Rassismusdebatte in Bamberg um das Mohrenhaus

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Die Schlange um den Arm wie beim Äskulapstab, dem Symbol des ärztlichen und pharmazeutischen Standes, und neben sich einen Mörser: Die Hausfigur über dem Eingang des Mohrenhauses, der ehemaligen Mohrenapotheke, trägt die Insignien der Heilkunde. Foto: Ronald Rinklef
Die Schlange um den Arm wie beim Äskulapstab, dem Symbol des ärztlichen und pharmazeutischen Standes, und neben sich einen Mörser: Die Hausfigur über dem Eingang des Mohrenhauses, der ehemaligen Mohrenapotheke, trägt die Insignien der Heilkunde.  Foto: Ronald Rinklef
"Selbstherrliche Anmaßung", sagt der Hausbesitzer dazu. Foto: pr.
"Selbstherrliche Anmaßung", sagt der Hausbesitzer dazu.  Foto: pr.
 

Inhaber und Verkaufspersonal des Mohrenhauses werden immer wieder wegen des angeblich diskriminierenden Geschäftsnamens angegriffen. Mit Kommentar.

Wenn es bloß bei anonymen Anrufen und Verbalangriffen geblieben wäre, wie sie "Anna D." und "Salwa Y." auf die Facebook-Seite des Bamberger Mohrenhauses gepostet haben. Doch vor kurzem war der Laden am Obstmarkt mit rot-weißem Flatterband "abgesperrt", ein anderes Mal sahen sich Inhaber und Mitarbeiter mit Aufklebern konfrontiert, deren Text wir an dieser Stelle nicht wiederholen, sondern nur im Bildzeigen.

Das Mohrenhaus solle umbenannt werden, hat schon am 14. August 2014 die "Postkoloniale Aktionsgruppe Bamberg" via Facebook gefordert: "Wir wünschen uns, dass zum Beispiel beim ,Mohrenhaus' an der oberen Rathausbrücke in Bamberg eine Auseinandersetzung über die Bezeichnungen und Darstellungen schwarzer Menschen in Gang gesetzt wird." Der Vorschlag der Gruppe: "Möhrenhaus". Eine Anna D. (der Name deutet auf ein Pseudonym hin) lässt verlauten: "Es ist mehr als Zeit, den Namen zu ändern und die Vergangenheit öffentlich zu dokumentieren."


In der Nazizeit verboten

Ja wirklich, ein Blick in die Vergangenheit kann nicht schaden, wenn man glaubt, am Beispiel des Mohrenhauses die Political-Correctness-Keule herausholen zu müssen. Der Begriff Mohr, so sagt Bezirksheimatpfleger Günter Dippold, kommt vom lateinischen Maurus. Der Heilige Mauritius war ein aus Oberäpypten stammender Ritter und Märtyrer aus dem vierten Jahrhundert, der in ganz Europa verehrt worden ist - vor allem zur Zeit der Ottonen und Stauferkaiser. Von 1570 bis heute ziert der Heilige als "Mohrenkopf" das Stadtwappen von Coburg - sieht man von der Unterbrechung im so genannten Dritten Reich ab, als die Nazis den Mohren verboten haben.

Der Mohr war im 15., 16. und 17. Jahrhundert beliebter Namensgeber für Apotheken. Noch heute gibt es über 100 Mohrenapotheken in Deutschland, wie das Zeitmagazin am 1. Juni berichtet hat. Einige Mohrenapotheken sind 500 Jahre alt. Nach den Recherchen der Autorin Friederike Milbradt ist nicht genau geklärt, weshalb Apotheken so benannt wurden, vermutlich aber, um auf "ihr besonderes Angebot hinzuweisen: Arzneien aus fernen Ländern, der Heimat der Menschen, die man einst als Mohren bezeichnete".

Wäre "Mohr" ein Schimpfwort gewesen, hätte niemand das Wort zum Namen einer Apotheke, einer Brauerei, eines Gasthauses oder das Bild zum Wappenemblem eines Adelsgeschlechts gemacht. Der Begriff war durch und durch positiv besetzt. In Bamberg, wo es das "Haus zum Mohren" seit 1637 gibt, lässt sich die Wertschätzung leicht an der mit Gold verzierten Mohren-Figur ablesen: "Unser Mohr an der Fassade ist kein Sklave, sondern ein König. Er trägt eine Krone und schaut erhaben auf die Leute unter ihm herab. In seinem Gefäß hat er Medizin und er trägt um den Arm die Äskulap-Schlange. Der Mohr ist ein Symbol für heilbringende Kräuter aus fernen Ländern", sagen die Inhaberin des Mohrenhauses, Edith Papritz, und ihr Mann Ludwig. Das Logo sei "ein sympathisches Gesicht", das nichts Diskriminierendes habe.

Den Anfeindungen auf Facebook ("Leider keine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Geschäfts erwünscht. Nettes Nachfragen wurde unverschämt unfreundlich abgeblockt.") ist Edith Papritz freundlich entgegengetreten: "Den Namen Mohren-Haus haben wir nicht willkürlich gewählt, sondern mit Stolz und Hochachtung übernommen. Für unsere Mitarbeiter ist es nicht immer einfach, sich zu diesem Thema während des laufenden Geschäftsbetriebes zu äußern. "

Ihr Mann Ludwig Papritz schlägt im Gespräch deutliche Töne an: Die Verwendung eines historischen Namens sei kein Rassismus. Rassismus beinhalte immer etwas Abwertendes. Er selbst habe seine Doktorarbeit in deutschem Verfassungsrecht geschrieben, kenne also sehr wohl die Paragraphen 1 und 3 - Würde des Menschen und Gleichheitsgrundsatz - und er lebe danach. "Wenn anonym beleidigende Schriften an Schaufenstern abgebracht werden, ist dies wohl das Gegenteil von Political Correctness und erinnert an dunkle Kapitel der deutschen Geschichte", sagt Papritz. Rassismus sehe anders aus "und es gibt genügend andere Felder, um den Rassismus zu bekämpfen".

Leser Steffen Derleth, der das Foto vom Aufkleber in die Redaktion geschickt hat, vertritt die gleiche Auffassung: "Die politische Korrektheit schreitet immer weiter voran und lenkt von wahren Problemen in Afrika ab." Er frage sich, ob jetzt die Figuren der Königin von Saba eingeschmolzen werden müssten, der Name Moritz (von Mauritius) bestehen bleiben dürfe, braune Schokolade aus den Regalen entfernt werden solle. Abschließend stellt er fest: "Rassismus hab ich in dem Laden ja noch keinen entdeckt."

Wäre es anders, wäre beim Mohrenhaus in der letzten Woche auch bestimmt keine Bestellung für Gartenmöbel aus Accra/Ghana/Afrika eingegangen: "Die Leiterin des Goethe-Instituts mitten in Afrika hatte offensichtlich keine Skrupel, einen größeren Auftrag an ,Rassisten' zu vergeben", teilt Papritz mit.

Kommentar von Gertrud Glössner-Möschk

Eine Bamberger Institution steht unter Beschuss: das Mohrenhaus am Obstmarkt. Lange haben Edith und Ludwig Papritz geschwiegen, die Anfeindungen ertragen. Jetzt, nachdem sie Aufkleber mit üblem Text auf den Fensterläden vorgefunden haben, üben sie keine vornehme Zurückhaltung mehr und reden Klartext: "Wir werden uns diesem Meinungsterror einiger hirnloser Fanatiker nicht beugen. Das Mohrenhaus bleibt Mohrenhaus, weil die Bamberger es lieben."
Es ist gut nachvollziehbar, wenn sich die Mohrenhaus-Inhaber selbst diskriminiert fühlen von Menschen, von denen die meisten nicht den Mut haben, namentlich in Erscheinung zu treten. Sie vermissen eine tiefer gehende Beschäftigung mit dem Thema, einen Blick in die Geschichtsbücher. Abweichende Meinungen würden verdammt, kritiklos nachgeplappert, was für Political Correctness gehalten wird, beklagt Papritz. Das hat er auch beim Kulturfestival "Kontakt" zu spüren bekommen, als er bereit war, die Sache zu unterstützen. Seine Zusage zog er zurück, weil die Veranstalter von ihm verlangten, auf Namen und Logo des Mohrenhauses zu verzichten.
Bei vielen sitzt die Schere anscheinend schon fest im Kopf: Fast täglich stehen unbedarfte Passanten vor dem Mohrenhaus am Obstmarkt, schütteln den Kopf und fragen laut: "Darf man das denn heute noch?"
Zweifel, Misstrauen, Angst und innere Zensur kontra Information und gesunden Menschenverstand? Das lässt Schlimmes befürchten.