Im Bamberger Morph Club tobt, flucht und spuckt Matthias Egersdörfer für Zuschauer, die im Alltag nicht mehr toben, fluchen und spucken dürfen. Wirklich lustig ist das aber nicht immer.
Die Idioten sind naturgemäß immer die anderen. Fußball-Präsidenten, die Steuern hinterziehen. TV-Detektive, die in der Waffen-SS gedient haben. Ein Frühling, der sich standhaft zu kommen weigert.
Aber vielleicht ist alleine schon diese Perspektive die Wurzel allen Übels. Realismus ist ja nur eine mögliche Art der Welterfassung, und vielleicht noch nicht einmal die beste. Vielleicht sollte man stattdessen einfach einmal vorbehaltlos Ja zur Welt und den Mitmenschen sagen. Weil man sonst bitter wird. Weil man ansonsten wird wie Matthias Egersdörfer.
Wohin der Fürther Kabarettist seinen Blick auch wendet: Stets sind es Versagen, Stumpfsinn und Kleingeistigkeit, was er sieht. Selbst unter den Besuchern im Bamberger Morph Club findet Egersdörfers Weltverachtung neue Nahrung. Als sei es ihnen auf die Stirn tätowiert, identifiziert der 44-Jährige eben jene Besucher, die seinen zerfaserten Geschichten nicht bis in die letzte Verästelung folgen können oder anstatt Königsberger Klopse immer nur Nudeln kochen.
Diese vermeintlichen Unzulänglichkeiten genügen, um den untersetzen Franken mit schütterem Resthaar in einen rhetorischen Amokläufer zu verwandeln.
Ohnmacht und Größenwahn Über zweieinhalb Stunden grantelte, greinte und hasste Egersdörfer am Donnerstagabend bei seinem Auftritt im gut gefüllten Morph Club. Auf der Bühne pendelt Egersdörfer beständig zwischen Größenwahn und Ohnmacht.
Da fühlt sich einer von der Welt angegriffen und keilt zurück. Mit Worten und einem Verhalten, das den Regeln bürgerlichen Sozialverhaltens Hohn spricht. Das ist immer dann gut, wenn sich Egersdörfer Feinde mit der nötigen Fallhöhe vornimmt. Die Kirche zum Beispiel, die Deutsche Bahn oder auch der eitel um sich selbst kreisende Wissenschaftsbetrieb.
Egersdörfers Humor läuft dagegen hohl, wenn die Gegenstände seines Welthasses zu stereotyp werden. Wer mag noch über einen der Welt abhanden gekommenen Esoteriker mit dem verhängisvollen Faible für Haikus lachen?
Und ab welchem Moment genau wird es unwürdig und vor allem langweilig, sein verkorktes Leben auf die Schulzeit und herrische Lehrer zu schieben? In diesen Punkten offenbart sich auch das grundsätzliche Problem von Egersdörfers Ansatz.
Lustvolle Gefühle Zu oft ersetzt er Wirklichkeit durch rhetorisch aufgeschäumten Hass, an dem in schlechten Momenten beinahe etwas Floselhaftes klebt. Dabei müsste ein Kabarettist doch gerade den entgegengesetzten Weg gehen: von der Floskel zur Wirklichkeit.
Aber, wie gesagt: Wahrscheinlich ist alles eine Frage der Perspektive. Es gibt jedenfalls genügend Gründe, zu Egersdörfer Ja zu sagen, und die Bamberger Zuschauer haben das am Donnerstag in ihrer großen Mehrzahl auch getan. Für sie tobte, spuckte und schrie Egersdörfer, wo sie selbst im Alltag schon längst nicht mehr toben, spucken und schreien dürfen.
Wer die lustvollen Gefühle dahinter ahnt, einfach so "Sau" schreien und sich sogar noch das Adjektiv "dreckige" gönnen zu dürfen - der hat wahrscheinlich verstanden, worum es Egersdörfer am Ende geht.