnäppchen-Schnitt aus.

Zehn Euro für die neue Frisur statt über 30 Euro? Das reizte viele. Doch lange dauerte es nicht, dann ließen sich die Kunden wieder im Salon von Tanja Arnold-Petter frisieren. "Fast alle kamen reumütig zurück", erinnert sich die Vorsitzende der Frisörinnung Bamberg.


Qualität kostet Geld

Über Haarschnitte für zehn Euro kann sie nur den Kopf schütteln. "Ein guter Haarschnitt kostet einfach sein Geld", erklärt sie.
Strom, hochwertige Pflegeprodukte und einen angebrachten Lohn für den Frisör: 30 Euro verlangt sie für Waschen, Schneiden, Legen. Das sei auch das Minimum, was sie verlangen könne, erklärt sie.
Tanja Arnold-Petter zahlt ihren Angestellten den Bayerischen Tariflohn für Frisöre.

Dieser liegt bei einem Gesellen bei 8,05 Euro. Mit den Berufsjahren und der Erfahrung steigt zusätzlich das Gehalt. "In Bayern haben wir quasi eine Insel der Glückseligen", sagt Tanja Arnold-Petter. In anderen Bundesländern sah es für Angestellte in diesem Beruf schlechter aus. Zwar gab es beispielsweise in Sachsen einen Tarif, doch dieser lag bei 3,50 Euro. Frisöre mussten um ihre Existenz bangen.


1000 Euro im Monat

Doch seit Beginn des Monats gibt es Hoffnung. Ein bundesweiter Mindestlohn für Frisöre wurde eingeführt. In Ostdeutschland gibt es einen Stundenlohn von 6,50 Euro, in Westdeutschland von 7,50 Euro. Im kommenden Jahr steigt er um einen Euro in Ost- und 50 Cent in Westdeutschland.

Für einen Angestellten in Bayern, der 40 Stunden die Woche arbeitet, bleiben bei einem Stundenlohn von acht Euro etwa 1000 Euro netto im Monat. Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, erklärt, dass es auch im Hotel- und Gaststättengewerbe und in der Landwirtschaft sehr niedrige Löhne gibt.

"Durch einen moderaten Mindestlohn, der nicht zu hoch angesetzt ist, könnten Auswüchse nach unten im Lohngefüge vermieden werden, ohne dass Arbeitsplatzverluste drohen", erklärt er. Was jedoch "moderat" ist und ob ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn für alle Branchen überhaupt möglich ist, darüber diskutiert gerade die Politik. SPD, Grüne, Linke sind dafür, CDU/CSU und FDP dagegen. Ähnlich sieht es auch in der Wirtschaft aus: Die meisten Gewerkschaften setzen sich für einen gesetzlichen, bundesweiten Mindestlohn ein, während die Arbeitgeberverbände ihn strikt ablehnen.


Mindestlohn bietet Vorteile

Joachim Möller sieht im gesetzlichen Mindestlohn auch Vorteile für Unternehmen, die schon derzeit gut bezahlen: "Konkurrenten, die mittels niedriger Löhne einen harten Preiswettbewerb anstreben, kann so die Grundlage entzogen werden." Zudem erhöhe eine bessere Bezahlung die Motivation und die Bindung der Beschäftigten zum Arbeitnehmer.

"Nicht zuletzt würde auch die Gesellschaft als Ganzes davon profitieren", sagt Möller. Der Staat könnte sich die Kosten für die Aufstockung der Niedriglöhne durch Hartz IV sparen und bekäme zudem mehr Einnahmen durch die Sozialversicherungsbeiträge und Einkommensteuer.

Bertram Bossardt ist Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Er setzt sich für die Arbeitgeber ein und sieht im Mindestlohn ein rechtliches Problem. Die Koalitionsfreiheit spreche gegen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Sie beinhalte, dass sich der Staat aus der Lohnfindung heraushält. "Inhaltlich ist ein Mindestlohn entweder sinnlos, wenn er zu tief angesetzt ist. Oder er gefährdet Arbeitsplätze", begründet Bossardt seine Meinung.


1,2 Millionen Stellen gefährdet

Durch höhere Arbeitskosten könnten keine neuen Stellen geschaffen werden. "Mindestlöhne schmälern vor allem die Chancen für diejenigen, die es am Arbeitsmarkt ohnehin am schwersten haben: Langzeitarbeitslose, Geringqualifizierte und Jugendliche. Außerdem entfiele für viele geringfügig Beschäftigte die Möglichkeit, sich etwas hinzuzuverdienen", sagt Bossardt und befürchtet, dass durch einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro rund 1,2 Millionen Stellen gefährdet wären.

Wenn die Arbeitnehmer besser bezahlt werden, müsse der Preis an die Kunden weitergegeben werden. Er vermutet, dass sich viele Produktionen ins Ausland absetzen könnten. Der vbw ist für Tariflöhne.

Doris Stadelmeyer, Geschäftsführerin für Oberfranken-West der Gewerkschaft Verdi, reicht das nicht aus.
Ihr sind viele Fälle bekannt, bei denen bewusst der Tarif umgangen worden ist. Die Beschäftigten arbeiten länger als sie müssten, bekommen weniger Urlaub, arbeiten Krankheitsstunden nach oder werden zu Mini-Jobs gedrängt.


Lohndumping trifft meist Frauen

Doch die Menschen, die schlecht bezahlt werden, sprechen selten darüber und fast nie wenden sie sich an die Gewerkschaften. "Viele kennen ihre Rechte auch nicht", sagt sie. Von Lohndumping sind meist Frauen betroffen, die ihre Kinder alleine aufziehen oder schon etwas älter sind, erklärt sie. "Sie müssen dann meist eine Aufstockung beantragen, weil ihr Gehalt nicht zum Leben reicht."

Schlechte Bezahlung ärgert auch Tanja Arnold-Petter. Der Beruf des Frisörs setzt handwerkliches Geschick und viel Wissen voraus. Lohndumping schade dem Image der Frisöre. Tanja Arnold-Petter mag ihren Beruf. Doch sie ist auch der Meinung, dass sie ihn nur weiterempfehlen kann, wenn er künftig ausreichend bezahlt wird.