Am 1. August 1974 gingen in Oberfranken die Lichter aus. Alle Ampeln erloschen, alle Maschinen blieben stehen.
Plötzlich streikten die Staubsauger, Föhne und Kaffeemaschinen. Waschmaschinen stoppten, Kühlschränke begannen abzutauen. Wer auf einer Rolltreppe stand, blieb stehen. Wer im Aufzug fuhr, saß unversehens im Dunkeln. Und alle Ampeln waren plötzlich aus, so dass die Polizei wieder den Verkehr regelte: Nahezu ganz Oberfranken war am 1. August 1974 ohne Strom - und es dauerte in einigen Bereichen Stunden, bis die Lichter wieder angingen.
Kein Babyboom
Nein, es gab in Bamberg neun Monate später keinen Babyboom, was man vermuten könnte. Im Vergleich zu 1974 gingen die Geburtenzahlen 1975 der städtischen Pressestelle zufolge sogar von 634 auf 589 zurück. In Bamberg hatte der Blackout auch nicht länger als 34 Minuten gedauert - für den eher trägen Franken kein Grund, sich für 'nen Quickie oder mehr aufzuraffen. Was aber war passiert? Ein Schaltfehler im Umspannwerk Würgau der Bayernwerk AG hatte "exakt um 9.36 Uhr zum größten Stromausfall der letzten Jahre im nordbayerischen Raum geführt", wie der FT am Tag darauf berichtete. Der Blackout betraf nahezu unseren gesamten Regierungsbezirk, Teile Mittel- und Unterfrankens, darunter Eltmann und Ebern. Während die Bamberger noch glimpflich davon kamen, wartete man in anderen Regionen fast zwei Stunden lang, bis das Problem behoben war.
Was für Privathaushalte ärgerlich ist, kann für Industriebetriebe Produktionsausfälle bedeuten. Bei den Bamberger Bosch-Werken verbrannte damals in einem "Durchlaufhärteofen eine ganze Charge von Teilen", wie der FT schrieb. Auch hätten etliche Spezialwerkzeuge den Blackout nicht überlebt.
Becken gesperrt
In den Schwimmbädern reagierte man. Beim Schwimmverein wurde sicherheitshalber gleich das Becken gesperrt. Ja und dann gab's noch die Verkehrsprobleme, die der Schaltfehler und daraufhin entstandene Kurzschluss anrichteten: "Wer auf bevorrechtigten Straßen fuhr, war gut dran", so der FT. Auf lange Wartezeiten mussten sich aber alle einstellen, die von einer Seitenstraße aus in eine Hauptstraße einbiegen wollten. So konnte "die Landespolizei in Bamberg nur die wichtigsten der 46 ampelgesicherten Bamberger Kreuzungen besetzen lassen". Dort wurde der Verkehr dann wieder wie vor 100 Jahren geregelt, als der Anblick des Schutzmanns in der Mitte einer Kreuzung noch ebenso selbstverständlich war wie Kutschen, die zwischen den Autos fuhren.
Kein Unfall
Und tatsächlich kam's in der ampellosen Zeit zu keinem Verkehrsunfall. An einer Kreuzung mussten die Autofahrer allerdings noch länger darauf warten, dass das grüne beziehungsweise rote Licht anspringt: Erst nach über fünf Stunden wurde die Anlage wieder zugeschaltet - dem FT sei dank, der die Verantwortlichen auf das Problem aufmerksam gemacht hatte (und auch das am nächsten Tag berichtete).
Benzinpreis gibt nach
Kein Thema war der Stromausfall übrigens für die überregionalen Nachrichten. So gehen wir mal davon aus, dass sich auch außerhalb von Bamberg die Panik in Grenzen hielt, Plünderungen und Unruhen ausblieben. Dafür wanderten die Proteste gegen den Bau (ja, Bau, nicht Abbau) des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld ins Blatt. Weitere Meldungen: "Der Benzinpreis gibt auf breiter Front nach" (damals bei 80,7 Pfennigen pro Liter). Und die Nachricht, dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung "Zweifel an der Erfolgsbilanz der DDR-Wirtschaft" anmeldet, die gerade im amtlichen "Planerfüllungsbericht" Ost-Berlins veröffentlicht worden war.