Erst bauen, dann verhandeln: Das Vorgehen der Bahn sorgt für Kritik in Zapfendorf

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"Seit die Züge fahren, scheint kein Interesse mehr da zu sein, das zu regeln", sagt Sabine Porzner vom benachbarten Natursteinhandel. Rechts im Bild: ihr ZaunMatthias Hoch
"Seit die Züge fahren, scheint kein Interesse mehr da zu sein, das zu regeln", sagt Sabine Porzner vom benachbarten Natursteinhandel. Rechts im Bild: ihr ZaunMatthias Hoch
Foto: Schanz
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In Zapfendorf herrscht ein bürokratischer Ausnahmezustand: Der Bahnausbau ist gelaufen - die Abwicklung der Grundstücksfragen aber noch längst nicht. Die Lehren, die der Ort daraus zog, werden entlang der Trasse genau registriert.

Um die Frage, wo das eine Grundstück aufhört und das nächste anfängt, haben sich schon Kriege zwischen Nachbarn und sogar Nationen entzündet. Bei der Grenzziehung geht es manchmal um Zentimeter. Umso verwunderlicher klingt es, wenn Sabine Porzner am Rande ihres Natursteinhandels in Zapfendorf sagt, sie wisse gar nicht mit Sicherheit, ob der neue Zaun, den ihre Firma aufstellen ließ, wirklich die Grenze markiert. "Wir haben uns eben an den neuen baulichen Gegebenheiten orientiert."

Die Bahntrasse hinter ihrem Zaun ist bereits viergleisig ausgebaut, die Bauarbeiten sind längst abgeschlossen. "Die Grundstücksfragen sind aber immer noch nicht geklärt", berichtet die Unternehmerin. "Das ist unbefriedigend." Der Drive, der am Anfang des Ausbaus spürbar gewesen sei, sei dahin. "Seit die Züge fahren, scheint kein Interesse mehr da zu sein, das zu regeln."

Bürgermeister Volker Dittrich (CSU) kann ein Lied davon singen: "Kein Privatmann kann bauen, ohne dass ihm das Grundstück gehört. Die Bahn kann das schon." Aufgrund des Zeitdrucks bei dem Großprojekt regle das bundeseigene Unternehmen die Formalitäten im Nachgang - dabei lasse sich die Deutsche Bahn aber Zeit.

"Es ist tatsächlich ein Problem", räumt ein Sprecher der Bahn ein. "Es liegt viel auf dem Schreibtisch, wir sind dabei, das geregelt abzuarbeiten." Es gehe um Regularien, um Geld, um Privatsachen: "Hier wurde sehr konzentriert und in sehr kurzer Zeit gearbeitet. Es fällt viel an für die Projektgruppe." Der Arbeitsmarkt sei leer gefegt, es fehle teils an Fachpersonal, erklärt der Bahnsprecher. "Wir bitten noch um etwas Geduld."

Bürgermeister Dittrich hat für sich und seinen Ort einige Lehren aus dem Bahnausbau gezogen - die er seinen Bürgermeisterkollegen im Süden gerne ans Herz legt: "Bei Verhandlungen mit der Bahn immer einen Notar dabeihaben, am besten zwei. Alles dokumentieren, alle Zusagen schriftlich und von einem Rechtsvertreter protokollieren lassen!"

Als Beispiel nennt er das Hin- und Her mit dem Sportverein, der ein Spielfeld abgeben musste - und noch immer auf eine Regelung warte. Als Beispiel nennt er auch die S-Kurve, die Autofahrer an der neu entstandenen Westtangente vor navigatorische Herausforderungen stellt. Die Bahn habe zugesichert, dass keine S-Kurve entstehen würde - prompt sei eine S-Kurve entstanden, weil ein Grundstück nicht rechtzeitig verfügbar gewesen sei. Nun arbeitet Zapfendorf nachträglich daran, die Gefahrenstelle zu beseitigen.

Zwei Seiten der Medaille

An ebenjener Straße zeigt sich aber auch die glänzende Seite der Medaille. "Diese Westtangente hätten wir ohne den Bahnausbau niemals bekommen", ist sich Dittrich sicher. Überhaupt spricht der Bürgermeister vom Bahnausbau als seinen "Benefit", den er als Gemeindechef habe ausnutzen dürfen. "Ich bin der glückliche Bürgermeister, der das begleiten darf." Die weggefallenen Bahnübergänge, die Umfahrung, der verbesserte Lärmschutz, die renaturierten Mainauen: Der Bahnausbau habe vieles möglich gemacht, was sonst nur schwer möglich gewesen wäre. Nicht alles sei positiv, aber der Ort habe viele Vorteile daraus ziehen können.

Vorteile hat etwa eine Zapfendorferin gezogen, die direkt an der hohen, beigefarbenen Lärmschutzwand wohnt. "Für uns Anlieger ist es besser geworden. Die neuen Gleise sind leiser, man hört die Züge nicht mehr, früher haben die Gläser im Regal geklappert", erzählt die Frau. "Früher sind hier am Bahnübergang auch die ganzen Laster darüber geknattert." Lastwagen fahren nun nicht mehr so viele durch den Ort, bestätigt Hannelore Kreppel aus der benachbarten Bäckerei. Als direkt hinter dem Geschäft die Großbaustelle lag, holten sich die Arbeiter hier ihre Brötchen. "Die haben sogar ihre dreckigen Schuhe ausgezogen, wenn sie in den Laden kamen." Teils seien drei Reinigungswagen gleichzeitig auf der Straße herumgekurvt. Man habe gemerkt, dass die Bauleitung darauf bedacht gewesen sei, dass alles möglichst reibungslos läuft.

Doch es gibt auch kritische Stimmen im Ort: "Die Schienen sind gekommen, aber das Drumherum ist vernachlässigt worden", sagt Wolfgang Settmacher. Die Baumaßnahmen hätten sich in die Länge gezogen. "Man hat den Haltepunkt. Man hat die Wand. Das ist trostlos. Mir gefällt das nicht." Hoffnung setzt Settmacher nun in Pläne des Gemeinderates, den Ortskern aufzuwerten. "Zapfendorf hat keine Ortsmitte, ein Treffpunkt fehlt."

Eben dies ist im Gemeinderat angedacht. Ein Freizeit-, Sport- und Sozialpark soll nicht nur neue Sportplätze und Naherholung bieten, sondern sich auch als eine Art Grüngürtel entlang der neuen, hohen, beigen Lärmschutzmauer ziehen. Bis zum ehemaligen Hofmann-Gelände, wo in einem denkmalgeschützten Brauhaus nach dem Willen der Bürger ein Gemeindehaus entstehen könnte. Auch hier wirkte der Bahnausbau als Initialzündung. Fix sind die Pläne noch nicht, doch Weichen wurden gestellt.