Derbe Worte führten zu wüster Schlägerei am Parkplatz

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Foto: News5/Merzbach
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Zwei Männer müssen sich vor dem Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Die Aussagen zu Prozessbeginn widersprechen sich erheblich.

Wenn sich jeder der Beteiligten am Nachmittag des 6. Februar so verhalten hätte, wie er es am Dienstag vor Gericht behauptet hat, wäre kein großer Schaden entstanden. Selbst zugeschlagen wollte eigentlich keiner haben, höchstens zur Verteidigung. Doch es muss sich anders zugetragen haben, denn am Ende der damaligen Auseinandersetzung auf dem Gaustädter Lidl-Parkplatz mussten fünf zum Teil schwer Verletzte behandelt werden, einer wurde sogar reanimiert. Der Jüngere der beiden Angeklagten sitzt seither in der Justizvollzugsanstalt Bamberg ein und wurde in Fußfesseln vorgeführt, die Anklagebank teilt er mit seinem 54-jährigen Vater.
Unbestritten ist, dass die drei beteiligten Zeugen (gegen die wegen der Schlägerei ebenfalls ein Verfahren läuft) an jenem Nachmittag auf dem Parkplatz Bier miteinander tranken und da zwei der Beteiligten an den Vortagen Geburtstag hatten, war hier wohl auch noch reichlich Restalkohol im Spiel. Die Angeklagten hatten eingekauft und wollten aus einer Parklücke stoßen. Es kam zum Wortwechsel und schnell flogen auch die Fäuste. Alles was darüber hinaus geht, wurde in den unterschiedlichsten Variationen vor Gericht ausgebreitet. Nur der jüngere Angeklagte Juri T. junior (Namen geändert) wollte sich (zunächst noch) nicht zur Sache äußern.
Sein Vater Juri T. senior schilderte, dass er beim Herausfahren Beleidigungen und laute Rufe aus der Gruppe gehört habe. Da er wie sein Sohn Russisch versteht, kannte er auch die Bedeutung des angeblich verwendeten Ausdrucks "Kurwa mac", was "Deine Mutter ist eine Hure" heiße. In Polen, wo die Zeugen herstammen, verwendet man diese Redewendung aber manchmal umgangssprachlich, ohne den Sinn groß zu hinterfragen, erläuterte Dolmetscherin Ewa Pychal. "In Russisch ist das aber schon beleidigend", fügte ihre Dolmetscher-Kollegin Kornelia Schistka-Streck hinzu. Der ältere Angeklagte sei nun ausgestiegen und habe gefragt, weshalb die drei so schreien. Da habe ihm einer gleich ins Gesicht geschlagen und er sei kurz benommen gewesen. Als er wieder zu sich kam, hätte das Trio auf seinen am Boden liegenden Sohn eingetreten und geschlagen. Es kam zu vielen wechselseitigen Schlägen und Tritten, er selbst habe aber nur geschubst. Sein Sohn habe einem 26-Jährigen, der Juri T. senior angreifen wollte, schließlich gegen die Brust geschlagen, der sei mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen und benommen liegengeblieben. "Bis zum heutigen Tag kann ich nicht verstehen, dass mein Sohn im Gefängnis sitzt, dabei haben wir nicht angefangen und uns nur gewehrt", sagt Juri T. senior. Staatsanwalt André Libischer musste wie bei fast jeder folgenden Aussage auf deutliche Unterschiede zur damaligen polizeilichen Vernehmung hinweisen.
Um die Frage, unter welchen Umständen der Zeuge Marek I. (Namen geändert) das Bewusstsein verlor, dreht sich ein Großteil der Verhandlung. Denn die Anklageschrift wirft Juri T. junior unter anderem vor, dass er dem Zeugen gegen den Kopf getreten hatte, wodurch I. gegen die Hauswand geschleudert worden war. In der Verhandlung klaffen nun allerdings bei vielen der Beteiligten tiefe Erinnerungslücken.
Beim schwer verletzten 26-Jährigen, der bei der Schlägerei unter anderem zwei Zähne verlor, könnte das laut dem Sachverständigen Dr. Christoph Mattern auch mit einer retrograden Amnesie in Folge einer Gehirnerschütterung zu tun haben. Marek I. habe einen Schlag ins Gesicht bekommen, "danach weiß ich gar nichts mehr." Zudem wurden auch noch fünfeinhalb Stunden nach der Schlägerei 0,94 Promille Alkohol in seinem Blut festgestellt. Sein Freund Igor K. behauptet, vom Auto der Angeklagten gestreift worden zu sein. Er habe gerufen: "Wie fährst du denn? Pass auf." Er räumte allerdings ein, dass auch die erwähnte Beschimpfung gefallen sein könnte. Darauf sei K. sofort vom jüngeren Angeklagten ins Gesicht geschlagen worden. Dieser habe dann später auch auf den am Boden liegenden I. eingetreten. Er selbst habe weder geschlagen noch getreten. Auch K. sagte in großen Teilen anders aus als kurz nach der Schlägerei, weshalb der Staatsanwalt feststellte: "Entweder sie haben damals seitenweise Blödsinn erzählt oder Sie tun das jetzt." Der dritte beteiligte Zeuge entschloss sich, nicht vor Gericht auszusagen.
Spannend wurde es, als ein Augenzeuge des Geschehens berichtete. Er wurde durch den Lärm aufmerksam. "Es war ein einziges Gemetzel, alle hatte klaffende Wunden im Gesicht und schlugen weiter aufeinander ein." Als einer der Streitenden zu Boden ging, stellte er sich zwischen die Männer und rief ganz laut: "Schluss jetzt!" Für einen Augenblick sei tatsächlich Ruhe gewesen. Doch Juri T. junior habe die Situation genutzt, um I. gegen den Kopf zu schlagen, dann sei dieser gegen die Wand geprallt. Der Vorsitzende Richter Markus Reznik dankte dem Zeugen für seine Zivilcourage: "Wir würden uns noch häufiger wünschen, dass jemand so reagiert."
"Die aus Polen haben auf die Gosche gekriegt, weil die anderen treffsicherer waren, aber sie wollten trotzdem immer weitermachen", sagte die nächste Zeugin. Sie schien die eine oder andere Erinnerungslücke mit Vermutungen auffüllen zu wollen. Auf entsprechende Vorhaltungen räumte sie ein: "Ich bekomme das nicht mehr so genau hin, weil ich mit der Geschichte abgeschlossen habe. Und ich bin froh, dass das so ist."
Verteidiger Thomas Drehsen hatte schon zu Beginn der Verhandlung ein Nitzsche-Zitat bemüht. Erinnerung sei eben nur die Reproduktion, nicht die Wiedergabe von Wahrgenommenem. Leicht dürfte die Wahrheitsfindung für das Gericht auch an den kommenden beiden Verhandlungstagen nicht werden, wenn weitere Zeugen und Sachverständige gehört werden. Das Urteil wird für Donnerstag erwartet.