Große Vielfalt, kleines Budget: Die freie Theaterszene in Bamberg sieht sich benachteiligt

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120 000 Zuschauer im Jahr. Die freie Theaterszene in Bamberg hat weit mehr Publikum als das E.T.A.-Hoffmann-Theater. Foto: Denis Meyer,
120 000 Zuschauer im Jahr. Die freie Theaterszene in Bamberg  hat weit mehr Publikum als das E.T.A.-Hoffmann-Theater. Foto: Denis Meyer,

120 000 Zuschauer im Jahr besuchen die Vorstellungen der freien darstellenden Künstler aus Bamberg. Die öffentliche Förderung hält da nicht mit.

An diesem Morgen hat Hans-Günter Brünker in der Grafensteinstraße geprobt. Für vier Wochen nutzt dort der Fränkische Theatersommer in die Räume von Chapeau Claque, um sich auf die Rokoko-Komödie "Das Spiel von Liebe und Zufall" vorzubereiten. Man hilft sich gegenseitig aus in der vielfältigen freien Bamberger Theaterszene - und vertritt nun auch verstärkt gemeinsame Positionen.

Dafür hat sich vor einigen Monaten eine Interessengemeinschaft (IG) Freie Darstellende Künstler formiert, für die Brünker feststellt: "Wir sind überzeugt, dass die Stadt ein ungeheures Potenzial ungenutzt lässt." Er hat Besucherzahlen erfasst, vom Theater im Gärtnerviertel, von Wildwuchs, Zeitsprung und von vielen anderen Theatergruppen im Stadtgebiet. "Obwohl die Datenerhebung noch nicht vollständig ist, wird daraus ersichtlich, dass diese freien darstellenden Künstler jährlich mehr als 120 000 Zuschauer bespielen, davon gut die Hälfte in der Stadt Bamberg."

Das seien zusammen deutlich mehr Besucher als das E.-T.-A.-Hoffmann-Theater hat. Während aber dieses städtische Theater im Jahr mit drei Millionen Euro bezuschusst wurde, müsse die gesamte freie Theaterszene mit einer Förderung von 40 000 Euro auskommen. Für Kulturbürgermeister Christian Lange (CSU) ist das allerdings "wie ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen, hier stimmen die Bezugsgrößen nicht". Doch habe Bamberg gerade auch im Bereich der freien Theaterszene "sehr viel, worauf wir stolz sein können".

Der Globalbetrag Kultur, der in seiner Zeit als Kulturbürgermeister schrittweise von 171 000 Euro auf 225 000 Euro erhöht worden sei, setze hier die Grenzen. Ein noch höherer Globalbetrag sei wohl nicht realisierbar, denn "wir haben auch eine gesamtstädtische Verantwortung". Lange weist auch auf andere Fördermöglichkeiten, etwa über die Sparkassenkulturstiftung oder die Bürgervereine, hin. "Tatsächlich beruht die Vielfalt der freien Kunstszene in Bamberg zum einen auf einem außerordentlichen ehrenamtlichen Engagement und zum anderen auf der Bereitschaft professioneller Künstler, unter oft prekären Bedingungen tätig zu sein", stellt hingegen Brünker fest. Durch eine bessere Förderung könne sich die Szene sowohl inhaltlich als auch qualitativ weiter entwickeln. Laiengruppierungen würden sich neue Möglichkeiten eröffnen und professionelle Künstler, die aus finanziellen Gründen ihre Schaffenskraft nur teilweise der Kunst widmen können, könnten die Bamberger Kulturszene noch nachhaltiger bereichern.

Wenig Spielraum

Die IG fordert nun fünf Prozent der Förderung des E.-T.-A.-Hoffmann-Theaters, das wären etwa 150 000 Euro im Jahr. "Wir wollen denen nichts wegnehmen. Es geht nur darum, aufzuzeigen, wie stiefmütterlich die freien Künste in Bamberg derzeit behandelt werden", sagt Brünker. Er und seine Mitstreiter fordern strukturelle Veränderungen im Bereich der Förderung, in der dann alle theaterrelevanten Kosten, nicht nur die jeweiligen Projekte, enthalten sein sollen.

Kulturamtsleiterin Annemarie Renz-Sagstetter macht deutlich, dass sie wenig Spielraum hat: "Wir können maximal 30 Prozent der beantragten Förderung bewilligen. Und ein Großteil der Mittel, nämlich 147 000 Euro, entfallen ohnehin schon auf die institutionelle Förderung."

Das bekommt immer wieder auch das Theater im Gärtnerviertel (TiG) zu spüren. Statt beantragter 9500 Euro gibt es auch in diesem Jahr nur 2000 Euro. "Das Problem gibt es, seit wir diese Anträge stellen", sagt Nina Lorenz (TiG). "Wenn wir dann deutlich weniger bewilligt bekommen, bereitet uns das wirklich Schwierigkeiten." Um die Schauspieler bezahlen und die weiteren notwendigen Ausgaben überhaupt bestreiten zu können, müssten sich die Macher dann auf die mühsame Suche nach zusätzlichen Sponsoren machen. "Es ist gut, jetzt geschlossen aufzutreten und unsere Ziele ins Bewusstsein zu rücken, die Besucherzahlen stimmen ja", sagt Lorenz. "Wir sehen ja auch, was die für gute Arbeit leisten. Aber mehr ist einfach nicht drin", sagt Renz-Sagstetter. Ginge es allein nach den Anträgen, könne sie leicht auch das Doppelte ausschütten, aber dafür sei das Geld nicht da.

Es geht aber längst nicht nur um Fördersummen. Der Interessengemeinschaft, der mittlerweile 30 Theater und sonstige Gruppierungen sowie 20 Einzelpersonen mit eigenem Programm angehören, schwebt ein "Haus der Freien Darstellenden Kunst" vor, das professionellere Arbeitsbedingungen für die vielfältigen freien Gruppen bieten, die Szene untereinander vernetzen und auch für überregionale Vernetzung und Förderung sorgen soll. Bis ein solches Haus geschaffen ist, fordert die IG die kurzfristige Bereitstellung von Räumlichkeiten für Proben und Auftritte.

Die Interessengemeinschaft sucht derweil das Gespräch mit den Stadtfraktionsfraktionen, auch mit Kulturbürgermeister Lange gab es bereits einen ersten Austausch. "Es war ein gutes, harmonisches Gespräch", sagt Lange. Man wolle auch die Ziele der IG in die Weiterentwicklung von Kulturförderrichtlinien und Kulturentwicklungsplan mit einfließen lassen. Was die Raumproblematik angeht, bringt er mittelfristig das Kesselhaus ins Spiel. Dort ließen sich laut Lange viele Bedarfe abdecken. "Das Thema Kesselhaus ist weiterhin ein wesentliches Ziel meiner Kulturpolitik."

Provisorien gesucht

Das setze jedoch ein wohldurchdachtes Betriebs- und Nutzungskonzept voraus. Ein zweites Zentrum könne dann im Bamberger Osten, in der früheren Reit- und Posthalle auf dem Lagarde-Campus entstehen. Freilich lassen sich solche Pläne erst in einigen Jahren verwirklichen. Auch Brünker fände das "wahnsinnig spannend.

Doch zunächst sind andere Lösungen gefragt. "Es tut sich ja schon einiges in der Stadt", sagt Lange. Er verweist unter anderem auf das Krackhardt-Haus oder die "Kufa", den neuen Spielort der Lebenshilfe. Brünker ist derweil froh, dass der Fränkische Theatersommer in der Grafensteinstraße proben kann. Dort übt sonst Chapeau Claque die eigenen Stücke ein, berichtet Heidi Lehnert. Auch sie hat sich der Interessengemeinschaft angeschlossen: "Wir wollen nur ein wenig Hilfe gegen die Selbstausbeutung." Und viele Gruppen seien auf der Suche nach Proberäumen. "Ein Raum, den man heizen kann und der vielleicht noch über eine Toilette verfügt, würde den meisten schon reichen."

Atrium als Spielstätte

Lehnert kann sich wie Brünker vorstellen, dass es in Bamberg noch Orte gibt, an deren Nutzung als Proben- oder Aufführungsort noch keiner gedacht hatten. Das könnten leerstehende Industriebauten sein - oder das schlummernde Atrium. "Es geht ja meist um kurzfristige Sachen, ein Stück soll zum Beispiel im Juni aufgeführt werden und im Mai muss es geprobt werden", erklärt Heidi Lehnert.