Leben aus dem "Nichts" in der Landschaft um Bamberg

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Eine "Pfütze" voller Leben, wenn man näher hinschaut Fotos: Dieter Grams
Eine "Pfütze" voller Leben, wenn man näher hinschaut Fotos: Dieter Grams
Eine Gelbbauchunke von unten
Eine Gelbbauchunke von unten
 

Kleingewässer bringen eine kaum geahnte Artenvielfalt in den Wald. Ein Blick auf die Landschaft um Bamberg.

Ein Förster muss vieles sein - Landschaftsgärtner, Biologe, Jäger, Organisator, Projektleiter, PR- und Rechtsexperte, Ombudsmann, Mediator und Vermittler, wenn gegensätzliche Interessen aufeinanderprallen, und - Teichwirt. Berthold Schultheiss, zuständig für das Forstrevier Bamberg, ist ein Mann, der diese vielen Ichs in sich vereinigt. "In der Tat", gesteht er lachend und augenzwinkernd, "wir sind Universal-Dilettanten. Wir können alles, aber nichts richtig."

Eine Aussage, die der Profi selbst in gleichem Atemzug ad absurdum führt, als er die von ihm im Bruderwald, im Michelsberger Wald und im Birkacher Forst neu angelegten Feuchtbiotope präsentiert und dabei Begriffe wie Himmelsweiher, Zeigepflanzen, Bio-Diversität, Uferstrukturen, Staukörper, Pulverholz, Pfeifengras oder Igelstachelbart zunächst einmal wie bunt schillernde Libellen über und um das erstaunlich klare Wasser schwirren.

Hinter all dem verbirgt sich eine Schatzkammer der Evolution, die einer nur an Leistung, Profit, Dax-Werten und immer atemberaubender werdenden Husarenritten auf allen möglichen Daten-Autobahnen und möglichst detailgetreuen Massakern auf dem Bildschirm orientierten Gesellschaft freilich verborgen bleibt. Entschleunigung heißt das Zauberwort. "Es gibt viele Stimmen aus der Bevölkerung, die diese Biotope bejahen, ausdrücklich begrüßen, und gerne stehen bleiben", so Schultheiss.


8 Milliarden Lebewesen

Bio-Vielfalt. Nicht nur einfach Wald, sondern auch Wasser mit all seiner Artenvielfalt.Massaker können allerdings auch da stattfinden. "In einer Hand voll humoser Walderde gibt es ca. 8 Milliarden Lebewesen, so viel wie es Menschen auf der ganzen Erde gibt", erklärt der Förster. Das Verdichten der Böden, des eigentlichen Produktionskapitals in einem bewirtschafteten Wald, sei schlicht tödlich. Aus diesem Grund seien alle Nutzer verpflichtet, mit ihrem schweren Gerät die Rückegassen nicht zu verlassen.

"Der Wald ist ein Wasserspeicher par excellence. Zwei Drittel unseres Trinkwassers kommt aus dem Wald. Er speichert und gibt langsam wieder an die Unterläufe ab." 29 Feuchtbiotope hat Schultheiss in 30 Dienstjahren angelegt. "Also eigentlich einen zu wenig", sagt er, denn eine "Pfütze" pro Dienstjahr ist sein Ziel.

Eine Pflichtaufgabe ist das nicht, wird aber gleichwohl als eine Leistung für das Gemeinwohl vom Freistaat gefördert und bezuschusst. Die in den Bamberger Revieren angelegten "Himmelsweiher" bewegen sich zwischen einem und eineinhalb Meter Tiefe und sind nicht größer als 2 bis 300 Quadratmeter, und damit genehmigungsfrei. Wenn die Fläche nach den vorher festgelegten Strukturen modelliert ist, Flach- und Tiefwasserbereiche, Steil- oder Flachufer, Inseln, Tümpel oder Gräben, heißt es erst einmal warten. Warten auf Regen, der die kleinen Weiher befüllt.

Die besten Standorte verrät die Natur dem Fachmann durch Zeigepflanzen wie Pfeifengras, Binsen oder Faulbaum (Pulverholz) selbst. Diese "Verräter" sind ein sicheres Indiz für einen in der Erde befindlichen, unsichtbaren Staukörper, meistens eine feuchte Tonschicht, der geeignet ist, das aufgefangene Niederschlagswasser auch zu halten. Tatsächlich sei keines der Biotope trotz der extremen Temperaturen im Sommer ausgetrocknet, so Schultheiss.

Zusammen mit Licht und Erde entsteht neues Leben - wie aus dem Nichts. Glocken- und Rädertierchen und andere Bakterien besiedeln die Tümpel bereits nach wenigen Stunden. Algen, Bakterien und Pflanzenreste bilden wiederum die Nahrungsgrundlage für größere Tiere. Krebse, Daphnien (Wasserflöhe), Schnecken und Insektenlarven tummeln sich schon nach wenigen Tagen im Wasser. Ganz ohne menschliches Zutun bildet sich ein sensibles Ökosystem; Lebensgemeinschaften, die ohne Wasser undenkbar wären. Ein Mosaik, in dem ein genetischer Austausch stattfindet.

Laichkörner kommen per Lufttpost, zum Beispiel durch einfallende Enten. Es gibt Sitzwarten für Vögel, einen Tiefpunkt, der garantiert niemals zufriert, und zurückgelassene Stöcke und Äste, wo Molche, Frösche, Kröten oder die selten gewordene Gelbbauchunke ihren Laich geschützt ablegen können. Fische gibt es in den künstlich angelegten Kleingewässern nicht. Aber ganz in der Nähe könnte man vielleicht auf einen Igelstachelbart treffen. Ein Pilz, der klettern kann.