Gebärdendolmetscherin in Bamberg: mit den Händen reden

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Evelyn Ueding war beim Neujahrsempfang der Stadt Bamberg als Gebärdendolmetscherin zu sehen. Foto: Barbara Herbst
Evelyn Ueding war beim Neujahrsempfang der Stadt Bamberg als Gebärdendolmetscherin zu sehen.  Foto: Barbara Herbst
Eine kleine Vorführung: Gebärden sind immer mit einem starken Ausdruck verbunden. Foto: Ronald Rinklef
Eine kleine Vorführung: Gebärden sind immer mit einem starken Ausdruck verbunden.  Foto: Ronald Rinklef
 

Evelyn Ueding erklärt, warum in der Kommunikation zwischen Hörenden und Gehörlosen gerade emotionale Situationen viel Fingerspitzengefühl erfordern.

Sie war in der Stadtbücherei, der Volkshochschule und etlichen anderen Veranstaltungen. Woher kennt man diese Frau? Sie ist überall dort, wo das Thema Inklusion eine Rolle spielt. Sprich, die Einbeziehung aller Menschen in die Gesellschaft. Das ist die richtige Fährte... Die 50-Jährige mit der sonoren Stimme ist überall dort zu finden, wo sie anderen eine Stimme gibt - beziehungsweise ihnen ihre Ohren leiht.

Evelyn Ueding ist Gebärdendolmetscherin. Sie sorgt dafür, dass sich Hörende und Gehörlose verstehen und miteinander verständigen können. Das tut sie nicht nur im kleineren Kreis, wie dem städtischen Behindertenbeirat, sondern auch ganz öffentlichkeitswirksam - vor hunderten Zuhörern beim Neujahrsempfang der Stadt Bamberg.


Eigentlich Gehörlosenlehrerin

Wenn sie dort dolmetscht, ist das sozusagen ihr Nebenberuf.
Gleichwohl begleitet sie die Gebärdensprache täglich, denn im Hauptberuf ist die Wahlbambergerin Gehörlosenlehrerin. "Ich unterrichte hörgeschädigte Kinder an der Von-Lerchenfeld-Schule." Sie selbst hat ihr Handwerk vor fast 30 Jahren gelernt, sich seitdem immer wieder fortgebildet. Das ist Pflicht in dem Beruf. Für jede Weiterbildung gibt es Punkte, von denen Gebärdendolmetscher alle zwei Jahre eine bestimmte Anzahl nachweisen müssen.

Die Seminare würde Evelyn Ueding auch in sich aufsaugen, wenn sie auf freiwilliger Basis wären. So, wie vor vielen Jahren, als es noch keine spezifizierten Ausbildungsangebote oder gar Studiengänge für Gebärdensprachdolmetscher gab. Heute ist die Nachfrage nach Fachleuten größer denn je, "das Thema Inklusion ist überall", sagt Ueding. Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet und sich damit der Umsetzung von Inklusion verpflichtet. Auch die Gesellschaft setzt sich mehr mit dem Thema auseinander, wie die Gebärdendolmetscherin bemerkt. Sie und ihre Kollegen sind in Schulklassen etwa als "Sprachmittler" gefragt und werden bei Veranstaltungen eingesetzt. Im Fernsehen wurde eine Folge der Krimireihe "Tatort" gesendet, in dem Gehörlose Hauptrollen spielten.


Gesellschaftliche Relevanz

Trotz der gesellschaftlichen Relevanz gibt es aus Sicht von Ueding noch immer einen Mangel an ausgebildeten Fachleuten. In ganz Bayern wisse sie von 95, in Oberfranken von vier Kollegen. Von diesen arbeiten zwei im Hauptberuf. Es ist eine Arbeit, die die 50-Jährige als "total spannend" und "wahnsinnig abwechslungsreich" beschreibt.

Andererseits fordert der Beruf eine außergewöhnlich ausgeprägte Konzentrationsfähigkeit und Improvisationstalent, wie Ueding sagt. "In vielen Bereichen fehlen zum Beispiel einfach noch Fachwörter". Und: "Wir sind Sprachmittler, keine Betreuer. Die Leute, die wir begleiten, sind selbstständig und möchten direkt angesprochen werden." Sie erinnert sich an die Situation, als ein hochbegabter Akademiker von einem Hörenden wie ein kleines Kind behandelt worden sei. Andererseits weiß Ueding auch um die Unsicherheiten im Umgang miteinander. Sie spricht vom emotionalen Verhalten, das ebenfalls richtig übersetzt sein will, von kulturellen Unterschieden. Ja, "es gibt eine eigene Gehörlosenkultur". Beispiel: Eine gehörlose Mutter hat ein hörendes Kind, das an die Regelschule geht."Die Lehrerin findet, dass beim Kind sprachlich noch etwas passieren muss. Die Mutter sieht dagegen die gebärdensprachliche Kompetenz ihres Kindes und wundert sich." Sie regt sich "ein bisschen" auf, die Hände gestikulieren. "Die Lehrerin denkt, die Frau ist total wütend, dabei ist das gar nicht so", erläutert Evelyn Ueding.

Es gilt, nicht einfach nur zu übersetzen, sondern auch zu verstehen. Sei es beim Elternabend, bei der Vereinsversammlung oder beim Arztbesuch.


Gebärdendolmetscher buchen

Wer einen Gebärdendolmetscher braucht, kann ihn buchen. Eine Anlaufstelle ist das sogenannte Gehörloseninstitut Bayern (GIB), oder in Oberfranken der Paritätische Wohlfahrtsverband in Bayreuth.
Allerdings stellt sich als erstes die Frage, ob sich ein Dolmetscher findet, der noch Kapazitäten hat. Die zweite: wie er bezahlt wird. "Das ist ein wahnsinnig komplexes Thema und sogar in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt", sagt Ueding. Mal zahlt die Kommune, mal die Arbeitsagentur, mal die Krankenkasse - oder auch nicht. "Wer ein Auto kaufen will und eine Dolmetscherin braucht, zahlt natürlich privat."

Warum können sich Gehörlose und Hörende eigentlich nicht einfach mit Hilfe der Schrift verständigen? "Weil die Gebärdensprache eine mündliche ist und eine ganz eigene Grammatik hat", erklärt die Fachfrau. Jeder Gehörlose muss die Schriftsprache komplett neu lernen. "Auch beim Lippenlesen versteht man maximal 30 Prozent. Um den Rest lesen zu können, muss man Deutsch können."

Dies lehrt die 50-Jährige unter anderem im Hauptberuf. Sie selbst lernt auch stetig dazu, etwa, wenn sie von Gehörlosen eine "Rückmeldung zur eigenen Leistung" erhält, wie sie es formuliert. "Da findet zum Beispiel eine wichtige Diskussion zwischen Gehörlosen und Hörenden statt. Wenn ich merke, die Gehörlosen beißen sich richtig fest, sind voll dabei - dann ist das eine Diskussion auf Augenhöhe."