Erst nahm man den Literaten ihre Stimme, dann ihre Heimat oder gar ihr Leben: Am 7. und 11. November erinnern Heidi Lehnert und Ursula Gumbsch in Bamberg an Autoren, die in der NS-Zeit verfolgt wurden. Ein neuer Stolperstein "gegen das Vergessen" soll auf diesem Weg finanziert werden.
Erich Mühsam: 1933 verhaftet, ins Konzentrationslager Oranienburg verschleppt, nach 16-monatiger "Schutzhaft" von der SS-Wachmannschaft erschlagen. Gertrud Kolmar: 1941 zur Zwangsarbeit verpflichtet, 1943 in Auschwitz ermordet. Irmgard Keun: Verhaftet, gefoltert, nach Holland geflohen, im Versteck den Krieg überlebt, danach als Schriftstellerin vergessen: Drei von zahllosen Künstlern und Literaten, an deren Schicksal
Heidi Lehnert und
Ursula Gumbscham 7. und 11. November erinnern möchten. "Man nahm Menschen ihre Stimme, ihre Heimat, ja ihre gesamte Existenz. Und diesen Menschen widmen wir unsere beiden Lesungen gegen das Vergessen", so die Schauspielerinnen.
Hakenkreuzfahne wehte Blicken wir acht Jahrzehnte zurück: Ins Jahr 1933, als im Bamberger Volksparkstadion am 1. Juli die Bücher brannten. Die Hakenkreuzfahne wehte am Rathaus. Die Lange Straße hieß inzwischen Adolf-Hitler-Straße. - Man hatte Willy Aron als jüdischen Sozialdemokraten in Dachau zu Tode gequält, wohin auch andere Bamberger deportiert wurden, darunter die Stadträte Dennstädt, Grosch, Baier und Schlauch. Noch duldeten die Nazis Luitpold Weegmann als Oberbürgermeister der Domstadt, aber seine Tage in dieser Position waren gezählt. Lorenz Zahneisen drängte Weegmann 1934 aus dem Amt: Als gelernter Dreher, der sich zwölf Jahre später bei der Entnazifizierung gegen eine Einstufung als "Mitläufer" mit dem Hinweis wandte: "Ich war stets aktives Mitglied der Nazi-Partei." Unbelehrbar wie etliche andere, die noch Jahrzehnte nach dem
Krieg dem menschenverachtenden System nachtrauerten.
Gegen rechte Tendenzen "Bis heute gibt es in unserer Gesellschaft rechtes Gedankengut, gegen das man sich offen wenden sollte", sagt Ursula Gumsch in dem Zusammenhang. "Gegen das Vergessen anzulesen" bedeute aber auch all derer zu gedenken, die sich in der NS-Zeit nicht korrumpieren ließen oder dem Unrecht tatenlos zusahen: Darum kommt über die Schauspielerinnen Oskar Maria Graf zu Wort: "Unvergessen ist ja sein Protestschreiben unter dem Titel ,Verbrennt mich'", meint Ursula Gumsch. Ein Brief, der an alle Zeitungen ging, nachdem Grafs Werke nicht den Flammen der Fanatiker zum Opfer fielen, ja als Lektüre sogar empfohlen wurden.
"Nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach", hieß es in dem flammenden Appell, der am 12. Mai 1933 in der Wiener Arbeiter-Zeitung veröffentlicht wurde.
Prophezeiung erfüllt Auf grausige Weise bewahrheitete sich in den folgenden Jahren auch Heinrich Heines düstere Prophezeiung, die der letzte Romantiker in seiner 1823 erschienenen Tragödie "Almansor" schrieb: "Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen."
Mit ihren beiden Lesungen unterstützen die Bamberger Schauspielerinnen auch eine Initiative der
Willy-Aron-Gesellschaft, die am 7. Dezember 2004 mit der Verlegung des ersten "Stolpersteins gegen das Vergessen" für Willy Aron begann. Mittlerweile wuchs die Zahl der Messingplatten auf weit über 100, die aber "noch lange nicht an alle Bamberger Opfer der Nationalsozialisten erinnern", wie es auf der Homepage der Willy-Aron-Gesellschaft heißt. Um einen weiteren Stolperstein zu finanzieren, stiften Gumbsch und Lehnert also einen Teil der Eintrittsgelder. Musikalisch unterstützt werden sie an beiden Abenden von der Combo Klezmerla. Die Lesungen beginnen im Club Kaulberg am 7. und 15. November jeweils um 20 Uhr. Tickets sind über den BVD im Vorverkauf erhältlich.
Stolpersteine finanzieren Wer sich selbst an der Stolperstein-Initiative der
Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg beteiligen möchte, kann sich übrigens jederzeit an die Verantwortlichen unter stolpersteine@willy-aron-gesellschaft.de wenden. Auch die Übernahme einer "Stolperstein"-Patenschaft" ist für 120 Euro möglich.