Familienforscher aus Bamberg erklärt Wandel der Familien

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Harald Rost
Harald Rost

Großfamilie oder Patchworkfamilie: Die Familienstrukturen ändern sich. Harald Rost erklärt den Wandel und ob es den Trend zur Singlegesellschaft gibt.

Ist die Familie eine gefährdete Lebensform? Nein. Keinesfalls. Harald Rost ist sich da seiner Sache sicher. Weil bei jungen Leuten heute Partnerschaft und Ehe wieder hoch im Kurs stehen. Er kennt die Unterschiede zu früher. Seit 1995 arbeitet der diplomierte Soziologe am Staatsinstitut für Familienforschung (ifb) in Bamberg. Kennt die Entwicklung der Familien nach Gründung der Bundesrepublik sehr gut.






Familien: Was heißt früher?

In den 50er und 60er Jahren dominierte noch die bürgerliche Kernfamilie, die im Regelfall aus Eltern und drei oder vier Kindern bestand. Wo sich die Mutter um die Kinder und den Haushalt kümmerte und deshalb oft nicht berufstätig war.


Alleinerziehende oder uneheliche Kinder, das lag damals außerhalb der Norm.

"Ein Familienbild, das in den letzten Jahren mit dem gesellschaftlichen Wandel eine deutliche Veränderung erfahren hat", so Rost. Bis heute seien die Familien deutlich kleiner geworden, die Zahl der Familien mit drei oder mehr Kindern habe sich halbiert. Ein Trend, der in den Jahren zwischen 1975 und 1985 eingesetzt habe. Und warum? "Die Gründe sind vielfältiger Natur. Dazu gehört sicher die Einführung der Pille, das veränderte Rollenverständnis der Frau, längere Ausbildungszeiten."


Familien werden heute später gegründet

Im Ergebnis habe das dazu geführt, dass heute Familiengründungen deutlich später erfolgen. War die erstgebärende Frau in den 60er Jahren im Schnitt 25 Jahre alt, liegt dieses Alter heute bei 30. Woran sich auch schon einer der Gründe für niedrigere Geburtenzahlen erkennen lasse. Jenseits der 30 nehme schlicht die Fruchtbarkeit deutlich ab.



Und: Kümmerte sich die Frau in früheren Zeiten primär um Haushalt und Nachwuchs, kennzeichnen die heutige Rolle der Frau eine simultane Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ermöglicht durch familienpolitische Maßnahmen wie externe Krippenbetreuung und Elternzeit. Der Trend, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit möglichst rasch nach der Geburt wieder aufnehmen, liege auch im Interesse der Wirtschaft. Harald Rost: "Die Familienpolitik der vergangenen zehn Jahre ist im Wesentlichen durch wirtschaftliche Interessen geprägt".

So seien bis zum Jahr 2001 die ersten Kinderkrippen im Freistaat als Pilotprojekte vom Verband der bayerischen Wirtschaft finanziert worden.


Heute kehren viele Frauen nach der Geburt eines Kindes rasch in den Beruf zurück.

Da spiele sicher Karrieredenken eine Rolle. Oft genug seien es aber auch schlicht wirtschaftliche Zwänge, weil die Familien auf das zweite Gehalt der Frau angewiesen seien. Die Armutsgefährdungsquote sei bei Familien angestiegen und insbesondere bei Alleinerziehenden besonders hoch.

Trotz alledem werde die Struktur der Familie immer noch durch die klassische Form mit Vater, Mutter, Kind bestimmt. 70 Prozent der Familien lebten in dieser Struktur. Alleinerziehende machen immerhin einen Anteil von 20 Prozent aus. Dazu kämen dann noch die Patchwork-Familien mit oft recht komplexen Familienverhältnissen.


Rost vermag keinen Trend in Richtung Single-Gesellschaft zu sehen.

In der Altersgruppe der 30- bis 50-Jährigen sei diese Lebensform eher selten.
Wo liegen aktuell die Probleme für junge Familien? "Die Gründung ist schon schwierig. Zeitlich befristete Arbeitsverträge, eine mobilere Wirtschaftswelt, das schafft zusätzliche Herausforderungen."


Und junge Familien? Da habe sich die Rolle des Vaters verändert.


Der möchte mehr Zeit für die Familie aufbringen. Nicht zu vergessen die Rolle der Großeltern, die bei der Kinderbetreuung oft eine wichtige Aufgabe übernehmen würden.

Die Doppelbelastung der Mütter, Teilzeitmodelle, wirtschaftliche Zwänge, Überforderung in der Erziehung - geht es unseren Familien eigentlich gut? Auf einer Notenskala von eins (sehr gut) bis sechs (ungenügend) würde sich der Familienexperte Rost für die Note 3 (befriedigend) entscheiden.

Das heißt: Es geht unseren Familien nicht schlecht. Aber: Vieles ließe sich optimieren.