In Zapfendorf herrscht ein bürokratischer Ausnahmezustand: Der Bahnausbau ist gelaufen - die Abwicklung der Grundstücksfragen aber noch längst nicht. Die Lehren, die der Ort daraus zog, werden entlang der Trasse genau registriert.
Um die Frage, wo das eine Grundstück aufhört und das nächste anfängt, haben sich schon Kriege zwischen Nachbarn und sogar Nationen entzündet. Bei der Grenzziehung geht es manchmal um Zentimeter. Umso verwunderlicher klingt es, wenn Sabine Porzner am Rande ihres Natursteinhandels in Zapfendorf sagt, sie wisse gar nicht mit Sicherheit, ob der neue Zaun, den ihre Firma aufstellen ließ, wirklich die Grenze markiert. "Wir haben uns eben an den neuen baulichen Gegebenheiten orientiert."
Die Bahntrasse hinter ihrem Zaun ist bereits viergleisig ausgebaut, die Bauarbeiten sind längst abgeschlossen. "Die Grundstücksfragen sind aber immer noch nicht geklärt", berichtet die Unternehmerin. "Das ist unbefriedigend." Der Drive, der am Anfang des Ausbaus spürbar gewesen sei, sei dahin. "Seit die Züge fahren, scheint kein Interesse mehr da zu sein, das zu regeln."
Bürgermeister Volker Dittrich (CSU) kann ein Lied davon singen: "Kein Privatmann kann bauen, ohne dass ihm das Grundstück gehört. Die Bahn kann das schon." Aufgrund des Zeitdrucks bei dem Großprojekt regle das bundeseigene Unternehmen die Formalitäten im Nachgang - dabei lasse sich die Deutsche Bahn aber Zeit.
"Es ist tatsächlich ein Problem", räumt ein Sprecher der Bahn ein. "Es liegt viel auf dem Schreibtisch, wir sind dabei, das geregelt abzuarbeiten." Es gehe um Regularien, um Geld, um Privatsachen: "Hier wurde sehr konzentriert und in sehr kurzer Zeit gearbeitet. Es fällt viel an für die Projektgruppe." Der Arbeitsmarkt sei leer gefegt, es fehle teils an Fachpersonal, erklärt der Bahnsprecher. "Wir bitten noch um etwas Geduld."
Bürgermeister Dittrich hat für sich und seinen Ort einige Lehren aus dem Bahnausbau gezogen - die er seinen Bürgermeisterkollegen im Süden gerne ans Herz legt: "Bei Verhandlungen mit der Bahn immer einen Notar dabeihaben, am besten zwei. Alles dokumentieren, alle Zusagen schriftlich und von einem Rechtsvertreter protokollieren lassen!"
Als Beispiel nennt er das Hin- und Her mit dem Sportverein, der ein Spielfeld abgeben musste - und noch immer auf eine Regelung warte. Als Beispiel nennt er auch die S-Kurve, die Autofahrer an der neu entstandenen Westtangente vor navigatorische Herausforderungen stellt. Die Bahn habe zugesichert, dass keine S-Kurve entstehen würde - prompt sei eine S-Kurve entstanden, weil ein Grundstück nicht rechtzeitig verfügbar gewesen sei. Nun arbeitet Zapfendorf nachträglich daran, die Gefahrenstelle zu beseitigen.
Zwei Seiten der Medaille
An ebenjener Straße zeigt sich aber auch die glänzende Seite der Medaille. "Diese Westtangente hätten wir ohne den Bahnausbau niemals bekommen", ist sich Dittrich sicher. Überhaupt spricht der Bürgermeister vom Bahnausbau als seinen "Benefit", den er als Gemeindechef habe ausnutzen dürfen. "Ich bin der glückliche Bürgermeister, der das begleiten darf." Die weggefallenen Bahnübergänge, die Umfahrung, der verbesserte Lärmschutz, die renaturierten Mainauen: Der Bahnausbau habe vieles möglich gemacht, was sonst nur schwer möglich gewesen wäre. Nicht alles sei positiv, aber der Ort habe viele Vorteile daraus ziehen können.