Seit 100 Jahren verfügt Hallstadt über eine öffentliche Bücherei, die erste im Landkreis. Einblick in Kapitel aus der kontinuierlichen Erfolgsstory geben die beiden Leiter Rudolf Härtl und Claudia Helmreich.
Ob der "Der neue Herzog" wohl viele Fans hatte? Schwer zu sagen. Claudia Helmreich und Rudolf Härtl können ausnahmsweise einmal keine Ausleihzahlen liefern. Andere Zahlen schon. Etwa die 1900. Denn im Jahr 1900 wurde das Buch gedruckt und 385 lautet seine Bestandsnummer. Für acht Ausleihtage verlangte die Volksbücherei seinerzeit 20 Pfennige. Sie war die erste ihrer Art im Landkreis und feiert als Stadtbücherei St. Kilian nun ihr 100-jähriges Bestehen.
Die Büchereileiter Rudolf Härtl (1975 bis 2009) und Claudia Helmreich (ab 2009) haben so manche Geschichte zum Büchereibetrieb zu erzählen. Geschichten von Büchern, die im Urlaub vergessen wurden. Jahre später, oder auch mit Sand vom Strand zurück kamen. Von Werken, die von Hasen, Meerschweinchen oder auch Kindern angebissen wurden, die ins Wasser gefallen sind, oder deren Blätter sich beim Saunagang gewellt haben. Wenn sich in Kochbüchern dann verkrustete Rezeptzutaten finden, bedeutet das deren Aus. Kleinere Fettflecken hingegen werden toleriert.
Die gab es schon immer, wie auch die Bücher aus der Anfangszeit belegen: Denn schon damals schlugen Leseratten beim oder nach dem Essen zu. Dafür, dass die breite Hallstadter Bevölkerung das bereits vor 100 Jahren konnte, sorgte Pfarrer Friedrich Wachter. Er bettelte bei den Hallstadtern den Bestand zusammen, aus dem er die erste Volksbücherei formte. Die richtete er dann in einem knapp 20 Quadratmeter großen Raum im Pfarrhaus ein. Mit einem Bestand von 700 Büchern.
Für 1916 eine stattliche Anzahl. Im Jahr 1962 standen den Lesern immerhin 1280 Bücher zur Verfügung, die 1120 Mal entliehen wurden. In den 70ern fand der leidenschaftliche Leser Rudolf Härtl eine öffentliche Bücherei mit rund 1100 Büchern in Hallstadt. Die waren allerdings nach der Renovierung des Pfarrhauses im Keller eingelagert. Weil der Bücherwurm Härtl dem damaligen neuen Pfarrer Georg Eizenhöfer mit seinen Nachfragen nach Entleihmöglichkeiten offenbar so penetrant in den Ohren gelegen hatte, beauftragte der ihn kurzerhand, die Sache in die Hand zu nehmen: sortieren, einbinden, in Regalen zugänglich machen.
Beim Einbinden half Härtls Ehefrau Gerta. Als Eizenhöfer Rudolf Härtl dann zum Büchereileiter machen wollte, knüpfte der daran die Bedingung, die Arbeit nicht allein machen zu müssen. In Erna Eyersheim war gleich eine engagierte Mitstreiterin gefunden, die ebenso wie Härtl bis heute im Team Dienst tut. Von 1975 bis 1995 hatte Büchereileitung in Annemarie Hofmann eine weitere treue Mitstreiterin. Mit der Zahl der begeisterten Leser wuchs die der Medien. Regale wanderten schließlich in den Gang des Pfarrhauses. Pfarrer Eizenhöfer hat das wohl toleriert.
Doch der damalige Bürgermeister und begeisterte Büchereinutzer Karl Popp habe gemeint: "So könnt Ihr nicht weitermachen." Beim Maitanz ließ er dann wissen: "Ich hab ' zwei Schulräume für Euch". Im Dezember 1982 jedenfalls konnte sich die Bücherei auf 150 Quadratmetern in der Schule ausbreiten.
Namenswechsel
Außerdem wurde ein Kooperationsvertrag (heute wie beim Bau 20 Prozent Kirche, 80 Stadt) zwischen Kirche und Stadt geschlossen. Erneut, nach 1940 als die Volksbücherei zur Pfarrbücherei wurde, stand eine Namensänderung an: Seit 1982 wird unter Stadtbücherei St. Kilian firmiert. Im Nachhinein ein echter Glücksgriff, kommentiert Claudia Helmreich die Kooperation. Denn mit zwei Partnern war die Arbeit der Bücherei auf solide Füße gestellt.
8100 Bücher, 800 Leser, 40 000 Entleihungen, 20 Mitarbeiter hatte die Einrichtung dann innerhalb kürzester Zeit. Zahlen, die den Erfolg belegen. Als Zutaten für den Erfolg der Stadtbücherei St. Kilian nennen Härtl und Helmreich: Umfangreiches Angebot, aktuelle Medien, attraktive Öffnungszeiten und ein Team, das mit Herzblut dabei ist.
Die Bücherei boomte dermaßen, dass bald die 150 Quadratmeter nicht reichten, zudem benötigte die Schule die Klassenzimmer dann wieder selbst. Der Bürgermeister überlegte, in welchem anderen Bau die Einrichtung unterzubringen wäre. Härtl lehnte alle Vorschläge ab. Dann hatte Popp eine Vision: Das verwahrloste Eckgrundstück beim Pfarrhaus.
Etliche Widerstände mussten überwunden werden, bis die Vision Wirklichkeit werden, der Spatenstich im Mai 1994 erfolgen konnte. Die erste Bücherei im Landkreis mit eigenem, neu errichtetem 400 Quaddratmeter großem Gebäude, in der sich viele nachfolgende wertvolle Tipps holten.
Viele Jahre war die Stadtbücherei St. Kilian die öffentliche Bücherei im Norden des Landkreises, in der man sich mit Medien versorgte. Spitzenwerte sind für das Jahr 2004 dokumentiert, in dem 104 000 Ausleihen registriert sind. Mit zunehmender Zahl von Nachbarbüchereien blieben die auswärtigen Leser verständlicherweise weg.
Doch immer noch liegt die Jubilarin landkreisweit an der Spitze, was die Fläche (400 Quadratmeter), Ausleihzahlen (2015: 73 000) und Mitarbeiter (33) betrifft. Wahrscheinlich auch, weil man seit Jahrzehnten bei vielem Vorreiter ist. Wie schon vor 100 Jahren. Auch im Jubiläumsjahr lassen sich Leiterin Helmreich und ihr Team Überraschungen einfallen. Unter anderem eine Ausstellung zur Geschichte der Bücherei. Wer Glück hat, ergattert vielleicht ja auch einen Blick auf eine Seite im Buch "Der neue Herzog".
Hinweise auf die Jubiläumsveranstaltungen finden Sie unter
www.stadtbuecherei-hallstadt.de