Das Franz-Ludwig-Gymnasium hat einen Erinnerungsort für seine einstigen jüdischen Schüler und Lehrer geschaffen.
Genau in dieser altehrwürdigen, Stuck verzierten Aula saßen sie bis 1938 auch: die jüdischen Schüler und Lehrer des "Neuen Gymnasiums", heute Franz-Ludwig-Gymnasium. Jahrzehnte später fand sich am Mittwoch eine große Festversammlung just in diesem Saal ein, um ihrer zu gedenken. Um etwa an die Bamberger Willy Aron, Willy Lessing und die vielen anderen namentlich bekannten Opfer des Naziterrors zu erinnern. Und um zu mahnen: "Hüten wir uns davor, Rassismus und der Angst vor vermeintlich Fremden wieder Raum zu geben!", rief Schulleiter Martin Rohde der Schar zu, die diesen Worten mit starkem Beifall zustimmte.
Äußerer Anlass der Zusammenkunft war die Einweihung des Erinnerungsortes vor dem Haupteingang des Gymnasiums: die Skulptur in Form eines Hauses oder Sarges, die der israelische Künstler Micha Ullmann geschaffen hat.
Dieser Granitblock ist das Positiv der mit einem Glasfenster abgeschlossenen negativ Säule auf dem Domplatz. Diese in den Boden gehende Säule wurde nächst der 1775 abgebrochenen Tattermannsäule errichtet, die den "Nabel der Welt" markierte. "Ich hoffe, dass der Haus-Sarg-Steinblock vor der Schule eine Verbindung setzen wird zwischen der oberen und der unteren Säule, die beide in Richtung Jerusalem gerichtet sind", schrieb Micha Ullmann in einem Grußwort an das Gymnasium. Erinnerung bedeute für ihn als zweite Generation nach dem Holocaust, nach innen zu schauen. "Ich suche den Dialog zwischen dem, was war, und dem, was wird."
Die Skulptur im Eingangsbereich ist von einem bepflanzten Beet umgeben, das wiederum von einer Eschenbank eingerahmt ist. Auf der Sitzfläche sind Metallplatten mit den eingravierten Namen der jüdischen Mitschüler angebracht.
Mittig berührt die Inschrift in Deutsch und Hebräisch "Nur wer vergessen wurde, ist tot."
Dass es diesen Erinnerungsort überhaupt gibt, ist Projektseminaren der 11. Klassen unter der Leitung von Studienrätin Julia Behr zu verdanken. In akribischer Kleinarbeit haben die 16-Jährigen die Biografien ihrer einstigen 300 Kameraden aus der Zeitspanne 1890 bis 1938 recherchiert. "1938 gab es nur noch 14 Juden an der Schule", erzählt die Lehrerin. Andere waren emigriert, 27 kamen in Konzentrationslagern um, etliche Schicksale blieben im Dunkel der Geschichte. "Wir wollten alle in die Schulfamilie hereinholen und an sie erinnern", begründet Jutta Behr die von den Schülern geborene Idee, einen "echten lieu de memoire" zu schaffen als Ort der Begegnung, des Austauschs und des interreligiösen wie interkulturellen Dialogs.
Nicht in Musealität erstarrt
Der mit Bamberg eng verbundene
Galerist Ullmanns, Alexander Ochs, stellte die Verbindung zu dem israelischen Künstler her. Nora Gomringer, Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia, zog ebenfalls ihre Strippen. Und so kann sich das Franz-Ludwig-Gymnasium eines außergewöhnlichen Denkmals rühmen. "Es ist ein Ort des lebendigen Gedenkens, der nicht in Musealität erstarrt, sondern in die Zukunft weist", erklärte Alexander Ochs in der Feierstunde. "Für all die Ermordeten wurde Platz und ein Ort des Nachdenkens geschaffen." Galerist Ochs bat die Festversammlung um eine Gedenkminute für die einstigen und heutigen Opfer von Krieg, Verfolgung, Hunger in aller Welt. Stehend und schweigend folgte jeder dieser Bitte.
Den Schülerinnen Marie Ulshöfer und Laura Langemeyer oblag es, illustren Gesprächspartnern kluge Sentenzen über das Erinnern zu entlocken.
Erzbischof Ludwig Schick, Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD), Ministerialbeauftragter Edmund Neubauer, Rabbinerin Yael Deusel und Judaistik-Professorin Susanne Talabardon geizten denn auch nicht mit erhellenden Worten über Erinnerung als Wesensmerkmal des Menschen: Erinnerung an die Vergangenheit, um die Zukunft gestalten zu können. Doch auch die Frage stand im Raum, wie die Erinnerung gerade an den Holocaust wach gehalten werden könne, ohne in Rituale zu verfallen, zumal es bald keine Zeitzeugen mehr gebe. "Wir müssen neue Formen der Erinnerung entwickeln", lautete eine Schlussfolgerung.
Es war vielleicht auch eine Aufforderung der Älteren an die in der Aula vertretene Jugend. Diese reagierte mit dem bekannten Lied aus Israel "Shalom chaverim ...", Frieden! Langanhaltender Beifall belohnte zudem die schulischen Ensembles unter der Leitung von Michaela Werner für überaus gekonnt dargebotene Instrumentalmusik.