"Drei Schobbn - zwa Seidla - a U" ist der Titel eines Bildbandes, der bei vielen Bambergern nostalgische Erinnerungen an vergangene Kirchweihen und Kellerabende heraufbeschwören dürfte. Sechs fränkische Fotografen widmeten sich der Bierkultur der 90er Jahre.
Was versteht man an der Regnitz unter einer bierkulinarischen Äquatortaufe? Einen Initiationsritus für Menschen "aus der rauchbierfreien Welt", wie ihn Ekkehard Arnetzl Lesern in "Drei Schobbn - zwa Seidla - a U" vorstellt. Dazu serviert er Dichtkunst ums Brauereigeschehen des 19. Jahrhunderts, die Kenner mit mehr oder weniger Promille zu Papier brachten. Spezialitäten, Kuriositäten und anderes Know-how rund ums Bier erwarten uns schon in der Einleitung des neu erschienenen Bildbandes, der sich Bambergs "flüssiger Geschichte" widmet. Zumal die Domstadt rund um den Globus mit einer einzigartigen Artenvielfalt punktet: 65 Sorten flüssigen Brots gilt es hier zu pro-bier-en, wie der Stadtheimatpfleger betont. Na denn: Prost!
Verflossene Ära
So leitet ein gehaltvoller, aber keineswegs bierernster Essay des "Bamberger Nachtwächters" den 160-seitigen Bildband zur Bierstadt ein - gestaltet von sechs fränkischen Fotografen. Ihre Schwarz-Weiß-Bilder beschreiben auch nicht den Ist-Zustand, sondern führen in eine verflossene Ära: die 90er Jahre. Was bei vielen Lesern sicher bierselige Erinnerungen an vergangene Kirchweihen, Bockbieranstiche, Bierkellererlebnisse und Brauereibesuche heraufbeschwört.
"Bambergs große Brauereiendichte allein ist noch kein Grund, um von einer Bierstadt zu sprechen", meint Erich Weiß als Fotograf und Verleger von "Drei Schobbn - zwa Seidla - a U". Aus der Geschichte heraus entwickelte sich an der Regnitz aber eine Bierkultur, "der nachzuspüren es sich lohnt". So begannen Weiß, Johannes Karch, Werner Kohn, Gudrun Pimpl, Georg Pöhlein und Franziska Reif im Anschluss an eine Dokumentation zu den Bamberger Gärtnern in den frühen 90ern mit volkskundlichen Fotografien zur Bierstadt. "Dabei ging es uns auch darum, den Stellenwert des Bieres bei Bambergern aufzuzeigen": Eines Getränks, das "für manche nur ein Lebensmittel, für andere schlicht der Lebensmittelpunkt ist", wie es Ekkehard Arnetzl auf den Punkt brachte.
Relikte
Und wozu führte das jahrelange Quellenstudium der Fotografen? Zu amüsanten, romantischen, zuweilen auch nachdenklichen, fast philosophischen Bildern - zumal alle Aufnahmen eine versunkene Welt beschreiben. Der ferne Alltag verwandelt sich und wird zum Faszinosum: Nehmen wir Gudrun Pimpls Foto, das in der Malzfabrik Weyermann während der Anlieferung von Gerste entstand: eine Komposition aus Licht und Schatten. Leise Melancholie schwingt in Weiß' Bildern vom verfallenen Backsteinbau der ehemaligen Löwenbräu am Oberen Stephansberg mit. Ein eigenes Kapitel der Bierstadt beschreibt das Relikt aus der Gründerzeit - ebenso wie die Brauerei Maisel, die mittlerweile ebenfalls Geschichte ist.
"Als Fotografen erlebten wir eine Zeit des Umbruchs", meint Erich Weiß. Diverse Brauereien modernisierten in den 90er Jahren ihre Braustätten - "neue Technik, neue Kessel und Tanks zogen ein". So ist der Band, in dem Ekkehard Arnetzl eingangs auch an das Weiße Lamm, den Schwarzen Adler, den Roten Ochsen, Blauen Löwen und die Weiße Taube als untergegangene Braustätten erinnert, ein historisches Zeugnis der Bierstadt.
Her mit dem Bier!
Aber vergessen wir bei aller "Brauereienpoesie" nicht die Menschen, die uns auf den Seiten des Bildbandes begegnen: Ob das küssende Paar am Rande einer Kerwa der Neunziger Jahre heute wohl noch zusammen ist? Wie veränderte sich der Keller-Nachwuchs, der auf einigen Fotos schon gekonnt die Krüge schwingt? Zum Schmunzeln bringt uns der Dreikäsehoch, der im Mahrs-Bräu-Garten beherzt nach dem Bier seines Vaters greift. Und ein Festbesucher, der im Sand zum unfreiwilligen Protagonisten der "Sperrstundenzeremonie" wurde, die ein anderes Bild thematisiert: Not amused war der Mann über Wally Mücks Versuch, "seine" Bierbank zu räumen. Selbst in Schieflage gebracht, ließ sich der festgesessene Gast von der Pizzini-Wirtin nicht auf den Heimweg zwingen.
Zuletzt noch die Frage nach dem "U" im Titel des Bildbandes als Kürzel, das jenseits des Bratwurstäquators kaum zu entschlüsseln ist: Klar, ein Ungespundetes verbirgt sich dahinter, wie nun auch alle frisch Zugezogenen unter unseren Lesern wissen.
Bierselige Erfahrungen, Erlebnisse und Gedanken dreier Fotografen
Für Interessenten
"Drei Schobbn - zwa Seidla - a U" nennt sich der Bildband zur Bierstadt Bamberg mit Fotos von Johannes Karch, Werner Kohn, Gudrun Pimpl, Georg Pöhlein, Franziska Reif und Erich Weiß, die zwischen 1993 und 1998 entstanden. Er erschien im
Erich-Weiß-Verlag und ist unter ISBN 978-3-940821-33-1 erhältlich.