Mit dem Blutsauger, der E.T.A. Hoffmann am Ende seines Lebens beschäftigte, startet Rezitator Andreas Ulich das literarische Herbstprogramm im einstigen Bamberger Domizil des Genies am Schillerplatz.
Faszinierend ist das "kleine Ungeheuer", dem E.T.A. Hoffmann sein letztes Märchen widmete. In Erscheinung tritt eine Kreatur mit dem Kopf eines Vogels, deren unförmlicher Leib "beinahe die Gestalt einer Haselnuß hatte und mit dunkelbraunen Schuppen bedeckt schien". Das bizarre Wesen begleitete den Poeten in Monaten, in denen eine Nervenerkrankung seinen Körper schon weitgehend lähmte.
Und am morgigen Samstag ergreift der Parasit im E.T.A.-Hoffmann- Haus vor Literaturfreunden das Wort, um sich dann allerdings höchst manierlich vorzustellen: "Ohne weitere Umschweife will ich es Euch entdecken, dass ich kein anderer bin, als der Meister Floh."
Das "Oberhaupt aller Flöhe" Welchen Ärger bescherte der redegewandte Winzling dem Dichter noch kurz vor seinem Tod, nachdem "Meister Floh" gegen die damaligen Demagogenverfolgungen stichelte! Das Manuskript wurde beschlagnahmt, die
Zensur strich diverse Passagen. Was Andreas Ulich nicht daran hindert, mit dem "Oberhaupt aller Flöhe" seine Lesereihe zu starten, die im einstigen Domizil Hoffmanns in den kommenden Monaten stattfindet.
Ab 20 Uhr steht der respektlose Meister am Samstag im Blickpunkt, mit dem sich auch Hans Günter Ludwig befasste. So widmete er dem Protagonisten zwölf Silhouettenschnitte, die noch bis 1. November am Schillerplatz zu bewundern sind. Übrigens musste Hoffmann die letzten Kapitel seines Märchens diktieren, dessen Erscheinen er noch vor seinem Tod am 25. Juni 1822 miterleben konnte. Indes war ihm "eine Lektüre gelungen, die Leser aufs Beste unterhält und ganz nebenbei noch 155 Jahre vor Darth Vader das erste Lichtschwert-Duell beschrieb", so Andreas Ulich.
Als romantischer Erzähler wurde Hoffmann berühmt. Dabei hatte er sich seit seiner Jugend vor allem der Musik und Zeichenkunst verschrieben.
So änderte der Künstler aus reiner Bewunderung für Mozart 1804 auch seinen dritten Vornamen in "Amadeus" um, nachdem er zuvor Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann hieß. Vier Jahre später übernahm das Talent am Bamberger Theater eine Stelle als Musikdirektor.
Auf zahlreiche andere Bewerbungen hatte es nur Absagen gegeben. Wobei Hoffmann seinen Umzug an die Regnitz bitter bereuen sollte, der sich hier auch unglücklich in seine 13-jährige Gesangsschülerin verliebte und dementsprechend zum Narren machte. Die musikalische Seite des Genies lebt im Poetenstübchen am 12. Oktober auf. Dann lädt Andreas Ulich ab 17 Uhr zur musikalisch-literarischen Soiree. "Dabei erklingt neben Auszügen aus Hoffmanns Erzählungen eben jene Musik, die den Poeten inspirierte - gespielt auf dem Pianoforte von 1809."
Gelähmt am Fenster sitzend Im November geht's mit E.T.A.
Hoffmanns "Des Vetters Eckfenster" am Schillerplatz weiter: einer Erzählung, die ebenfalls kurz vor dem Tod des Literaten erschien. Wobei sich der Autor hier von einem Werk des Schriftstellers Karl Friedrich Kretschmann inspirieren ließ, in dem der französische Autor Paul Scarron gelähmt - ebenso wie Hoffmann - am Fenster sitzt und Passanten porträtiert. An den Lehnstuhl gefesselt, betrachtet also auch Hoffmanns "Vetter" das Geschehen, um sich dabei mit einem jungen Besucher auszutauschen.
Den Ich-Erzähler der Geschichte will der Kranke die "Kunst, zu schauen" lehren - als eine der Grundlagen der Schriftstellerei. Und hier kommt Martin Neubauer ins Spiel, der bei den geplanten Lesungen neben Ulich in eine der Rollen schlüpft.
"Zwischendurch wechseln wir und tauschen auch den Veranstaltungsort." So hebt sich für "Des Vetters Eckfenster" nicht nur im E.T.A.-Hoffmann-Haus, sondern auch dem Brentano-Theater der Vorhang.