Jahrestag im Bamberger "Chefarzt-Prozess"

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Mal mehr mal weniger Zuhörer wohnen dem Bamberger "Chefarzt-Prozess" bei. Das Archivbild entstand in einer Verhandlungspause) Foto: FT
Mal mehr mal weniger Zuhörer wohnen dem Bamberger "Chefarzt-Prozess" bei. Das Archivbild entstand in einer Verhandlungspause) Foto: FT

48 Verhandlungstage mit 96 Zeugen und das Ende ist nicht absehbar: Der Bamberger "Chefarzt-Prozess" geht in die Justizgeschichte ein.

"Das wird kein kurzer Prozess" prognostizierte die FT-Lokalredaktion Anfang Juni 2015. Damals zeichnete sich schon ab, dass der Indizien-Prozess gegen den früheren Bamberger Chefarzt Heinz W. (50) so schnell nicht beendet sein würde. Jetzt geht der Prozess endgültig in die Bamberger Justizgeschichte ein: Er hat vor genau einem Jahr begonnen.

Seit 7. April 2015 muss sich W. vor der Zweiten Strafkammer verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem zweifachen Familienvater Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung, sexuelle Nötigung und die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereich durch Bildaufnahmen vor. Insgesamt 13 Frauen, vorwiegend Patientinnen der von ihm geleiteten Gefäßklinik sowie Mitarbeiterinnen im Klinikum am Bruderwald, soll er zwischen 2008 und 2014 unter Ausnützung seiner Vertrauensposition sexuell missbraucht haben.

Der 50-jährige Mediziner und seine drei Verteidiger wehren sich vehement gegen die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft erhebt. W. hält sich für ein Opfer angeblich einseitiger Ermittlungen und einer medialen Vorverurteilung. Er sitzt seit Mitte 2014 in Untersuchungshaft.

Seit 7. April haben 48 Verhandlungstage gegen W. im Bamberger Schwurgerichtssaal stattgefunden. Es wurden 96 Zeugen angehört, manche mussten mehrmals aussagen. Auch die erfahrensten Juristen im Gerichtsgebäude am Wilhelmsplatz können sich nicht erinnern, dass es schon einmal ein Strafverfahren ähnlicher Dimension gegeben hat. Prognosen, wann mit einem Urteil im sogenannten Chefarzt-Prozess zu rechnen ist, wagt niemand mehr.

Momentan hat der Vorsitzende Richter, Manfred Schmidt, weitere Sitzungstermine bis Mitte Juni angesetzt. Verhandelt wird seit Monaten nur dienstags und mittwochs, weil das die einzigen Wochentage sind, an denen so ziemlich alle zwingend Beteiligten Zeit haben.


Die mutmaßlichen Opfer leiden

Für die zwölf mutmaßlichen Opfer stellt die lange Prozessdauer inzwischen eine große zusätzliche Belastung dar. Daran lassen die Rechtsanwälte Martin Reymann-Brauer (Erlangen) und Jürgen Scholl (Schweinfurt), die insgesamt sieben der Frauen vertreten, keinen Zweifel. Beide betonen, dass W.s Verteidigungsstrategie zulässig sei und, dass für jeden Angeklagten die Unschuldsvermutung zu gelten habe, bis er rechtskräftig verurteilt ist.

Aus der Sicht der mutmaßlichen Opfer stelle sich dieses Verfahrensprinzip, das den Angeklagten schützt, freilich anders dar, so Reymann-Brauer: "Denn die Opfer haben die Taten des Angeklagten persönlich erlebt. Deshalb ist ein die Tat bestreitender Angeklagter auch einer, der das Erleben der Opfer und ihre Glaubhaftigkeit in Frage stellt."

Die Dauer des Prozesses und die große öffentliche Aufmerksamkeit führe dazu, dass die Frauen über einen langen Zeitraum immer wieder mit den Taten konfrontiert würden, sowohl für sich selbst, als auch im sozialen Umfeld, gibt der Erlanger Rechtsanwalt zu bedenken. Für die Betroffenen dauere damit auch "das Stigma der Unglaubhaftigkeit" an.

Für seine Mandantin sei die Beweislage eindeutig, sagt Jürgen Scholl. Umso weniger könne sie nachvollziehen, dass das Verfahren auch nach einem Jahr noch nicht zu Ende ist.

Am Mittwoch, 6. April, soll im "Chefarzt-Prozess" unter anderem der psychiatrische Sachverständige zu Wort kommen. Professor Norbert Nedopil wird sein Gutachten voraussichtlich in nichtöffentlicher Sitzung vortragen.