Vor einem Jahr beschloss das Kabinett die freie Fahrt für Fernbusse. Die Busse sind beliebt, fast täglich kommen neue Linien dazu, andere verschwinden. Niemand weiß genau, wie viele bunte Busse tatsächlich fahren.
In München haben sie eigentlich gar keine Zeit. Umzug. Ein größeres Büro. Bettina Engert sagt: "Wir platzen aus allen Nähten." Engert ist die Sprecherin von Flixbus. Die Firma schickt Busse quer durch die Republik. Fernbusse. Auf 30 Linien, etwa 50 Busse. Fast täglich eröffnet ihr Unternehmen neue Linien. Man kann an diesem Umzug die Dynamik eines ganzen Marktes ablesen. Oder in Magdeburg: Dort begrüßte die MeinFernbus-GmbH, ein anderer großer Fernbus-Anbieter, vergangene Woche ihren einmillionsten Fahrgast. Sprecher Florian Rabe sagt: "Die anhaltende Nachfrage bestätigt uns, darüber freuen wir uns sehr."
"Wir befreien den Markt" Vor knapp einem Jahr, im August 2012, beschloss das Bundeskabinett die freie Fahrt für Fernbusse.
Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP setzte das um, was sie im Koalitionsvertrag angekündigt hatte: Die Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte damals: "Wir befreien den Markt der Fernbusse von seinen Fesseln." Seither fahren die Busse kreuz und quer durch die Republik. Wie viele genau, weiß niemand. "Aktuelle Zahlen werden derzeit bei den Ländern abgefragt, stehen also leider noch nicht zur Verfügung", heißt es aus dem Verkehrsministerium. Letzte Erhebung: 15. Februar. Damals: 109 Linien. Und heute? In Bayern gebe es eine Liste mit Fernbussen. Aber auch die ist überholt, sagt eine Sprecherin aus dem Bayerischen Wirtschaftsministerium. Darauf: 33 Linien. Aber Unterfranken fehlt. Von einer Momentaufnahme schreibt die Sprecherin, weil jederzeit neue Linien dazukommen können. Und andere verschwinden: zum Beispiel von Hof nach Frankfurt. Genehmigt im Januar und längst wieder eingestellt.
Niemand fuhr mit.
Florian Rabe von Mein Fernbus sagt, sein Unternehmen bediene im Moment 26 Linien. Mehr als 90 der hellgrünen Busse seien jeden Tag unterwegs, steuerten über 90 Ziele an. "Wir wollen bis Ende des Jahres jeden Tag deutlich über hundert Busse auf der Straße haben." Das könnte klappen, denn die Genehmigungsdauer hat sich seit 1. Januar deutlich verkürzt. Vor dem 1.1. dauerte es acht bis neun Monate, ehe eine neue Linie starten durfte. Die Bahn hatte ein Widerspruchsrecht, bestehende Buslinien waren geschützt, Fernbusse fuhren oft nur zu Flughäfen, die keinen Bahnhof hatten. Das waren die Fesseln, die Ramsauer meinte. Nur: Fahren wie sie wollen, dürfen die bunten Busse nicht.
Schutz für den Nahverkehr Zwei Beschränkungen gibt es noch: 50 Kilometer müssen zwischen zwei Haltestellen liegen. Mindestens.
Und der Zug darf nicht weniger als eine Stunde brauchen. "Bestehende Nahverkehre werden dadurch geschützt", sagte Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil im Winter auf der Jahrestagung des Verbandes der Bayerischen Omnibusunternehmen. Verunsicherung war da. Aber die hat sich gelegt. Aus dem Bundesverkehrsministerium heißt es: "Der Fernbus ist in erster Linie eine Alternative und Ergänzung zum Pkw-Verkehr."
Und die Hürden? Kein Problem sagt Bettina Engert von Flixbus: "Wir sehen uns keinesfalls als Konkurrenz für den Nahverkehr." Fernbusse aus München nach Berlin halten zum Beispiel in Bayreuth und Münchberg. Distanz: 37 Kilometer. Zugzeit: zwischen 32 und 52 Minuten. Eigentlich unzulässig: Aber für diese Strecken gibt es keine Tickets. Bedienungsverbot, schreibt die Regierung von Oberfranken.
Aus Mittelfranken heißt es, von einem Boom könne nicht gesprochen werden: "Es muss abgewartet werden, welche der neuen Linien sich auf Dauer im Wettbewerb behaupten können." Momentan führen 43 Fernbuslinien durch Franken. Bettina Engert von Flixbus sagt: "Uns zeigt das, wie groß der Wunsch nach günstigen Fernverkehrslinien war."