Vor 50 Jahren brachte eine Windböe das tausend Jahre alte Naturmonument zu Fall. Kinder hatten mit einer Brandstiftung den Untergang eingeleitet.
von Dr. Dieter Heim
Wer auf der lauschigen Forststraße zwischen Geisfeld und Melkendorf wandernd unterwegs ist, wird von einem unscheinbaren, hölzernen Wegweiser in eine feuchte Niederung am Fuß des Geisbergs gelockt. Eine Eiche soll dort zu finden sein, eine Eiche mit Namen sogar: Wendelinuseiche. Nach einigen Metern steht der Wanderer vor einem dunkelbraunen, wie von Riesenhand hingeworfenen Koloss. Eine mannshohe Öffnung tut sich auf und gibt den Blick in das Innere des ehemals 23 Meter hohen Baumstammes frei.
Eintausend Jahre und mehr hat das imposante Gewächs hier alles überragt. Für Hunderte von Schulklassen aus dem Bamberger Raum war die Eiche ein beliebtes Ziel von Wandertagen. Die Kinder nahmen Maß und umringten den Stamm mit ausgestreckten Armen. 13 Meter betrug der Umfang am Boden. Bis in die 1930er-Jahre, erinnert sich der spätere Revierförster Fritz Keilholz, habe er als Kind noch grünes Laub im Kronenbereich entdecken können.
Wie der Riese starb
Das verschwand 1931, als zündelnde Kinder im hohlen Stamm ein Feuer entfachten und damit dessen einseitige Statik weiter schwächten. Ein Blitzstrahl hatte nämlich Jahre zuvor schon einen dicken Hauptast vom Stamm getrennt, so dass in zwölf Metern Höhe das Gegenstück frei in den Raum ragte. Der ca. 50 Kubikmeter Totholz umfassende Torso war jedoch keineswegs tot, sondern wurde von zahlreichen Tieren belebt. So auch von Wildbienen, wie sich Fritz Keilholz erinnert, der von einer trotz Schutzkleidung schmerzhaften Wildhonig-Ernte erzählt.
Das seit dem 19. Jahrhundert in der Literatur als zu den ältesten und auch merkwürdigsten Bäumen Deutschlands gehörende Naturdenkmal "Wendelinuseiche" ergab sich schließlich am 30. Juli 1969 einer schwachen Windböe und stürzte um. Das wurde bedauernd zur Kenntnis genommen und der gefallene Baumriese dem Verfall preisgegeben.
Seitenast im Pfarrsaal
Die Kulturelle Dorfgemeinschaft Geisfeld hingegen wollte sich damit nicht abfinden und verbrachte den noch gut erhaltenen massiven Seitenast in den Vorraum des Pfarrsaals unter der Kirche St. Magdalena, wo er als Erinnerungsstück zu betrachten ist und immer wieder die Diskussion um den Namen der Eiche neu belebt.
Es steht unstrittig fest, dass St. Wendelin, der Schutzpatron von Hirten und Bauern, niemals an diesem Ort gepredigt hat, wie es der Volksmund weiterträgt. Vielmehr gibt es zwei Deutungsmuster: Der Platz um die Eiche könnte eine keltische oder germanische Opferstätte gewesen sein, die nach der fränkischen Landnahme und Christianisierung an Bedeutung verlor. Anstatt den Baum pietätlos zu fällen, könnte er dem Heiligen Wendelin umgewidmet worden sein.