Der Rote Faden in der Matrix

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Gründete vor 20 Jahren das Unternehmen: Geschäftsführer Uwe Reißenweber in einem von vielen Büros in der Kapuzinerstraße in Bamberg. Virtuelle Einblicke erhalten durch Docufy-Technologie zum Beispiel Techniker bei der Wartung komplexer Maschinen. Dafür müssen sie nicht gleich alles auseinanderbauen, sondern nur mit dem Bildschirm darüberfahren. Fotos: Sebastian Schanz/Docufy
Gründete vor 20 Jahren das Unternehmen: Geschäftsführer Uwe Reißenweber in einem von vielen Büros in der Kapuzinerstraße in Bamberg. Virtuelle Einblicke erhalten durch Docufy-Technologie zum Beispiel Techniker bei der Wartung komplexer Maschinen. Dafür müssen sie nicht gleich alles auseinanderbauen, sondern nur mit dem Bildschirm darüberfahren. Fotos: Sebastian Schanz/Docufy
 
 
 
 
 
 

Das Bamberger Unternehmen Docufy arbeitet daran, dass jeder Nutzer in einer Bedienungsanleitung sofort das findet, was er sucht - beim Ventilator oder beim Auto. Neuester Clou ist ein virtueller Einblick in komplexe Maschinen.

Jeder, der vor Wut schon einmal eine Bedienungsanleitung gegen die Wand geschmissen hat, versteht die Nützlichkeit der Bamberger Firma Docufy. Denn das Digitalunternehmen hat sich darauf spezialisiert, Frustmomente mit Anleitungen zu verhindern. Im besten Fall muss der Nutzer das Handbuch nicht einmal in die Hand nehmen.

Wie das geht? Das erklärt Geschäftsführer und Firmengründer Uwe Reißenweber anhand eines Autos. "Früher lag ein Handbuch gedruckt im Wagen, die Infos fand man verteilt auf 15 verschiedenen Seiten. Das reicht heute nicht mehr." Man möchte die Infos auf dem Autodisplay, auf dem Handy oder auch im Internet - und zwar auch nur die, die genau zum individuellen Modell passen und nur die, die das aktuelle Problem lösen. Im besten Fall, ergänzt der Informatiker, muss der Nutzer die Infos gar nicht erst suchen, sondern das Auto erkennt den Fehler und spielt dem Fahrer gleich die passende Anleitung aufs Handy.

Zukunftsmusik? Diese Klaviatur beherrscht die Tüftlerfirma recht gut. Das haben längst auch Weltunternehmen wie Siemens und Daimler, Volkswagen und Volvo erkannt. Rund 350 Kunden setzen die Bamberger Software für die technische Dokumentation in 48 Ländern weltweit ein. Die Nachfrage ließ Docufy im 20. Jahr seiner Gründung auf über 100 Mitarbeiter wachsen.

Seit 2017 gehört Docufy der Heidelberger Druckmaschinen AG an, einem Riesen mit 11 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 2,5 Milliarden Euro. "Wir haben ein Markt-Potenzial, das man als kleine Software-Bude nicht voll ausspielen kann", erklärt Reißenweber dazu.

Angefangen hat 1998 alles als kleine Software-Bude. Die Erfolgsgeschichte basiert auf einer - wie man in Bamberg sagen würde - brottrockenen Angelegenheit. "Wenn mich damals jemand gefragt hat, was ich mache, hab ich geantwortet: Oh, das ist schwierig." Als Apple in Amerika gerade den iMac auf den Markt brachte, gründete Reißenweber in Bamberg seine Firma Docufy, um mit der Computersprache XML Redaktionsprozesse zu verbessern. Verlage standen damals vor der Frage, wie sie ihre Inhalte nicht nur im Print, sondern auch elektronisch nutzbar machen können. "Der XML-Standard ermöglichte die maschinelle Bearbeitung von Texten", erklärt der Gründer.

Schnell jedoch merkte der Bamberger Informatiker, dass er einen weitaus größeren und kapitaleren Kundenkreis erobern könnte: die Technikbranche. "Die 100 größten Fachverlage zusammen hatten damals weniger Jahresumsatz als ein großer deutscher Autobauer im Quartal", bringt es Reißenweber auf den Punkt. Technische Dokumentation war das Zauberwort - und ist es für Docufy bis heute.

"Variantenhandling wird immer wichtiger in der Wirtschaft. Die Produkte werden immer individueller, die Betriebsanleitung muss es auch werden", erklärt Reißenweber. Nicht alles an einem neuen Produkt sei zu hundert Prozent neu. Nicht immer also muss die komplette Betriebsanleitung umgeschrieben werden. "Es geht darum, Infos so aufzubereiten, dass man sie gut abrufen kann", erklärt Marketingsprecherin Katharina Gottwald. Information klassifizieren: Dafür hat Docufy das Handwerkszeug entwickelt.

Richtig futuristisch wird es, wenn die Tüftler ihre Virtual-Reality-Brillen aufsetzen und in die künstliche Realität eintauchen, in die erweiterte Realität - "augmented reality", wie sie es nennen. Künftig könnte die Technologie helfen, Einblicke in komplexe Maschinen zu erhalten, ohne sie gleich auseinanderschrauben zu müssen. Wer mit der Brille auf das Gehäuse schaut oder ein Display darüber hält, sieht plötzlich das Herzstück des Motors, erfährt welche Bauteile defekt sind und, und, und. "Für den Maschinenbediener kann ich andere Einblendungen auf die Brille geben, als für den Wartungstechniker", erklärt Gottwald die Gemeinschaftsentwicklung mit den Partnern Kothes und Re'flekt. "Das ist das High-End", schwärmt Reißenweber.

Wie sieht die Zukunft für die Entwicklung seiner Firma aus? "Ziel ist es schon, in den nächsten fünf Jahren den Umsatz zu verdoppeln", antwortet Reißenweber. Momentan wird jedes digitale Handwerkszeug noch relativ individuell für jeden Kunden zugeschnitten. Gerade arbeitet die Bamberger Ideenschmiede daran, eine Standardlösung zu entwickeln. Künftig sollen die Firmen damit noch einfacher ihre Betriebsanleitungen editieren und konfigurieren können.

Ob die Zukunft weiterhin in den Altbauräumen in der Kapuzinerstraße stattfinden wird? Das rasant wachsende Unternehmen hatte ein Auge auf die Lagarde-Kaserne geworfen, aber von der Stadt einen Korb bekommen. Die Altstadtlage - die Nähe zur Uni - ist für die Ideenschmiede unverzichtbar. Denn Nachwuchskräfte rekrutiert Docufy hauptsächlich unter Werksstudenten.