Ein 56-Jähriger aus dem Landkreis hat die Tochter seiner Lebensgefährtin missbraucht. Dafür muss er nun ins Gefängnis.
Keiner will etwas mitbekommen haben von den sexuellen Übergriffen durch Pal R., denen Anne L. (Namen geändert) über mehr als zwei Jahre ausgesetzt war. Aber nach elfeinhalb Stunden Verhandlung steht für das Jugendschöffengericht am Amtsgericht Bamberg fest: R. hat die Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin mehrfach sexuell missbraucht und einmal auch vergewaltigt. Dafür wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet, R. muss für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis.
Das Mädchen war zur Zeit der ersten Taten zwischen 13 und 14 Jahre alt. Die Handlungen, wegen denen R. nun verurteilt worden ist (unter anderem penetrierte er sein Opfer mit dem Finger und mit Sexspielzeug), fanden im Zeitraum von März 2013 bis August 2015 statt. Deshalb gilt für R. noch das ältere Sexualstrafrecht, Nach der 2016 erfolgten Gesetzesänderung hätten vier der abgeurteilten Fälle als Vergewaltigung gegolten.
Auf Antrag des Nebenklage-Vertreters Felix von Pierer findet die Vernehmung der heute 19-jährigen Anne L. unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dass während der Aussage seiner Mandantin auch Pal R. den Gerichtssaal verlassen muss, kann er auch mit dem Hinweis auf eine vor kurzem erfolgte Herz-OP L.s nicht erreichen.
"Wir machen alles, um Ihnen diese Aussage zu erleichtern, aber wir müssen auch die Rechte des Angeklagten im Blick haben", erläuterte Richter Martin Waschner. Denn wie so oft, wenn es um Sexualdelikte geht, steht in diesem Verfahren Aussage gegen Aussage. Auf der einen Seite der Angeklagte Pal R., der durch seine Pflichtverteidigerin Mareen Basler erklären ließ: "Mein Mandant bestreitet, dass es zu Übergriffen gekommen ist." Die zur Last gelegten Taten hätten nicht stattgefunden. Noch in seinen letzten Worten vor dem Urteil beteuert R. seine Unschuld.
Auf der anderen Seite steht die schwere Anklage von Anne L., die sich erst Jahre nach den Taten anderen anvertrauen konnte. Als Annes Vater Ende 2012 ausgezogen war, hatte Pal R. ihre Mutter und die beiden Kinder Anfang 2013 in seine Wohnung im westlichen Landkreis Bamberg aufgenommen. Für Nachbarn und Freunde schien sich ein neues Familiengefüge zu bilden. Struktur und Nähe, die die Kinder lange vermisst hatten. Doch bald schon überschritt R. immer wieder Grenzen und nutzte die Situation des Mädchens schamlos aus, wenn die Mutter im Schichtdienst arbeitete und der Bruder schlief. Anne L.s Mutter habe davon nichts gewusst und glaubt ihrer Tochter bis heute nicht. Mit strengen Regeln versuchte sie, Anne zu erziehen. Nur L.s damaliger Freund und eine gute Freundin wundern sich, dass Pal R. ihr wie im Spaß schon mal einen Klaps auf den Hintern gibt. Dass da schon viel mehr geschehen ist, wissen sie nicht.
Im November 2015 zieht L. zum leiblichen Vater und dessen Freundin. Ihr vertraut sie sich im Januar 2016 erstmals mit den Worten "Er hat mich angefasst" an, wenige Monate später auch einer Jugendpsychologin. L. hatte in dieser Zeit begonnen, sich selbst zu verletzen, berichtet von den Schlägen der Mutter, Mobbing in der Schule - und schließlich auch von den sexuellen Übergriffen durch Pal R. Anzeigen will sie ihn aber erst, wenn sie 18 Jahre alt ist. Nicht zuletzt, weil sie fürchtet, dass ihr Vater R. etwas antut.
Doch im August 2016 kommt es zum Aufeinandertreffen bei einem Schulfest. Anne L. singt im Chor, Pal R. ist mit ihrem Bruder dort. Als sie ihn sieht, ist Anne völlig aufgelöst. "Sie war blass und zittrig, da klingelten bei mir alle Alarmglocken", sagt ihr Vater. Er stellt seine Tochter zur Rede und geht dann mit ihr zur Polizei.