Ein abgefahrener Krimi ist Helmut Vorndrans "Das fünfte Glas". Aberwitzige Visionen zeichnen die Fortsetzung von "Drei Eichen" aus, die mehr als nur ein weiterer spannender Franken-Krimi ist. Wir sprachen mit dem Autor, der in dem Band auch die erste fränkische Marsmission starten ließ.
Sechs Leichen gleich auf den ersten beiden Seiten: Ins Jenseits befördert mit Kugeln, Pfeil und Bogen. Honigbienen mit Killerinstinkt, die Menschen meucheln. Sofern sie nicht aus Haßfurt sind und zuvor noch in ihren Häusern bei Temperaturen von mehreren tausend Grad verdampfen: Wilde Visionen entwickelte Helmut Vorndran auch für seinen neuesten Franken-Krimi "Das fünfte Glas", den wir als Urlaubslektüre an dieser Stelle jedem humorbegabten Menschen wärmstens empfehlen. Zumal sich darin der Traum fränkischer Freiheitskämpfer erfüllt, deren geliebte Heimat zum Erfolge feiernden 17. Bundesland avanciert.
Antrieb auf Rauchbierbasis "Wohlauf, die Luft geht frisch und rein...." Stimmen wir gleich in die fränkische Nationalhymne ein, die im "fünften Glas" von Haßfurt (als Regierungssitz) aus gesungen wird.
Zum Glück für alle Bamberger, die auf diese Weise länger leben. So bereitet "Manfred Zöder" als erster Ministerpräsident des Landes die erste fränkische Marsmission von unterfränkischem Terrain aus vor. Ohne zu wissen, dass der Start der Trägerrakete "Allmächd 4" - mit revolutionärem Antrieb auf Rauchbierbasis - die Stadt umgehend platt machen würde. Während die Bewohner nach der Zündung der Triebwerke im eigenen Saft - wie eingangs erwähnt - schmoren und ihr Leben aushauchen dürften.
Von Bamberg aus gehen im "fünften Glas" wieder die Kommissare Haderlein und Lagerfeld auf Mördersuche - unterstützt vom "Ermittlerferkel " Riemenschneider. Vom Auftakt-Gemetzel in einer Villa der Coburger Studentenverbindung "Rhenania Bavaria" ausgehend, nimmt die Fortsetzung des Franken-Krimis "Drei Eichen" ihren Lauf.
Wobei sich Leser auch ohne Vorkenntnisse über die schräge Storyline amüsieren können. Bis hin zum Blick in die Welt einer "überlasteten" Biene, die auf dem Buchtitel an prominenter Stelle in Überlebensgröße prangt. Über faule "Männer" lästert die fleißige Honigsammlerin ab: Zu Recht würde sie mit den anderen Mädels Drohnen zum Teufel jagen, die bei "Frau Königin" keinen Stich machen und nach ihrem vermasselten One-Night-Stand im "Hotel Mama" weiterschmarotzen wollten. Aber keine Chance, so die Wächterin.
Killerbienen übernehmen Nicht gewachsen sind die fleißigen Bienchen allerdings den Mutanten, die in ihren Stock eindringen: Killerinsekten, die sich im "fünften Glas" zuletzt ebenso ungehemmt verbreiten wie der Genmais.
Welche Auswirkungen der Konsum "optimierter Produkte" haben kann, schildert Vorndran gleich am Beispiel des Ebracher Bürgermeisters Emil Zecker: Demnach büßte der Mann im Selbstversuch seinen Verstand bis auf "letzte noch intakte Reste" ein, unfähig jemals wieder eine Wahlrede zu halten.
Der Wahnsinn tobt. Frieden findet der Franke offenbar nicht mal mehr in der Kirche: So kämpfen im Untermerzbacher Gotteshaus bei Vorndran die beiden christlichen Konfessionen um die Vorherrschaft, nachdem hier zur gleichen Zeit eine katholische Taufe und eine evangelische Beerdigung anstehen. Verbale Übergriffe, Gebetbücher fliegen, die totale Eskalation droht. Was daraus wird, verraten wir an dieser Stelle aber nicht. Denn es lohnt sich "Das fünfte Glas" mit etlichen weiteren Schoten und Skurrilitäten aus Franken zu lesen.
Im Interview: Helmut Vorndran Schreiner, Sozpäd-Student, Kabarettist (TBC), Unternehmer, Autor: Bei Helmut Vorndran gibt's keinen Stillstand. Alles ist im Fluss. Dabei lebt und arbeitet der 53-Jährige weit entfernt von jeder städtischen Hektik in einer alten Mühle an der Itz. Und brütet inmitten der Idylle immer neue, schräge Mordsgeschichten aus. Darüber und vieles mehr sprachen wir mit dem immigrierten Unterfranken.
Wow: In Ihrem neuen Krimi machen Sie Franken zum 17. Bundesland. Ein geheimer Wunsch? Wie stehen Sie zur Seperatistenbewegung?
Helmut Vorndran: Ich wünsche mir generell ein größeres fränkisches Selbstbewusstsein. Zum Kotzen ist's, wenn sich Franken z. B. ihres Dialekts schämen. Auch ich sollte als Kind Hochdeutsch sprechen, was gnadenlos schief ging.
Ebenso wie bei vielen Franken, denken wir nur an Loddar Matthäus. Sachsen, Schwaben und andere Volksstämme dagegen reden, was sie wollen. Denen fühle ich mich übrigens näher als den Bayern. Darum würde ich mich auch für eine Loslösung von München aussprechen, dafür aber keinen Bürgerkrieg anzetteln.
Ja, den Münchnern stehen Sie kritisch gegenüber. Was stinkt Ihnen so, dass Sie gleich im "Alabastergrab" die Staatsregierung in Sippenhaft nahmen? Das ist die Einstellung vieler, für die Franken an der Peripherie liegt, irgendwo im Nirgendwo: Eine Art Ödnis, die man auf der Fahrt nach Frankfurt zu durchqueren hat. Wo's alles billig gibt und eine Woche Urlaub so viel kostet wie ein Restaurantbesuch an der Isar. Dabei ist Franken so lässig, unaufgeregt und natürlich, wie's München früher einmal war - heute leider restlos verkitscht.
Woher nehmen Sie Ihre bizarren Ideen bis hin zur ersten fränkischen Marsmission, auf der's "blaue Zipfel" als Astronautennahrung gibt?
Dafür gibt's kein Rezept. Ich entwickle Ideen im Schwimmbad, beim Radfahren oder auf dem Klo, wo meine Gedanken - fern von Telefon und Internet - schweifen. Dann wieder kommen mir bei Unterhaltungen Einfälle, die ich gleich ins Smartphone tippe. So geht's monatelang, bis ich mich irgendwann - meist Ende September - mit einem großen Glas Rotwein in meine Schreibstube setze und alles zu Papier bringe.
Mit einigem Erfolg. Fühlen Sie sich demnach schon reif für Ihre Autobiografie?
Nein, so exhibitionistisch bin ich nicht veranlagt. Weil ich mehr Ruhe haben wollte, verließ ich als Kabarettist ja auch die Bühne. Tatsächlich habe ich mittlerweile über 100.000 Franken-Krimis verkauft.
Und mein Ziel erreicht, 30.000 Bücher pro Jahr zu verticken, um davon leben zu können. Das nächste Buch wird nochmal ein Krimi. Dann verwirkliche ich aber eine andere Idee, die ich seit Jahren mit mir herumschleppe: Zwischen Historienroman, Abenteuer- und Fantasygeschichte, die in Franken spielt: Harry Potter auf Fränkisch sozusagen.
Ihre Fans wird's freuen. Gibt's eigentlich auch böse Reaktionen von Lesern, die keinen Spaß verstehen oder sich verspottet fühlen?
Nicht jeder hat den gleichen Humorgrundsatz wie ich und kann über sich selbst lachen. Einige Bekannte wünschten sich nach dem "Alabastergrab" beispielsweise, selbst einmal in einem meiner Krimis zu erscheinen. Die habe ich beim nächsten Mal tatsächlich verbraten. Den Spott aber nahmen mir die Leute übel und sagten allen Ernstes, davon solle ich künftig Abstand nehmen.
Ganz anders Politiker, die eher sauer sind, wenn man sie nicht erwähnt: Monika Hohlmeier, fand's noch lustig, als ich sie sterben ließ. Eine nette Reaktion war auch die Einladung des scheidenden Landrats des Landkreises Haßberge, der mich zu seinem Ausstand um eine Gegenlaudatio bat, um die Münchner Lobhudelei auszugleichen. Rudolf Handwerker amüsierte sich über all die Spitzen dann auch köstlich.
Vermissen Sie es nicht doch hin und wieder, als Kabarettist vor großem Publikum aufzutreten?
Nein, sicher nicht. Nachdem ich im November 2012 meine Abschiedsvorstellung gab, fragten mich das viele. Ich habe Kabarett gemacht, weil ich es konnte, aber nie aus Selbstzweck heraus oder weil ich mich vor einem 1000-Mann-Saal produzieren wollte. Als Kabarettist musste ich endlos viele Kilometer im Jahr fahren, endlos lange Texte lernen - ja, das war das Schlimmste.
Am schönsten war für mich das Stückeschreiben - und nichts anderes mache ich als Autor. Wenn dann bei einer Lesung einer kommt und sagt: "Dein Buch ist toll", ist das für mich heute das Größte.
Gibt's Träume, die Sie sich jenseits der Schriftstellerei noch erfüllen möchten?
An verrückten Träumen und Ideen mangelt es nicht. Den Flugschein möchte ich beispielsweise machen. Überhaupt würde ich gerne reisen, wenn ich es mir irgendwann wirklich leisten kann. Die Schriftstellerei begann schließlich ebenfalls als verrückter Traum, den ich mir verwirklichte. Der nächste war dann der Roller, den ich mir gekauft habe ...
Leseprobe aus "Das fünfte Glas" ... Erneut brandete Jubel und Applaus auf, wieder verging eine gute Minute, bis sich das Publikum
beruhigt hatte und Manfred Zöder fortfahren konnte. "Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste. Als erster fränkischer Ministerpräsident heiße ich Sie hier in Haßfurt recht herzlich willkommen. Wie Sie wissen, wollen wir gemeinsam den bedeutendsten Moment in unserer jungen Landesgeschichte feiern, den Start der ersten fränkischen Marsmission. Die Trägerrakete mit dem Namen ›Allmächd 4‹ steht bereits auf der Startrampe am alten Rathaus in Haßfurt, und auch das Marsmodul ›Adela 1‹, das den ersten Frankonauten auf dem roten Planeten absetzen wird, ist bereits eingetroffen."
Wieder rollte frenetischer Jubel durch die Haßfurter Stadthalle, der durch andauernden Applaus begleitet wurde. Die Kameras der versammelten deutschen Fernsehsender kamen mit dem Schwenken der Objektive gar nicht mehr hinterher, unter den Zuschauern herrschte bombastische Stimmung.
Manfred Zöder quittierte den Jubel mit einem milden Lächeln und wartete ab, bis sich alle wieder beruhigt hatten, bevor er seinen ersten Ehrengast hereinbat. "Besonders begrüßen möchte ich an diesem denkwürdigen Tag den Leiter der FASA, der Franconian Aeronautic Space Agency, Herrn Professor Dr. Habermehl aus Bamberg!"
Unter Bravorufen betrat ein weißhaariger älterer Herr die Bühne der Stadthalle, verneigte sich und stellte sich seriös lächelnd direkt neben den Ministerpräsidenten. Der zögerte nicht lange und rief sogleich seinen zweiten Ehrengast des Abends zu sich. "Des Weiteren möchte ich an dieser Stelle den womöglich ersten Menschen auf dem Mars begrüßen, unseren tapferen Frankonauten, Herrn Dr. Dr.
Rudolf Eck aus Haßfurt!"
Auf sein Stichwort betrat Frankonaut Rudolf Eck in voller Astronautenmontur, den Helm unter dem Arm geklemmt, die Bühne und winkte strahlend ins Publikum. Die Begeisterung im Saal kannte keine Grenzen mehr. Es wurde geklatscht, gejohlt, gepfiffen, getrampelt, Jubelstürme brandeten in Richtung Bühne und zurück, während sich Frankens inzwischen wohl bekanntester Bürger, Frankonaut Rudi Eck, neben Habermehl und Zöder stellte. Der erste Mensch, der den Mars betreten würde, kam noch dazu aus der fränkischen Landeshauptstadt Haßfurt, ein weiterer Grund für den überschäumenden Enthusiasmus der Anwesenden. Alle Franken waren stolz auf ihren Rudi, auch wenn der eine oder andere im Vorfeld leichte Zweifel gehegt hatte, ob es wirklich so eine gute Idee war, einen Haßfurter die Marsrakete steuern zu lassen...