Blutüberströmt lag ihr Nachbar plötzlich im Haus. Ein Paar beschreibt, wie es den Bamberger Michael G. schwerstverletzt fand.
Nur wenige Minuten lang muss das Geschehen gedauert haben, bei dem der Bamberger Michael G. (35) am 26. Juni 2015 tödliche Verletzungen erlitten hat. Zwei Mitbewohner des Wohn- und Geschäftshauses in der Langen Straße, in dem die Bluttat geschehen ist, schilderten am zweiten Verhandlungstag gegen Alexander L. (36), wie sie die Tatnacht erlebt und versucht haben, G. zu helfen.
Das Paar, damals noch unverheiratet, wohnt im zweiten Stock des Anwesens. Mit dem späteren Opfer war man bekannt. Unabhängig voneinander wurden der Informatiker und die Sozialpädagogin von den Richtern der Zweiten Strafkammer nach ihren Erinnerungen befragt.
Wie sie sagten, hatte G. in jener Nacht kurz vor 3 Uhr bei ihnen geklingelt, weil er ohne Schlüssel vor der verschlossenen Haustür stand. Der Zeuge ging hinunter und machte auf. G. war nach seinen Worten "sehr betrunken", schaffte es aber mit seiner Hilfe in den ersten Stock. Dort habe er ihn vor seiner Wohnungstür "abgestellt", so der Zeuge wörtlich.
Noch während er sich mit seiner Lebensgefährtin beriet, ob sie einen Schlüsseldienst rufen oder G. zu sich holen wollen, fing dieser an, gegen seine Tür zu schlagen. Er hat wohl versucht, sie aufzubrechen, meinen die Mitbewohner. Dann sei alles ganz schnell gegangen.
Plötzlich herrschte Totenstille
Nach vielleicht zwei, drei Schlägen hätten sie ein Handgemenge und die Stimmen von G. und Alexander L. gehört. Wenig später muss im Treppenhaus "Totenstille" eingekehrt sein, so die Zeugin. Ihr Freund ging daraufhin ins Treppenhaus und fand den Nachbarn blutüberströmt im Erdgeschoss an der Eingangstür liegen.
G. habe auf seine Frage, was denn passiert sei, mehrmals den Namen Alex genannt. Damit könne er nur den Sohn des Vermieters gemeint haben, gab der Zeuge an. Vom mutmaßlichen Täter sei nichts mehr zu sehen gewesen.
Es muss ein furchtbares Bild gewesen sein, das sich dem Paar aus dem zweiten Stock bot. "Unheimlich viel Blut" sei da gewesen, sagte die Frau. Obwohl sie ohne ihre Brille hinunter gegangen war, hätte sie die Einstiche im Oberkörper des Opfers sehen können.
Die Mieterin hatte, noch während es im Treppenhaus laut gewesen war, die Polizei alarmiert: "Ich wusste, es geht nicht gut. Mit der Vorgeschichte habe ich mir nicht anders zu helfen gewusst", erklärte sie ihren schnellen Griff zum Telefon.
Die Vorgeschichte - das war ein Besuch von Michael G. bei ihnen gewesen, wenige Tage vor der Bluttat. "Käseweiß" im Gesicht habe der Mitbewohner ihnen von einem Streit mit dem Sohn des Vermieters erzählt. Es sei um eine Baustelle in seiner Wohnung gegangen. Und L. habe ihm gedroht: "Ich stech' Dich ab!"
Der Informatiker gab zu, dass er diese Drohung nicht wirklich ernst genommen hat. Auch deshalb nicht, weil G. körperlich überlegen zu sein schien: Er war ein 125-Kilo-Mann, L. ist vergleichsweise schmächtig.
Um das Opfer gekümmert
Bis zum Eintreffen von Polizei und Rettungsdienst hatten der Zeuge und eine junge Frau aus einem benachbarten Lokal versucht, den Blutverlust des kaum mehr ansprechbaren Opfers zu minimieren. Es gelang ihnen, den Verletzten bei Bewusstsein zu halten. Zu retten war der 36-Jährige nicht mehr: Der verheiratete Mann und Vater erlag zwei Tage später seinen Verletzungen.
Alexander L. ist noch am 26. Juni 2015 festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Seit Montag muss er sich vor der Schwurkammer des Bamberger Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor, die Verteidigung geht von einer Notwehr-Tat aus.
Erhitzte Gemüter
Oberstaatsanwalt Otto Heyder und die Verteidigung, namentlich Professor Klaus Bernsmann, gerieten am zweiten Verhandlungstag mehrmals aneinander.
Ein Auslöser war zum Beispiel, dass Bernsmann sich durch Richter und Anklagevertreter in seinen Fragemöglichkeiten eingeschränkt sah und eine "Waffengleichheit mit den Ermittlungsbehörden" reklamierte. Daraufhin gab ein Wort das andere, wurden die Argumente immer lauter - bis Vorsitzender Richter Manfred Schmidt energisch auf den Tisch schlug und kurzerhand die Sitzung unterbrach. Als sie weiterging, waren die Gemüter wieder abgekühlt.
Die Verhandlung wird heute um 9 Uhr mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt.