Die Schöne und die Biester aus Bamberg

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Eine der vielen Facetten des "Musenwunders" (v. l. Patrick L. Schmitz, Aline Joers, Franz Tröger). Foto: Matthias Weinberger
Eine der vielen Facetten des "Musenwunders" (v. l. Patrick L. Schmitz, Aline Joers, Franz Tröger). Foto: Matthias Weinberger
Die Spieluhr verbindet das "Musenwunder": (v. l.) Aline Joers, Franz Tröger, Patrick L. Schmitz. Foto: Matthias Weinberger
Die Spieluhr verbindet das "Musenwunder": (v. l.) Aline Joers, Franz Tröger, Patrick L. Schmitz.  Foto: Matthias Weinberger
 

Das "Musenwunder" ereignet sich bald sieben Jahre lang. Doch in seiner Heimat ist das Trio Joers, Schmitz, Tröger in dieser Konstellation wenig bekannt.

Zugegeben, zunächst fühlt man sich in die Wortspielhölle geworfen. Jedoch: Jüngere Jahrgänge dürften bei "Musenwunder" die durch simples Auswechseln des ersten Buchstabens erzielte Assoziation an üppige Schauspielerinnen wie Sophia Loren, Jayne Mansfield oder Gina Lollobrigida kaum mehr hegen: Gina wer? Und: Ursprünglich war "Musenwunder" als "Muse(e)nwunder" konzipiert - verworfen, weil zu kompliziert.

Museenwunder also. Damit kommen wir der Sache näher, ja ganz nahe. Denn das Trio Aline Joers, Patrick L. (für "Ludovicus") Schmitz und Franz Tröger, das sich als Musenwunder benamst hat, tritt gerne in Museen auf. Im Neu-Ulmer Edwin-Scharff-Museum etwa. Dort rezitierten und sangen die Drei Gedichte und Lieder von Dichtern und Komponisten im Ersten Weltkrieg, von Alfred Lichtenstein und Rudi Stephan etwa. "Verglühte Träume" hieß das Programm. Oder im selben Museum die Begleitung der Ausstellung "Zwischen Madonna und Mutter Courage. Die Mutter in der bildenden Kunst 1905-1935" mit dem schönen Titel "Meine Mutter schmiert die Butter - eine Lese- und Musikreise durch die Welt von Mutterschutz und Mutterwitz".

Allzu hochkulturell? Gemach. Das "Musenwunder" hat auch eine "Schokomontage" im Repertoire, "23 % Theater, 36 % Musik und 14 % wichtige Betrachtungen aus Schokologie und Kunstgeschichte. Mit zwölf Liedern, vier Geschichten, siebzehn Stimmungsgedichten und sportlichen Schlagern, fünf lebenden Bildern, drei Bohnenfälschern, zwei Aztekenopern sowie einem Zartbitterritter", entwickelt fürs Museum Ritter. Aber auch einen Pferde-, einen Spielzeug- und einen Erich-Kästner-Abend hat das Trio parat. Was sich jüngst im neuen "Pferdestall" im Krackhardt-Café am Maxplatz aufs Schönste vereint hat.

In Bamberg bestens bekannt

Eigentlich Premiere in Bamberg. Und ein solcher Erfolg, dass "Wo bleibt das Positive, Herr Kästner" am 27. Februar auch schon wieder ausverkauft ist (man kann's noch an der Abendkasse versuchen). Sicher liegt's auch daran, dass die drei wunderbaren Protagonisten in der Bamberger Kulturszene seit Jahren bekannt und verankert sind. Dabei eint sie, dass sie keine gebürtigen Bamberger sind.

Franz Tröger, Jahrgang 1961, kommt aus dem Allgäu. Als Senior des Trios hat er einen überaus buntscheckigen Lebenslauf vorzuweisen: studierter Pianist und Komponist, Arrangeur, Bühnenmusiker, Musiklehrer...

Insgesamt 14 Jahre wirkte er in Berlin ("interessant, aber nicht schön"), arbeitete dort als Korrepetitor und Lehrer an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Ein Studium in Geschichte und Politik schloss er mit einer Arbeit über "Briefmarken in der politischen Kommunikation des NS-Staates" ab, bevor er sich wieder etwas ganz anderem zuwandte und in einer Konstanzer Unternehmensberatung arbeitete. Die Liebe brachte ihn 2009 ins schöne Bamberg, wo er sich flugs als Theatermusiker ("Der Urknall") etablierte und auch als Mitarbeiter des "Fränkischen Tags". Halt, europaweit ist er der maßgebende Spieluhren-Kompositeur. Was seine vielfältigen Aktivitäten immer noch nur umreißt.

Mal Berlin, mal Gärtnerviertel

Geliebt vom Publikum des E.T.A.-Hoffmann-Theaters wurden auch Aline Joers und Patrick L. Schmitz. Des Trios Jüngste wurde in Berlin geboren und absolvierte dort auch ihre Schauspielausbildung. Von 2009 bis 2013 entwickelte sie am Bamberger Stadttheater vor allem ihr komisches und gesangliches Talent, liebte aber auch Rollen in "Bonnie & Clyde" im Morphclub oder in Robert Wilsons "Woyzeck" mit der Musik von Tom Waits. Dann zog sie wieder in die Hauptstadt, arbeitete mit jungen Flüchtlingen und spielte in Österreich. Heute ist sie als gereifte Aktrice beim "Theater im Gärtnerviertel" zu erleben oder eben beim "Musenwunder".

Das Komische liegt auch Patrick L. Schmitz. Schon vom Äußeren ähnelt er dem großen deutschen Humoristen Heinz Erhardt. Was lag näher für den Wiesbadener aus einer Künstlerfamilie (Jahrgang 1978), mit Gerald Leiß als "Heinz & Heinz" ein Erhardt-Programm auf die Beine und Bühne zu stellen, mit dem sie seit Jahren auftreten? Den Narren im "Lear" spielte der vollschlanke Mann, aber auch den Biff im "Tod eines Handlungsreisenden". Immerhin elf Jahre, von 2004 bis 2015, war er am E.T.A.-Hoffmann-Theater engagiert, bis zu den bekannten Vorgängen. Doch er hat sich ein neues Standbein geschaffen, als Heinz Egon Winzigmann oder José Sancho Gonzalez bei den Bad Segeberger Karl-May-Spielen.

"Griechischer Wein" im Kanon

Das "Musenwunder" hat also diverse Spielarten drauf, Klassik und Klamauk, Komisches und Tragisches, Hochkultur und Pop. Im Weinprogramm - im Sommer in Haßfurt zu sehen - singt es zusammen mit dem Publikum einen Kanon "Griechischer Wein". Eine Spezialität Franz Trögers, der gern vergessene Chansons und Komponisten ausgräbt, moderiert und die biografischen Abende etwa zu Mascha Kaléko oder Shakespeare entwickelt - nach Brainstorming im Team. Etwa 20 Programme sind so entstanden zwischen Hochkultur und Nonsens ("Kleines Tierleben: Warum gibt es in der Aisch keine Flusspferde?"), gespielt wird so zehnmal im Jahr. Geprobt wird eher wenig; die Termine der frei schaffenden Künstler zu vereinen ist keine leichte Aufgabe. Und schließlich haben wir es mit Profis zu tun, die ihre Parts auch solo einstudieren können.

Man kann nur hoffen, dass sie sich in der (Wahl-)Heimat etwas häufiger sehen lassen. Vielleicht mit ihrem Erotik-Programm "Enthüllungen einer Stripteasetänzerin", in dem sie Positionen aus Aufklärungsbüchern der 60er-Jahre nachstellen. Was das Publikum zu Lachsalven animiert und die Grenzen zwischen Busen-, Musen-, Museenwunder verschwimmen lässt.