Josef Dickert ist begeisterter Ministrant, mit Pfarrer Michael Morawietz verbindet ihn eine Freundschaft. Beide sind sie Teil der Landkreiswette.
Bei der Landkreiswette gibt es eigentlich keine Verlierer, dafür viele Gewinner. "Der Landkreis Bamberg und seine Gemeinden schaffen es nicht, dass sich innerhalb eines Jahres 1964 Bürger für Inklusion engagieren!" - Mit dieser Aussage hatte im Juni 2018 das Team von Integra Mensch, einem Bereich der Lebenshilfe, die Bürgermeister herausgefordert. Plakativ, aber auch mit einem Augenzwinkern stellte sich Kuno Eichner, Leiter von Integra Mensch, gegen den Bamberger Landrat Johann Kalb. Anlass der Landkreis-Wette war, dass die Lebenshilfe Bamberg im Jahr 1964 von Eltern gegründet wurde, weil ihre Kinder mit Behinderung von allen gesellschaftlichen Bereichen ausgegrenzt waren. Da stellt sich die Frage: Wie sieht es heute aus? Wie inklusiv ist der Landkreis Bamberg?
Johann Kalb nahm die Wette an und zeigte sich optimistisch: "Klar, dass wir die Wette gewinnen werden." Zum einen gelinge es Integra Mensch seit Jahren, die Bürger im Raum Bamberg auf die richtige Weise anzusprechen und für Inklusion zu begeistern. Zum anderen habe auch die Politik die richtigen Weichen gestellt. "Wir halten das Konzept von Integra Mensch für das Modell der Zukunft." Nach elf Monaten ist die Entscheidung nun bereits gefallen: Die angepeilte Anzahl der Bürger, die sich für die Inklusion von Menschen mit Handicap stark machen, wurde erreicht. Groß und bunt ist die Palette an Erfolgsgeschichten, die wir in den vergangenen Monaten bereits vorstellen durften.
Engagierter Messdiener
Ein Beispiel für gelungene Inklusion findet sich auch in der kleinen Dorfpfarrei St. Sebastian in Peulendorf, die zur katholischen Pfarrgemeinde St. Kilian Scheßlitz gehört. Hier verrichtet Josef Dickert seinen Dienst als Ministrant. Der mittlerweile 18-Jährige kam mit dem Down-Syndrom zur Welt und besucht derzeit die Bertold-Scharfenberg-Schule der Lebenshilfe in Bamberg. Auf den Geschmack gekommen ist Josef durch seinen Bruder André, der ebenfalls Ministrant in Peulendorf war.
Anfangs sorgte der Bruder für die notwendige Sicherheit bei seinem Dienst in der Kirchengemeinde. Mittlerweile kommt Josef sehr gut alleine zurecht und ministriert immer, wenn er eingeteilt ist. "Er freut sich auf seinen Einsatz in der Kirche und ist deshalb oft schon eine Stunde vor dem Gottesdienst dort", weiß seine Mutter. Josef Dickert geht immer selbständig zur Sakristei. Dort treffen sich die Messdiener vor dem Gottesdienst. In dem kleinen Raum nehmen sie ihr liturgisches Gewand in Empfang, ziehen sich um und bereiten sich auf die Messe vor. Josef steht dann die Vorfreude aufs Ministrieren bereits ins Gesicht geschrieben. Er marschiert dann voller Elan in den Altarraum. Auch wenn er vor vielen Menschen steht, ist er kein bisschen aufgeregt, denn Josef fühlt sich in seiner Pfarrgemeinde angenommen: "Wir sind alle wie eine große Familie. Das ist das, was mir gefällt."
Die Minis, wie sie oft genannt werden, übernehmen wichtige Handreichungen im Gottesdienst und unterstreichen damit das liturgische Geschehen. Seine Aufgaben während des Gottesdienstes meistert Josef mit Bravour. Dazu gehören zum Beispiel bei der Gabenbereitung das Überreichen von Brot und Wein, sowie das Läuten mit den Schellen bei der Wandlung. Er erfüllt als Ministrant aber nicht nur im Gottesdienst viele wichtige Aufgaben, sondern auch bei den kirchlichen Festen und Bräuchen. So trägt er zum Beispiel das Kreuz bei Prozessionen oder ist auch als Sternsinger unterwegs. Derzeit gibt es in Peulendorf nur drei Jugendliche, die sich als Ministranten aktiv einbringen. Auch deshalb ist sein Einsatz so wichtig.
Pfarrer Michael Morawietz lobt das Engagement: "Wir dürfen froh und dankbar sein, dass wir Kinder und Jugendliche haben, die sich als Ministranten für die Kirchengemeinde engagieren." Für ihn ist die Inklusion eine Selbstverständlichkeit. "Warum sollen Kinder und Jugendliche mit Behinderung nicht Messdiener werden?" Gerade in den Pfarrgemeinden gebe es viel Offenheit für dieses Thema. Auch der Zusammenhalt bei den Ministranten sei sehr hilfreich. Josef Dickert und Michael Morawietz verbindet mittlerweile eine kleine Freundschaft. Der Pfarrer betont in der Kirche: "Ich freue mich, dass ich Josef kennenlernen durfte und diese Freundschaft ein Leben lang gilt." Auch die Peulendorfer Kirchgänger haben Josef längst schätzen gelernt. "Ich finde es super, dass er ministriert. Einfach klasse. Er hat auch schon eine Fürbitte im Dom vorgelesen", sagt eine Gottesdienstbesucherin. Die Kirchengemeinde könne in Sachen Inklusion beispielhaft für andere Pfarrgemeinden sein.
"Die Landkreis-Wette hat deutlich gemacht, welche Bereiche in Bewegung gesetzt werden können, damit Menschen mit Handicap nicht länger nur zum Zuschauen verdammt sind", sagt Kuno Eichner von Integra Mensch. Auch wenn die vielen Erfolgsgeschichten nicht darüber hinwegtäuschen dürften, dass noch viele Schritte notwendig sind, habe die Landkreis-Wette gezeigt: In den Köpfen der Bürger ist etwas in Bewegung geraten. Bevor am Ende die Sektkorken knallen und die Kontrahenten Kalb und Eichner auf einen gemeinsamen Sieg anstoßen, wird es noch Zeit für ein Resümee in Sachen Landkreis-Wette. "Eines ist aber schon jetzt klar", sagt Landrat Kalb: "Gewonnen haben alle Menschen in unserem Landkreis Bamberg."