Thommie Bayer kommt nach Bamberg, wo der Popliterat am 11. Oktober im Club Kaulberg auf Dillberg trifft. Wir sprachen mit dem Autor, der sich in den 70er-Jahren als Liedermacher profilierte, bevor seine zweite Karriere mit Romanen wie "Das Herz ist eine miese Gegend" begann.
Als Kind träumte er von den Welten literarischer Helden - wollte Ritter oder besser noch Indianer sein. Stattdessen studierte Thommie Bayer an der Kunstakademie, avancierte zum Liedermacher und landete mit "Der letzte Cowboy" Ende der 70er einen Riesenhit. Dabei sollte die eigentliche Karriere des Autors erst beginnen, der seine Leser mit Romanen wie "Das Herz ist eine miese Gegend" beglückte. Bis heute aber schwingt Musik im Leben des mittlerweile 61-Jährigen mit, der am 11. Oktober im Club Kaulberg auf Dillberg trifft. Wir sprachen mit dem Literaten, der auch diverse Drehbücher schrieb und Bamberg schon bei früheren Besuchen lieben lernte.
Leise Melancholie zieht sich durch Ihre Romane und zeichnete bei aller Ironie auch den Song vom "letzten Cowboy aus Gütersloh" auf der Suche nach "Freiheit - irgendwo" aus.
Was trieb Sie mit Mitte 20 in Zeiten von Punk, Disco und New Wave zu dem Lied?
Thommie Bayer: Eigentlich war ich damals über alle Songs froh, die nicht zu melancholisch waren. Ich war als Solist unterwegs, allein mit meiner Gitarre und von Vorbildern wie Cohen oder Simon and Garfunkel geprägt. In dieser Zeit arbeitete ich viel mit Bernhard Lassahn zusammen, von ihm kamen oft die witzigen Songs, auch diese liebevolle Persiflage auf den klassischen Männertraum - die ganze Western- und Country-Romantik. Gunter Gabriel, in dessen Fernsehshow ich eingeladen war, fand das schrecklich und fühlte sich persönlich veräppelt. Aber Truck Stop fanden's toll und beschützten mich vor seinem Grimm.
Den Hang zur Schriftstellerei entwickelten Sie relativ spät - aus einer Krise heraus, wie Sie in einem Interview berichteten.
Was fanden Sie als Literat?
Durchs Schreiben fand ich mehr denn je zu mir selbst und meinem Talent. Ich war auf mich alleine gestellt, versank in Gedanken, in Geschichten, die sich weiter und weiter entwickelten. Als Musiker musste ich mit den Bandkollegen zuvor schließlich jede Idee diskutieren, mich erklären und anschließend mit ihren langen Gesichtern leben. Das Kommunikationstalent in dieser Richtung geht mir ziemlich ab.
"Der ganze linke Blödsinn"
Einer Ihrer bekanntesten Romane - "Das Herz ist eine miese Gegend" - spiegelt den Zeitgeist der 60er-, 70er- und 80er-Jahre. Vermissen Sie die Rebellion angesichts des Pragmatismus der Generation Y?
Ich schätzte mich glücklich, in Zeiten aufgewachsen zu sein, in denen die Musik noch sehr wichtig war und die Seele berührte.
Dennoch habe ich keinerlei nostalgische Erinnerungen angesichts des ganzen linken Blödsinns, den ich früher geglaubt und nachgeplappert habe. Ich hoffe, heute wachsen Realisten heran, die Machbares von Erträumtem unterscheiden und sich auf die Wirklichkeit einlassen.
Wünschen Sie sich im Literaturbetrieb heute mehr Provokateure? Wie veränderte sich die Erwartungshaltung der Leser seit den 80-ern?
Was die Erwartungshaltung des Publikums angeht, so habe ich - wenn überhaupt - allenfalls Verständnis für meine Leser. Mit ihnen fühle ich mich sehr verbunden. Auf der anderen Seite gibt und gab es immer Provokateure: Rüttelte Henry Miller in den 60er-Jahren an sexuellen Tabus, so war's Charlotte Roche nach der Jahrtausendwende. Ich war auch nicht ganz unschuldig, "Das Aquarium" und "Die gefährliche Frau" sind mit krasser Erotik und Sexualität unterwegs.
Manche Leser lieben's, manche stößt es ab, und so wird es weiterhin bleiben. Nein, wesentliche Veränderungen sehe ich im Literaturbetrieb eigentlich nicht.
Mieses Männer-Image
Schon in den 90ern thematisierten Sie das Ende der Macho-Herrlichkeit. Wobei das geschwächte Geschlecht bis heute eine wunderbare Zielscheibe ist. Wann ist ein Mann Ihrem Verständnis nach ein Mann?
Männer sind Männer, wenn sie nicht egoistisch, sondern fürsorglich sind. Wenn sie Rücksicht nehmen, andere beschützen und Verantwortung tragen. Die eigene Stärke zum Wohl der Mitmenschen und nicht dem eigenen Ego zuliebe einzusetzen, ist männlich. Wahre Männer sind aus der Welt auch nicht verschwunden, nur ist ihr Image im Eimer. Ich selbst sehe mich ebenfalls als Mann, der solchem Anspruch gerecht werden möchte.
Wobei das schon wieder ein Eigenlob ist, das das Klischee erfüllt und somit stinkt. Andererseits soll man ja ehrlich sein ...
Ja, bleiben Sie ehrlich! Und erklären unseren Lesern gleich, wie Sie aus einer glücklichen Ehe heraus über enttäuschte Liebe und unglückliche Romanzen schreiben können? Was reizt Sie generell am Beziehungsthema?
Es bleibt faszinierend, die Fremdheit eines anderes Menschen bei gleichzeitiger Verschmelzungssehnsucht zu studieren. Wie ein Schauspieler suche ich dabei nach Gefühlen, die ich von früher noch kenne - Verlorenheit, Einsamkeit und Verzweiflung. Daran herrschte in meinem Leben kein Mangel. Diese Emotionen sind Teil meines Instrumentariums. Wobei ich mich lange nicht als Autor sah, der um die Liebe kreist.
Dass das stimmt, habe ich erst kürzlich eingesehen.
Mit einem Doppelmord beginnt Ihr aktueller Roman "Die kurzen und die langen Jahre", der eine platonische Liebe beschreibt. Warum ließen Sie bei dem Verbrechen zwei homosexuelle Männer sterben?
Weil der schockierende Anfang zwei Fremde zusammenbringt, die fortan gemeinsam durchs Leben gehen: Silvie, die nichts von der Homosexualität ihres Mannes wusste, und Simon, dessen Vater seine wahren Gefühle verbarg. In ihrer Identität sind beide Protagonisten dementsprechend erschüttert und müssen sich selbst - Seite an Seite - neu finden.
Mit Mord und Totschlag befassten Sie sich schon als Drehbuchschreiber für einen Bremer Tatort. Wobei Sie sich auch für andere Fernseh- und Kinofilme kreativ zeigten, das Endergebnis aber meist als frustrierend empfanden.
Stimmt.
Drehbuchschreiben ist gut fürs Konto, aber schlecht für die Seele. Alles wird so ganz anders, als man es ursprünglich vor Augen hatte. Zu viele Leute hinterlassen ihre Fußspuren - vom Redakteur bis hin zum Producer. Außerdem regiert in Deutschland die Spießigkeit. In unserem Tatort "Brandwunden" musste alles so politisch korrekt sein, dass Türken nicht mal die Gartenlaube ihrer rechtsradikalen Kontrahenten abfackeln durften.
Mit der Band Dillberg kommen Sie am 11. Oktober nach Bamberg. Was verbindet Sie mit den vier Vertretern der Neopopularmusik?
Ein Bandmitglied sprach mich als Leser meiner Bücher an, ob wir nicht gemeinsam was auf die Beine stellen könnten: "Wir machen Musik, du liest." Und das bringt uns nun auch wieder nach Bamberg: Eine wahnsinnig schöne Stadt, die ich bei früheren Lesungen kennenlernte.
Inklusive Rauchbier?
Nein, ich trinke ausschließlich ausländischen Rotwein. Ich bin ein Spießer und mache keine Experimente mit unbekannten Getränken.