Chefarzt-Prozess: Nur ein Gutachter durfte reden

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Der Gynäkologie-Professor Johannes Dietl (Zweiter von rechts) durfte sein Gutachten am Dienstag nicht vortragen, der Chirurgie-Professor Arnulf Thiede (Zweiter von links) dagegen schon - wenn auch ohne den Nachtrag, den er unter dem Eindruck des Prozesses angefertigt hatte. Archivfoto: Anna Lienhardt
Der Gynäkologie-Professor Johannes Dietl (Zweiter von rechts) durfte sein Gutachten am Dienstag nicht vortragen, der Chirurgie-Professor Arnulf Thiede (Zweiter von links) dagegen schon - wenn auch ohne den Nachtrag, den er unter dem Eindruck des Prozesses angefertigt hatte. Archivfoto: Anna Lienhardt

Die Verteidigung von Heinz W. hält sowohl einen Gynäkologen als auch einen Chirurgen für ungeeignete Sachverständige.

Bis 14 Uhr lautete am Dienstag die große Frage: Wird heute noch ein Gutachter zu hören sein? Vielleicht sogar zwei? Gutachten, wegen derer vermutlich mehr Zuhörer und Medienvertreter als üblich ins Bamberger Landgericht gekommen waren. Schließlich sollte es darum gehen, wie Fachmänner - zwei von insgesamt sechs Sachverständigen - die Behandlungsmethoden von Heinz W. beurteilen.

Doch bereits der erste Sachverständige, der Gynäkologie-Professor Johannes Dietl aus Würzburg, durfte an Prozesstag Nummer 45 kein Wort sagen. Ihn lehnten die drei Chefarzt-Verteidiger wegen "Besorgnis der Befangenheit" direkt zu Beginn der Sitzung ab. Ein Schritt, der sich bereits am vorausgegangenen Prozesstag angekündigt hatte, als Dietl auf Druck der Verteidigung seinen Vortrag hatte unterbrechen müssen.

Diese warf dem Gynäkologen am Dienstag "unverholene Belastungstendenz" vor und dass er gegen Heinz W. "öffentlich Stimmung machen" wolle. Außerdem habe der Sachverständige Details aus nicht-öffentlicher Sitzung geschildert, wodurch eine "erneute psychische Erschütterung, wenn nicht gar öffentliche Retraumatisierung der Zeuginnen absehbar" werde, wie es Chefarzt-Verteidiger Klaus Bernsmann ausdrückte.

Er hatte schon in der Vergangenheit unter anderem Ermittlungsbehörden wie Medien zugeschrieben, dass sie die Frauen zwischen 17 und 28 Jahren überhaupt erst traumatisiert - und für die Vorverurteilung von Heinz W. gesorgt - hätten. Dieser muss sich unter anderem wegen Vergewaltigung in mehreren Fällen vor der Zweiten Strafkammer des Bamberger Landgerichtes verantworten.

Dort lehnte am Dienstag die Verteidigung den Sachverständigen Dietl aus noch einem weiteren Grund ab: Er habe versucht, ein aus ihrer Sicht zweites Gutachten in Hauptverhandlung einzuführen.

Ebenfalls eine Art Erweiterung wäre wohl von Chirurgie-Professor Arnulf Thiede, ebenfalls aus Würzburg, zu erwarten gewesen. Er durfte aber nur als Sachverständiger aussagen, weil sich Gericht und Verteidiger darauf einigten, dass der Mediziner auf seinen "Nachtrag" verzichtet - und sich auf die 56 Seiten des bestehenden Gutachtens beschränkt. Thiede merkte dazu an: Zunächst habe er keine Kritik an Doktor W. geübt. Nachdem weitere Details bekannt geworden seien, betrachte er das Vorgehen des Angeklagten jedoch nicht mehr kritiklos. Dass er überhaupt sprechen durfte, geht auf einen Beschluss des Gerichts zurück: Die Chefarzt-Verteidiger bezweifelten eine "fachlich wissenschaftliche Kompetenz" des Sachverständigen und schlugen direkt einen anderen Gutachter vor.


"Einige Methoden nachvollziehbar"

Doch Thiede durfte sprechen. Er beschrieb einige Methoden von Heinz W. als "nachvollziehbar", etwa eine bestimmte Art der Schnittführung, den Ablauf von Operationen oder Behandlungen, die W. bei manchen der mutmaßlichen Opfer durchgeführt hatte. Allerdings stellte Thiede auch fest: Der vaginale und rektale Ultraschall werde von Gefäßchirurgen nicht praktiziert. Und: "Große Aufnahmen weiblicher Genitalien haben keinen Dokumentationswert." Zudem sei der Angeklagte bei der fotografischen Dokumentation nicht nach einem standardisierten Verfahren vorgegangen und gewisse Aufnahmen seien zu Aus- und Weiterbildungszwecken nicht geeignet. Die Anwendung von "Butt-Plugs" ("Analstöpseln") und "rhythmischen Bewegungen" damit hielt der Sachverständige für "nicht nachvollziehbar".

Nach etwa zweieinhalb Stunden hatte der Gutachter seinen Vortrag beendet. Spannend wird es am Mittwoch (9.3.2016): Es dürfen Fragen dazu gestellt werden.