Das dritte "FK:K" im Kesselhaus wurde mit bedeutenden Künstlern abseits des Mainstreams eröffnet.
Man fragt sich schon, wie der soigniert aussehende ältere Herr mit der gepflegten Weißhaarfrisur unter all das jüngere Volk geriet, das sich am Freitagabend vor dem Kesselhaus in der Unteren Sandstraße versammelt hat. Für einen pensionierten Englischlehrer vielleicht könnte man David Moss halten oder den sich progressiv gerierenden Vater einer Studentin. Auf keinen Fall jedoch hätte man ihm zugetraut, was er dann am Mikrophon vorführt: Die im weitesten Sinn als Spoken-Word-Performance zu rubrizierende Vorstellung als wahnsinnig zu bezeichnen, wäre sicher übertrieben, aber sie ist exaltiert. Sehr exaltiert.
Denn das Festival FK:K (Franz Kafka Kesselhaus) hat begonnen. Die eigenwillige Schreibung deutet ebenso wie die des veranstaltenden Vereins "Franz KAfkA" (hinter dem Initialwort verbirgt sich ein Künstlerischer Arbeitskreis für kulturellen Antrieb) auf die Intentionen der Veranstaltungsreihe, die bis zum 16. Juli dauert: Bamberg ein Kunstangebot zu bescheren, das man eigentlich eher einem großstädtischen Ambiente zutraut, "Sound - Musik - Kunst", wie es auf dem Veranstaltungsflyer heißt, abseits des künstlerischen Mainstreams, weit abseits mitunter.
Eigens aus Kanada angereist
Die Bamberger Symphoniker: gut und schön. Diverse Amateurbands: auch gut. Pop-Konzerte: wer's mag. Doch einer mitunter radikalen musikalischen Avantgarde, die alle Genregrenzen überschreitet, fehlt hier der Raum, metaphorisch und im Wortsinne. Mit Hoffen und Bangen schaut die lokale Szene auf den Kunstraum Kesselhaus, um den sich der Verein "Kunstraum jetzt!" seit Jahren bemüht. Ein Ort mit einzigartigem, unverwechselbarem Charme, nicht mehr ganz so roh wie zu Anfang, doch nicht nur für bildende Kunst ideal geeignet, wie der Festival-Eröffnungsabend bewies.
Die Akustik war durchaus zufriedenstellend, auch bei den Endlosschleifen der Violinistin Sarah Neufeld, die eigens aus Kanada angereist war. Es ist erstaunlich, wie die Organisatoren dieses dritten FK:K, Jeremie Gnaedig und Felix Forsbach, eine solche Musikerin - man darf sagen, weltweit bekannt - engagieren (und bezahlen) können.
Was das Letztere angeht: Da helfen diverse Förderer, zu denen unter anderem das Österreichische Kulturforum zählt und auch Stadt und Sparkassenstiftung Bamberg; der sehr günstige Eintrittspreis beruht auf "Spendenempfehlungen", die sich nach dem ökonomischen Aufwand der Veranstalter richten. Neufeld wurde bekannt als Mitglied der kommerziell überaus erfolgreichen Pop-Band Arcade Fire.
Jede Menge Elektronik
Ihre Soloaktivitäten gehen jedoch weit über das Raster einer hitparadentauglichen Simpel-Ästhetik hinaus. Überdeutlich greift sie auf Muster der Minimal Music zurück, jener Kompositionstechnik, für die Namen wie Steve Reich, Terry Riley oder Philip Glass stehen. Der hat auch den Soundtrack zur filmischen Öko-Dystopie "Koyaanisqatsi" komponiert und fürs Kronos Quartet, das mit diesen Streichquartetten 1995 einen Erfolg weit über eingeweihte Kreise hinaus landete. Also wiederholt die Violinistin simple melodische Figuren, die sich langsam, unmerklich fast, verändern. Das Ergebnis ist eine Sphärenmusik, zu der man sich auf den Boden legen und dösen möchte. Dazu trägt diverses elektronisches Equipment bei, wie Hallgeräte oder fett-bratzige Bässe, die mittels Pedal am Synthesizer erzeugt werden. Folk-Feeling wiederum erzeugt sie mit Pizzicato-Geklimper, freilich auch hier gepresst ins Minimal-Schema.
Jede Menge Elektronik verwendet auch "Denseland". Hanno Leichtmann, Hannes Strobl und Frontmann David Moss stehen in der Tradition einer spezifisch berlinischen Krachmusik, die bis zu den "Einstürzenden Neubauten" oder der "Tödlichen Doris" zurückreicht - im Frühjahr war Thomas Kapielski mit Frieder Butzmann in der Villa Concordia mit vollelektronischer Avantgarde zu hören. "Denseland" ist in dieser Hinsicht ein Zwitterwesen: mit E-Bass und Schlagzeug noch konventionelle Instrumente, jedoch mit Drumcomputer und diversen Elektronika bearbeitet und verfremdet. Und da ist ja noch David Moss, dessen brachiale Wortkaskaden auf Englisch man leider kaum dechiffrieren kann, der jedoch allein durch die Artikulation, die zwischen Sprechgesang, Knurren und Schreien changiert, ein Spektakel sondergleichen bietet. In der Tat ein sehr spezielles Ereignis, wie der 70-jährige Wortartist ankündigte, von seinen Begleitern mit harten Beats untermalt.