Erzbistum Bamberg: Hinweise auf Missbrauch in 88 Fällen - Studie offenbart Ausmaß des Skandals
Autor: Redaktion
Bamberg, Mittwoch, 26. Sept. 2018
Es sind erschreckende Zahlen, die das Erzbistum Bamberg am Dienstag zum Thema Missbrauch in der Kirche vorlegt. Noch erschreckender: In anderen Bistümern ist die Lage noch schlimmer.
Ein Kardinal im Büßerhemd: "Schrecklich" seien die Ergebnisse der Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche, sagte der Kölner Erzbischof Rainer Woelki kürzlich im Domradio. "Ich bin persönlich zutiefst getroffen, ich schäme mich an dieser Stelle für meine Kirche."
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, hat die Opfer des massenhaften sexuellen Missbrauchs unter dem Dach der Kirche in aller Form um Entschuldigung gebeten. "Allzulange ist in der Kirche Missbrauch geleugnet, weggeschaut und vertuscht worden. Für dieses Versagen und für allen Schmerz bitte ich um Entschuldigung", erklärte Marx am Dienstag in Fulda bei der Vorstellung der Studie.
Missbrauchsskandal - wie ist die Lage im Erzbistum Bamberg?
Im Erzbistum Bamberg stellte sich derweil Generalvikar Georg Kestel der Öffentlichkeit. Er zeigte sich erschüttert über das Ausmaß der sexuellen Übergriffe und Missbrauchstaten durch Geistliche: "Hier gibt es nichts zu beschönigen." 1711 Personalakten aus dem Zeitraum 1946 bis 2015 hatte Rechtsanwältin Eva Hastenteufel-Knörr im Rahmen des Forschungsprojekts geprüft. Das Ergebnis: In 41 Fällen (2,4 Prozent) wurden Hinweise auf Missbrauch gefunden, insgesamt 88 Opfer im Alter von 4 bis 20 Jahren wurden identifiziert.
In 41 Fällen handelte es sich um einmalige Übergriffe, in mindestens 7 Fällen geschah der missbrauch aber über Jahre hinweg. Die Studie ersetzt keine strafrechtlichen Ermittlungen, die meisten Missbrauchsfälle aus der Vergangenheit sind sowieso schon lange verjährt. Vielmehr geht es um eine Aufarbeitung, mit der sich die Kirche selbst Klarheit über das Ausmaß des Missbrauchs verschaffen will.
Im Vergleich zur Gesamtstudie sind die Zahlen im Erzbistum Bamberg noch nicht einmal besonders hoch. Tatsächlich ist die am Dienstag in Fulda vorgestellte Studie der Bischofskonferenz bemerkenswert. Sie beziffert Taten und benennt Gründe - in ungekannter Deutlichkeit und auf wissenschaftlicher Basis. Die Kirche wollte sich mit dieser vor mehr als vier Jahren in Auftrag gegebenen Studie Klarheit über das Ausmaß des Missbrauchs verschaffen - und die bekommt sie jetzt aufgedröselt auf 356 Seiten.
Zwischen den Jahren 1946 und 2014 sollen mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 meist männliche Minderjährige missbraucht haben. In Kirchenakten habe man Hinweise auf den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen bei 4,4 Prozent aller Kleriker gefunden, die in diesem Zeitraum tätig gewesen seien und über die Akten vorgelegen hätten, sagt der Leiter der Studie, Harald Dreßing. Und er betont: Die Missbrauchsthematik sei keineswegs überwunden - das Risiko bestehe angesichts der Machtstrukturen der Kirche fort.
"Die hohen Zahlen von Beschuldigten und Betroffenen schockieren ebenso wie das unfassbare Ausmaß der Nichtachtung gegenüber den Opfern und des Verschweigens und Vertuschens", sagt der Kriminologe Christian Pfeiffer dazu der Deutschen Presse-Agentur.