Chefarzt-Prozess Bamberg: Das Warten auf Doktor W.

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Vor dem Bamberger Landgericht warteten ab dem frühen Morgen Menschen, die eine Platzkarte als Zuhörer im Sitzungsraum ergattern wollten. Foto: Matthias Hoch
Vor dem Bamberger Landgericht warteten ab dem frühen Morgen Menschen, die eine Platzkarte als Zuhörer im Sitzungsraum ergattern wollten. Foto: Matthias Hoch
Im Justizgebäude warteten zahlreiche Journalisten auf das Erscheinen von Doktor W. Foto: Matthias Hoch
Im Justizgebäude warteten zahlreiche Journalisten auf das Erscheinen von Doktor W. Foto: Matthias Hoch
 

Heinz W. war Chefarzt am Klinikum in Bamberg, doch seit Dienstag (7. April 2015) muss er sich vor dem Bamberger Landgericht verantworten. Wer wissen wollte, was der Gefäßchirurg zu sagen hatte, brauchte Geduld. Zu den Vorwürfen, unter anderem Vergewaltigung, will er sich am 14. April ab neun Uhr äußern.

Jedes Mal zuckt der Finger am Auslöser. Jedes Mal, wenn die rot leuchtende Zahl auf der Anzeige des Aufzuges im Bamberger Landgericht auf die nächste Ebene springt. Untergeschoss, erster Stock, zweiter Stock. Bei "Erdgeschoss": Anspannung unter dem Tross an Journalisten, der dicht gedrängt darauf wartet, dass sich die Türen des Aufzugs öffnen und Heinz W. heraustritt.

Der Mann, der sich als ehemaliger Chefarzt der Gefäßchirurgie am Klinikum Bamberg wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung, gefährlicher Körperverletzung sowie Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs verantworten muss. 13 junge Frauen im Alter von 17 bis 28 Jahren soll Heinz W.
betäubt haben, um sexuelle Handlungen in deren Intimbereich vorzunehmen, wie es ihm die Anklageschrift vorwirft.

Zudem geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass er etliche digitale Fotos und Videosequenzen aufgezeichnet hat, die die sexuellen Handlungen an den weiblichen Opfern dokumentieren.

Platzkarte ab 7.45 Uhr

Hat der 49-Jährige diese Taten begangen? Oder ist er unschuldig? Fragen, die die Bamberger bewegen. Wer die öffentliche Hauptverhandlung in Echtzeit verfolgen wollte, war dazu angehalten, früh aufzustehen: Der Prozess sollte um 9 Uhr beginnen, doch bereits ab 7.45 Uhr verteilten die Wachtmeister des Landgerichts Platzkarten, ohne die Zuhörer keinen Zutritt in den Sitzungssaal erhielten. Platz war maximal für 53 Zuhörer, verteilt wurden laut Leander Brößler, Sprecher des Oberlandesgerichts Bamberg, rund 45 der Platzkarten.

Eine davon wollte Anja D. unbedingt ergattern. Deswegen ist sie am Dienstag schon sehr früh aufgestanden. Um sechs Uhr morgens postierte sie sich dann bereits am Absperrgitter vor dem Landgericht am Wilhelmsplatz. "Heute ist mein letzter Urlaubstag, den nutze ich aus. Das ist ein aufregender Fall, der ja auch großes Medieninteresse hervorrruft", sagt sie.

In der Tat haben sich laut Leander Brößler 24 Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehsender aus dem ganzen Bundesgebiet und Frankreich für den Prozess angemeldet. Hinzu kam die Zahl der interessierten Zuhörer, so dass der Sitzungssaal der Zweiten Strafkammer relativ voll wurde. Mit einem großen Interesse von Öffentlichkeit und Medien habe man gerechnet, wie Udo Skrzypczak, Leiter der Polizeiinspektion Bamberg-Stadt, sagte. Entsprechend habe man Einsatzvorkehrungen getroffen. "Wir unterstützen die Justiz mit zehn Beamten plus zwei, die den Angeklagten aus der JVA Bamberg hierher bringen", erläuterte Skrzypczak.

Die Wachtmeisterei war laut Aussage von Leander Brößler mit neun Leuten im Einsatz. Sie verteilten die Platzkarten und gaben Acht, dass der Einlass an der Sicherheitsschleuse zügig voran ging.

Anwalt steckte im Stau fest

Doch nach dem Warten auf das Verteilen der Platzkarten vor dem Haupteingang, dem kurzen Ausharren an der Sicherheitsschleuse, hieß es auch im Gerichtssaal selbst wieder: warten. Denn einer der Anwälte steckte im Stau fest. Statt um neun Uhr begann der erste Verhandlungstag schließlich eine gute Stunde später.

Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb verlas die 17-seitige Anklageschrift mit den detaillierten Anschuldigungen. Dann wurde es noch einmal spannend: Wird sich Heinz W. äußern? Er tat es zumindest teilweise, allerdings ausschließlich zu seiner Person. Der Mediziner gab einen Überblick über seine berufliche Biographie sowie gewisse Einblicke in sein Privatleben.

Der Zuhörer erfuhr unter anderem, dass der Gefäßspezialist seine Doktorarbeit über künstliche Hüften geschrieben hat, sich laut eigener Aussage gerne mit komplexen Krankheitsbildern beschäftigt und Mitglied in europäischen Fachverbänden ist. Als Hobbys nannte W. Musik und Sport. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Ehe sei durch die Vorwürfe gegen ihn belastet, nicht aber zerrüttet.

Als Chirurg hätte er sich auch mit der Frage beschäftigt, wie man die natürlichen menschlichen Körperöffnungen nutzen könne, um Untersuchungen und Operationen schonend durchzuführen.

Zur Sache, sprich den Tatvorwürfen, äußerte sich der Angeklagte am Dienstag allerdings noch nicht. Seine Begründung: Er habe nicht genug Zeit und in der Justizvollzugsanstalt zunächst auch nicht die technischen Möglichkeiten gehabt, sich ordentlich vorzubereiten.

Herr W. möchte das am zweiten Verhandlungstag nachholen. Und so heißt es wieder warten. Warten auf nächsten Dienstag, warten auf die Platzkarten, warten auf neun Uhr. Und die Aussage des Dr. W.