"Arsen und Spitzenhäubchen" ist ein Klassiker des schwarzen Humors. Die freie Bamberger Truppe inszeniert ihn frisch und fröhlich.
"Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" heißt es in Brechts "Dreigroschenoper", und Charlie Chaplin lässt seinen Witwenmörder Monsieur Verdoux sich als Dilettanten darstellen im Vergleich zum Gebaren von Kriegsherren und Geschäftsleuten. Vergleichsweise harmlos also handeln die beiden liebenswerten alten Damen Abby und Martha mit ihren nur einem Dutzend Leichen im Keller. Wurde Joseph Kesselrings "Arsen und Spitzenhäubchen", während des Zweiten Weltkriegs am Broadway 1444-mal aufgeführt, von den Zeitgenossen auch so gesehen?
Wir wissen es nicht. Wir wissen jedoch, dass ein zeitloser Klassiker entstanden ist, der immer noch und immer wieder Komik schöpft aus dem Kontrast zwischen den betulichen Heldinnen und ihrem infernalischen Tun. Angereichert dazu ist der Klassiker mit Seitenhieben aufs Theater, mit boulevardüblichen Verwicklungen und Slapstick-Einlagen. Es sollten also alle die Zehnthausscheune der Klosterbräu besuchen, die mal wieder lachen wollen - lachen ohne das eigene Niveau zu unterbieten, wohl gemerkt.
Denn dem "Theater im Gärtnerviertel" (TiG), das für seine jüngste Produktion mitten in die Altstadt gewandert ist, gelingt eine Inszenierung (von Nina Lorenz und Patrick L. Schmitz) mit überraschenden Ideen und tollen Schauspielern, die allein schon die Gewähr dafür bieten, dass das Stück der Gefahr von Klamottenhaftigkeit und Trivialität entgeht. Der Spielort, die Bewirtung mit dem alten Gebälk angemessen Deftigem, tun ein Übriges für einen vergnügten Abend. Es ist immer wieder überraschend und erstaunlich, welche Wirkungen mit welch bescheidenen Mitteln das TiG erzielen kann. Da stehen auf einem Podest einige weiße Möbel (Ausstattung Lena Kalt), da sind Dutzende zum Teil gespendete Spitzendeckchen am Bühnenbild oder an den Schauspielerinnen drapiert - sogar Dienstmütze, Halfter und Colt des Polizisten O'Hara (Aline Joers, auch als Elaine) stecken in einem gehäkelten Kokon.
Und los geht's mit Karacho: Theaterkritiker Mortimer (Patrick L. Schmitz) entdeckt die Abgründe seiner Tanten Abby (Karin M. Schneider) und Martha (Ursula Gumbsch), die als Zimmervermieterinnen "einsamen alten Leuten zu diesem Frieden verhalfen". Dem Frieden nämlich, als Leiche im Keller der Damen zu enden. Gedanken an die Debatte um Sterbehilfe beiseite schiebend, erleben die Zuschauer Mortimers quirlige Verlobte Elaine, den verrückten Teddy (Stephan Bach, auch als Jonathan, Mr. Gibbs und Mr. Witherspoon), den wahnsinnigen Jonathan samt unterwürfigem Dr. Einstein (Felix Pielmeier, auch als Leutnant Brophy) und zwei ziemlich trottelige Polizisten.
Grandios, wie die nicht mehr junge Karin M. Schneider die Bühne dominiert, nicht minder großartig Ursula Gumbsch als Martha in all ihrer Altjüngferlichkeit. Stephan Bach ist besonders gefordert in seinen Mehrfachrollen: Nie sah man ihn, als geisteskranken Schwerverbrecher, so diabolisch-augenrollend herumkrakeelen. Patrick L. Schmitz spielt den konsternierten Kritiker - die Seitenhiebe auf langweilige Stücke sind eine köstliche Zutat - und das an den Stuhl gefesselte Opfer mit körperlichem und stimmlichem Einsatz gleichermaßen überzeugend, und die Elaine Aline Joers' zeigt wieder einmal, wie effektiv diese Schauspielerin ihre mimischen Mittel zum Zwecke der Komikerzeugung einzusetzen weiß.
Nehmen wir noch Felix Pielmeier in seiner Doppelrolle als unterwürfiger Unterwelt-Arzt und schneidiger Leutnant - dann bleibt nur ein Fazit: ein ausgebufftes Ensemble, das schon mit Zwischenapplaus belohnt wurde etwa beim Anstimmen von "Amazing Grace" und nach gut zwei Stunden begeisterte Ovationen erntete. Und Jakob Fischers musikalische Vignetten sind das Tüpfelchen auf dem i.
Da brauchte es die vorsorglich bereit gelegten Decken nicht mehr. Dem Publikum war warm genug geworden.